Schnallen Sie sich an und machen Sie sich in Carlo Lucarellis neuem Roman auf ein atemberaubendes Tempo gefasst. Rät BARBARA WEGMANN
›Laura di Rimini‹, ein Titel, der auf der Zunge zergeht. So frech und vielversprechend er schon klingt, so rasant, voller Überraschungen und verblüffender Wendungen kommt dieser kurze Roman dahergefegt. Ein Wirbelwind, der einem den Kopf verdreht, das Gefühl gibt, man habe die zweite Seite schon vor der ersten gelesen.
Eine einzige Sekunde entscheidet
»Wie ist es möglich, dass ein braves Mädchen im zweiten Studienjahr Literaturwissenschaft, Tochter eines Pensionsbesitzers aus Rimini, hübsch und ein bißchen klosterschülerinnenhaft, mit einem Unbekannten über die Autobahn fährt, halb nackt … und die Arme um einen Rucksack geschlungen, in dem sich vier Kilo Kokain befinden?«
Das wäre in etwa kurz zusammengefasst die brenzlige Situation, in der sich Laura befindet, natürlich nicht ganz freiwillig, denn: »Sie mag keine Kriminalgeschichten.«
Laura, sonst ein »kleines braves bodenständiges Mädchen, das vor dem Einschlafen immer die Gebete aufsagte, die es als Wichtel bei den Pfadfindern gelernt hatte«, diese Laura wird zur Gejagten, quer durch Bologna.« Nicht ‚Lola rennt‘, sondern Laura rennt. »Die Stadt war heiß und schwül, wie nur Bologna sein kann.« Der, der das sagt, kennt sich aus, Carlo Lucarelli.
Verfolgung in Bologna
Ihren Rucksack hat Laura vertauscht, am Vorabend bei ihrer Professorin, das hat fatale und Verwirrung stiftende Wirkung. Soeben mit Bestnote eine Prüfung beendet, erfährt sie, dass die Professorin brutal ermordet wurde. »Fast hundert Stichwunden, aber nur eine war tödlich.« Der so farbig schildernde Assistent genießt die Details, zu Lauras Entsetzen. »Er mag ja hübsch sein, der Assistent, hübsch blond, hübsch schlank, hübsch professoral, aber mein Gott, der ist echt krank.«
Kurze Abschnitte, wie Einblendungen, Szenen, Momentaufnahmen, immer die Perspektive wechselnd. Kurz gesagt: turbulent, eine Kriminalgeschichte mit Achterbahn-Kurven. Schlag auf Schlag geht da alles und natürlich ist es auch nicht nur einer, der hinter dem millionenschweren Rucksack her ist. Eine »Gruppe russischer Mafiosi«, »korrupte Polizisten«, ein mysteriöses Trio mit Mickey-Maus – Masken, Wanzen in Lauras Wohnung und wer, zum Teufel, ist der Kerl, der ihr nachspioniert?
Bologna, dort ist Lucarelli geboren, dort spielen seine Romane, dort sind die Bösen, die Hinterhältigen, die Dealer, die Mafiosi zu Hause. Aber nie werden es dunkle, düstere Romane voller Gewalt. Lucarelli schafft es, einem verabscheuenswürdigen Verbrechen einen kurzweiligen und leichten Rahmen zu geben. Situationskomik wirkt da wie ein kühles Lüftchen in Bologna mit seinem heißen Pflaster.
Titelangaben
Carlo Lucarelli: Laura di Rimini
Köln: DuMont Verlag 2004
108 Seiten, 9,90 EURO