Comic | Matz (Text) / Luc Jacamon (Zeichnungen): Der Killer
Der »Killer« wird von Szenarist Matz und Zeichner Luc Jacamon seit 1998 von reichen Auftraggebern auf seine Opfer losgelassen. Als Leser folgt man seinem Blick auf die Welt entlang seines Gewehrlaufs. Das fesselt und packt – und lässt sich nun mit dem ersten abgeschlossenen Band einer dreibändigen Gesamtausgabe neu erleben. Von CHRISTIAN NEUBERT
Die Einsamkeit des Killers vor dem Schuss: Der namenlose Auftragsmörder, der der Comicreihe ›Der Killer‹ ihren Titel verleiht, überbrückt sie mit Grübeleien und Reflexionen. Ab 1998 nahm er seine Opfer ins Visier – und ließ parallel auch seine Leserinnen und Leser entlang des Gewehrlaufs auf die Welt blicken. 2013 beendeten Szenarist Matz und Zeichner Luc Jacamon ihre ins Schwarze treffende Zusammenarbeit. Bis dahin schufen sie ein Dutzend ›Killer‹-Alben.
Der Verlag ›Schreiber & Leser‹ bringt die umschwärmte Reihe nun in drei Sammelbänden heraus. Der zweite erscheint jetzt im Frühjahr, der erste ist bereits seit Dezember letzten Jahres erhältlich – und haut einen direkt aus den Socken.
Band 1 der Gesamtausgabe enthält die ersten fünf Alben der euphorisch aufgenommenen Reihe. Zusammengenommen erzählen sie eine abgeschlossene Geschichte. Sie konfrontieren einen mit dem dreckigen Geschäft des Auftragsmords, das ›Der Killer‹ besonnen, kaltblütig und präzise erledigt. Er ist kein Auftragsmörder der billigen Sorte, der Leute ausschaltet, die bei den falschen Schurken ihre Schulden nicht begleichen können. Er selbst würde sich vielmehr mit einem Dienstleister vergleichen, der für gut situierte Auftraggeber individuelle Projekte im Hochpreissegment realisiert.
Dass er in selbstauferlegter Isolation lebt, ist natürlich seinem Beruf geschuldet. Dennoch hegt er Pläne für die Zukunft: Sobald er drei Millionen zusammen hat, will er sich in Venezuela niederlassen, ein einsames Anwesen hat er schon gekauft. Gut gehen lässt er sich´s auch sonst. Aber so richtig gut geht´s ihm dann irgendwie doch nicht, geistreiche Verklärungen hin oder her.
Kalkül und kaltes Blut
Denn auch, wenn er einen mit seinen kritischen Reflexionen, in denen er das Übel der Welt in allem und jedem verortet und in der er auch nur ein normaler Mensch ist, manchmal fast auf seine Seite ziehen kann: Manchmal glaubt er sich selbst nicht so recht. Als Szenarist leistet Matz ganze Arbeit, um die Lebenslügen und Gewissensbisse des Killers in Worte und Gedanken zu packen. Aus der Coolness wird dann Kaltblütigkeit, und manchmal überschattet gar Schwermut seinen beißenden Zynismus.
Die klare, gleichmäßige Panel-Aufteilung des Comics folgt dabei den sorgfältig geplanten Morden des Killers. Die von ruhiger Hand und mit klarem Kopf durchgeführten Gräueltaten werden von einem beinahe meditativen Erzählrhythmus getragen. Ausbrüche, zum Beispiel in Form cut-up-artiger Splash Panels gibt es im Grunde nur dann, wenn etwas nicht planmäßig läuft. Wenn sich unerwartete Wendungen und Wirrungen anbahnen – und der »Killer« improvisieren muss.
Denn egal, wie souverän, abgeklärt und weltgewandt ›Der Killer‹ sich vor den exotischen und urbanen Kulissen bewegt, die seinen Alltag illustrieren: There’s no business like murder business. Seinem Geschäft ist nun mal inhärent, dass es sich nicht von der Probezeit bis zur Rente durchkalkulieren lässt – und im Haifischbecken wird auch der Alligator mitunter zum Futterfisch. Irgendwann steht auch der »Killer« selbst auf Abschusslisten. Ob es daran liegt, dass der einsame Jäger irgendwann doch menschliche Beziehungen eingeht? Er kann und will ihnen nicht entkommen. Sie gehören ebenso zum Alltag wie Intrigen zu seinem Geschäft.
Sein Geschäft ist der Tod
So eiskalt der »Killer« auch agiert, so harmlos und unauffällig ist er zeichnerisch umgesetzt. Jacamon verpasste ihm eine Brille mit runden Gläsern zwischen spitzer Nase und tiefen Geheimratsecken. Für seine Figuren findet er einen Stil zwischen Ligne Claire und klar umrissenen Porträtskizzen. Außerdem findet er konsequent die richtige Farbgebung für die mal reduzierten, mal sehr detailreichen Bilder. Das ist beachtlich – zumal Jacamon Neuland betrat, als Matz ihn als Zeichner rekrutierte.
Für den Verlag ›Casterman‹, den die beiden in ihrer französischen Heimat als Herausgeber fanden, war das ein Wagnis, weswegen ihnen im Vorfeld ein detailliertes Scribbling abverlangt wurde. Matz und Jacamon lieferten – und können final ein packendes, mitreißendes Comic-Erlebnis bieten, das immer wieder auch an ungeahnten Stellen zu überraschen weiß.
Wer also die Reihe nicht im Zuge ihrer deutschen Erstveröffentlichung erleben konnte, kann sie bedenkenlos ins Visier nehmen. Sie ist ein Volltreffer.
Titelangaben
Matz (Text) / Luc Jacamon (Zeichnungen): Der Killer
Sammelband 1 der Gesamtausgabe
Aus dem Französischen von Martin Budde
Hamburg: Schreiber & Leser 2019
320 Seiten. 49.80 Euro
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