Zauberhafter Märchenspuk

Kinderbuch | Gregory Rogers: Der Bär im Zauberwald

So kann man einen Sommertag genießen: sich entspannt in einem kleinen Boot einen Fluss hinunter treiben lassen. Das Leben genießen. Und einfach mal abwarten, was dann passiert. Rät ANDREA WANNER

Baer im ZauberwaldGemütlicher kann man einen heißen Sommertag gar nicht angehen. Der Fluss wirkt angenehm kühlend und der Wald, der sich rechts und links am Ufer erhebt, spendet Schatten. Der Bär wirkt ein bisschen wie Balu: ein dicker Faulenzer, der weiß, wie man es sich gut gehen lässt. »Probier’s mal mit Gemütlichkeit…«, hört man ihn fast schon singen.
Er macht ein Nickerchen, wird von Geräusch geweckt, vergewissert sich, dass es nur ein Fisch war, gähnt, reckt sich, schläft weiter. Das Einzige, was verblüfft, ist seine Kleidung: auf dem Kopf trägt er einen kleinen Ritterhelm und um die Schultern einen blauen Umhang.

Irgendwann treibt das Boot ans Ufer, er steigt aus, macht einen kleinen Waldspaziergang.

Schluss mit Gemütlich. Nun wird’s dramatisch. Er holt sich nur ein ganz kleines bisschen Honig von den Bienen und wird prompt gejagt. Zu einem Baum, der eine Tür hat. In einen dunklen Gang. Und auf der anderen Seite steht er im Zauberwald. Jetzt geht’s Schlag auf Schlag. Unser Bär, auf Daumengröße geschrumpft, entpuppt sich als wahrer Held, der todesmutig in den Kampf gegen das Böse wagt und – natürlich – am Ende dem Guten zum Sieg verhilft. In rasantem Tempo reiht sich in bewährter Comicmanier Bild an Bild, jedes randvoll mit liebevoll beobachteten Details. Ja, wir haben ihn falsch eingeschätzt. Er kann galant sein, ritterlich, behände, kämpferisch.

Der australische Bilderbuchkünstler Gregory Rogers verrät seine Inspiration: Shakespeares Midsummer Night’s Dream. Im englischsprachigen Originaltitel wird der Bär zum Midsummer Knight – leider ein Wortspiel, das auf Deutsch nicht funktioniert. Ein Ritter. Daher der Helm und der Umhang. Aber das ist auch das einzige Mal, dass die Übersetzung von einer Sprache in die andere an ihre Grenzen stößt, denn: Mehr Worte gibt es nicht. Ein Abenteuer, das problemlos für einen ganzen Roman herhalten könnte, braucht kein weiteres Wort.

Der Zauber funktioniert. Er wirkt bei dem Bären. Er wirkt bei uns. Wir sehen, hören, riechen. Wir sind dort, Seite an Seite mit unserem tapferen Freund. Oder war das am Ende alles nur ein Traum? Mitnichten. Der Bär hält den Beweis in Händen. Und wir sind stolz auf ihn!

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Gregory Rogers: Der Bär im Zauberwald
Ein Sommernachtstraum
Farnkfurt/Main: Moritz Verlag 2007
32 Seiten, 12,80 Euro
Kinderbuch ab 5 Jahren

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Vom Radio durch das Radio in das Radio

Nächster Artikel

Vom Vorarlberg nach Naumburg

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Wer hilft dem Osterhasen?

Familienbuch | Hannah Kastenhuber (Hg.): Oster-Werkstatt

»Ostern wird bunt!«, verspricht das Familienbuch, in dem eine bunte Auswahl an Bastelideen, Rezepten und Spielen steckt. ANDREA WANNER kam sofort in Osterstimmung

Tierisches

Kinderbuch | Franz Hohler: Am liebsten aß der Hamster Hugo Spaghetti mit Tomatensugo »Es war einmal ein Igel«, hieß es 2011 und Franz Hohler erzählte wunderbare gereimte Tiergeschichten voller verrückter Verdrehungen und mit sehr viel Tiefsinn. Kathrin Schärer lieferte die Illustrationen dazu. ANDREA WANNER freut sich über die Fortsetzung.

Heimat, Zuhause und all das dazwischen

Kinderbuch | Issa Watanabe: Flucht

Meine Tochter ist lange schon erwachsen, aber ich erinnere mich gern und gut daran, dass es eigentlich nie ein Thema gab, über das man mit ihr nicht hätte reden können. Es kommt eben immer nur darauf an, die dem Alter des Kindes gemäßen Worte zu finden. Und wie dieses Kinderbuch in Perfektion zeigt, braucht man manchmal überhaupt keine Worte für ein schwieriges Thema, meint BARBARA WEGMANN

Auch ein Dachs ist nur ein Mensch

Kinderbuch | Moritz Petz: Der Dachs hat heute schlechte Laune!

Das kennen wir sicher alle: Man wacht morgens auf und am liebsten möchte man sich die Decke wieder über den Kopf ziehen. Die Laune ist nicht so gut, alles ist irgendwie doof, was kann dieser Tag schon bringen. Das nervt einen vielleicht selbst, aber vor allem die Anderen. Und der Dachs in dieser Geschichte kennt das bestens. BARBARA WEGMANN hat sich die Laune des kleinen Raubtieres, das aus der Familie der Marder stammt, einmal angeschaut.

Katzen, ein Junge und ein Goblin

Kinderbuch | Lafcadio Hearn / Anita Kreituse: Der Junge, der Katzen malte

Nicht alle Menschen sind für die Arbeit als Bauer geschaffen. Manche sind zum Maler geboren, manche auch dann noch mit nur einem Motiv. Wie der kleine Junge, der obsessiv immer nur Katzen malte. Was ihm dann einmal das Leben rettete. Von GEORG PATZER