Die Geister, die ich vertrieb

Digitales | Games: The Blackwell Deception

Wadjet Eyes ›The Blackwell Deception‹ rettet keine Adventures, es überzeugt DENNIS KOGEL nur davon, dass sie vielleicht gar nicht gerettet werden müssen.

the blackwell deception screenVor einer Weile schrieb Richard Cobbett eine brillante Analyse aktueller Adventure-Spiele und beschloss: »Adventure games suck!« Point and Click Adventures haben sich, so Cobbett, trotz pixeligem Oldschool-Charme verheddert in einfallsloses Puzzle-Design, repetitives Design und bewegen sich in ihrer Entwicklung seit Ende der 90er kaum voran. Adventure Games müssten wieder innovativer werden, um bedeutend zu sein. Dave Gilberts ›The Blackwell Deception‹ verspricht nicht die Zukunft des Adventures, es zeigt aber, wie wichtig und wie gut ein Adventure sein kann, wenn es sich auf eine Handvoll guter Ideen verlässt und Oldschool-Charme nicht als Entschuldigung versteht, alte Designfehler zu wiederholen.

Im Zentrum der mittlerweile vier Teile umfassenden ›Blackwell‹-Serie steht Rosangela Blackwell, eine New Yorker Autorin, die zusammen mit Joey, dem Geist eines verstorbenen Jazz-Gangsters der 20er/30er Jahre, Geister ins Jenseits schickt. Das kann sich durchaus schwierig gestalten, der gemeine Geist muss nämlich erst einmal davon überzeugt werden, dass er oder sie überhaupt tot ist. Die Lösung für das Problem: Rätsel, darunter etwas strapazierte Genre-Standards wie das Durchschieben von Schlüsseln unter verschlossenen Türen.

Charaktere statt Pixel

Interessant wird ›Blackwell Deception‹ allerdings durch das Zusammenspiel von Rosa und Joey zwischen denen per Tab-Taste gewechselt werden kann: die Autorin spricht, durchwühlt Mülltonnen und kombiniert Broschüren mit Wollfäden, Joey kommt durch verschlossene Türen, findet Hinweise und spricht mit Geistern. Oft noch wichtiger als Gegenstände sind Notizen, die Rosa in ihrem Telefon festhält und, ähnlich wie etwa in ›Discworld Noir‹, miteinander kombiniert, um Verbindungen zwischen einzelnen Handlungssträngen zu entdecken. Als Prinzip für Rätsel funktioniert das bis auf einige wenige Ausnahmen ausgezeichnet und fokussiert das Spiel viel mehr darauf, sich mit Verdächtigen, Geistern und anderen Figuren im Spiel auseinanderzusetzen, anstatt Pixel nach aufsammelbarem Kram abzusuchen.

Die Herausforderung ist hier weniger die Kombinationen von Gegenständen, sondern das Verstehen der Eigenschaften und Fähigkeiten zweier verschiedener Charaktere und das Erforschen von Geschichten äußerst menschlicher Figuren. The ›Blackwell Deception‹ ist kurz, aber fabelhaft geschrieben und vertont. Das Szenario und Art Design mag vielleicht nicht so ansprechend sein wie im ebenfalls von Wadjet Eye veröffentlichten ›Gemini Rue‹, ›Blackwell Deception‹ ist aber das bessere Spiel.

| DENNIS KOGEL

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Anpfiff bei TITEL!

Nächster Artikel

Von blauen Bären und leeren Lobbies

Weitere Artikel der Kategorie »Digitale Spiele«

Kein E10 auf Ibiza!

Digitales | Games: Test Drive Unlimited 2 ›Test Drive Unlimited 2‹ wirbt mit einer riesigen, frei befahrbaren Spielwelt, die mit Ibiza als zusätzlichem Schauplatz neben Hawaii insgesamt 2,5-mal größer ausfällt als im Vorgänger. Spielerinnen können sich außerdem auf einen großen Fuhrpark mit edlen Luxus-Sportwagen und erstmals auch Offroad-Fahrzeugen freuen und nicken begeistert den umfangreichen Möglichkeiten zur Individualisierung von Charakteren und Fahrzeugen zu. Dennoch gibt es Schattenseiten. RUDOLF INDERST drehte ein paar Runden auf der Xbox.

Die Möglichkeit einer Insel

Digitales | Games: Dear Esther Wann ist ein Spiel ein Spiel? In seinem ersten Text für das Ressort DIGITALE SPIELE beschäftigt sich DANIEL APPEL mit ›Dear Esther‹ – einem Titel, der sich augenscheinlich einer Kategorisierung verweigert. Was es tatsächlich mit dem Abenteuer auf sich hat, ist im Folgenden zu lesen.

Drachen und Diskurse

Digitales | Games: Dragon Age II Großer Hype um nichts? Verdünntes, an den ominösen »Konsolenspieler« angepasstes Fantasy-Epos? Geniale Fortsetzung? Ein Meilenstein queerer Beziehungen im digitalen Spiel? Der Anfang vom Ende des vielleicht wichtigsten Rollenspiel-Studios Bioware? Es wäre untertrieben, zu sagen, dass die Wochen nach der Veröffentlichung des lang erwarteten ›Dragon Age II‹ nicht stürmisch gewesen wären. DENNIS KOGEL über ein vom Spiel-sein gefangenes Spiel.

Auferstehung der Grabräuberin

Digitales | Games: Rise of the Tomb Raider Auf Entdeckungstour durch Sibirien und Syrien. Zwei Jahre sind seit dem Reboot von Lara Crofts Geschichte vergangen – nun ist sie älter und schnuppert erneut Abenteuerluft. Mit ›Rise of the Tomb Raider‹ setzt Square Enix die erfolgreiche Serie fort und kehrt zu den Wurzeln des Actionspiels zurück. Ob das Modell des Vorgängers überzeugen konnte, ohne Langeweile aufkommen zu lassen, erfahrt ihr von PHILIPP LINKE.

Tickt dieses Spiel noch richtig?

Digitales | Games: Alice: Madness Returns Vor elf Jahren nahm ein fürchterliches Feuer Alice die Familie und hinterließ tiefe Narben in ihrem Geist. Sie wurde in der Rutledge-Irrenanstalt weggesperrt, wo sie sich mühte, ihre Dämonen zu bekämpfen, dabei aber immer tiefer in ihre Fantasiewelt abglitt – ins Wunderland. Jetzt, nach zehn Jahren, wird sie endlich entlassen – trägt jedoch noch immer schwer an der Last der Tragödie. RUDOLF INDERST gibt den Hutmacher und lädt zur Teeparty.