An die Werkbank, fertig, los!

Kulturbuch | Peter Fehrentz: Made by yourself. Individuelle Möbel und stylishe Designobjekte. Ideen, Materialien, Anleitungen

Für alle, die nicht im konsumbehafteten Meer der Beliebigkeit ertrinken wollen, steht mittlerweile Selbermachen – im Englischen ein Imperativ: Do it yourself – weit oben auf der persönlichen Prioritätenliste. Um diese Aufforderung, aktiv zu werden, umsetzen zu können, hat sich die DIY-Literatur in den letzten Jahren gemausert und ist im Mainstream angekommen. VIOLA STOCKER hat sich genau angeschaut, ob Peter Fehrentz‘ Beitrag Made by yourself Neues beherbergt.

Made by yourselfAlles Angenehme zuerst: Peter Fehrentz ist Diplom-Metallgestalter, Fotograf, Stylist und Kreativer. Und ein Mann, der für Männer und Frauen schreibt. Das hebt ihn sowohl ab von der Masse an Büchern, die sich mit textiler Wohnungseinrichtung befassen und eine eindeutige Adressatengruppe haben, als auch von einschlägigen DIY-Anleitungen zum Betonieren und Fliesen. Man darf also hoffen, dass vorliegendes Buch weder zu kitschig noch eine Hommage an schweißverklebte Baumarktkunden ist.

Außen jedenfalls hui

Die Gliederung von Made by yourself ist klar nach Arbeitsmaterialien strukturiert, das macht die Suche für diejenigen leicht, die eindeutige Präferenzen in diesem Bereich haben. Vor jedem Projekt wird Schwierigkeitsgrad, Zeit- und Kostenaufwand angegeben. Dass man das nur als grobe Richtung werten darf, ist selbstverständlich. Fotos von den Projekten und Layout sind wirklich schön, es ist ein ansprechend gestaltetes Konglomerat von verschiedenen Stilen und Materialien.

Das Wichtigste aber sind wohl die Projekte selbst. Hier liegt auch der Hund begraben. Fehrentz stellt durchweg schöne und ausführbare Projekte vor, die aber oft Know-how und eine Werkstatt voraussetzen. Er baut aus alten Tellern eine wunderschöne Etagere, doch an einen Porzellanbohrer wird sich vielleicht nicht jeder wagen. In wie vielen Baumärkten – außer in den Großstädten – es für Spiegel Balsaholzstreifen gibt, ist auch fraglich. Aber die gepressten Blüten der lieben Kinder hinter Glas zu stecken mithilfe von Textilklebestreifen, ist auf jeden Fall nett und machbar.

Innen etwas überschätzt

Dieses Problem zieht sich durch. Die wirklich tollen Arbeitsvorhaben benötigen oft Material, das schwierig aufzutreiben ist, selbst wenn man sich beim professionellen Künstlerbedarf umhört. Manches macht auch aus Nachhaltigkeitsgründen wenig Sinn: Glas kaufen, es dann brechen und wieder zusammenkleben, damit man Lüster bauen kann, die aussehen, als wären sie aus Scherben gefertigt? Der Beistelltisch aus Holzresten ist dafür toll und einfach nachzubauen und auch die Bank für den Flur aus alten Gerüstbohlen hat etwas.

Das Lederkapitel krankt daran, dass man logischerweise Material kaufen muss, dafür hat er in seiner Rubrik für Papier einige Projekte, die man ad hoc angehen könnte und die sicher funktionieren. Ein bisschen frustriert ist man allerdings schon, wenn er zum Thema Falt- oder Scherenschnittvorlagen auf das Internet verweist. Ist das nicht geschummelt? Fehrentz wagte sich auch an das schwierige Thema »Textil«, seine Ideen beweisen ganz klar, dass man nicht unbedingt weiblichen Geschlechts sein muss, um aus einem alten Sessel etwas Schönes zu machen. Seine Entwürfe sind immer erfrischend klar und entbehren jenen lästigen Nippes, der oft in anderen DIY-Büchern, die nach Schweden oder auf den Orient schielen, ständig präsent ist.

Schöne Ideen für die Werkstatt

Seine Kapitel über Metall und Beton gestaltet Fehrentz dafür im Testosteronrausch, das ist auch völlig in Ordnung für alle, die gerne in einem Werkstattloft leben möchten. Allein weshalb es für die Selbsttätigkeit gewinnbringend sein soll, einem gekauften Regal mit Dekorspachtelmasse ein neues betoniertes Antlitz zu verpassen, lässt einen vielleicht ratlos zurück. Dafür hätte so mancher gern ein blickdichtes Fenster ohne Vorhang und mit transluzenter Farbklebefolie, eine wirklich gute Idee.

Fehrentz legt klare und definierte Entwürfe vor, die eine Wohnung nicht vollstopfen. Nicht alle sind sinnvoll und notwendig, doch dieses Urteil obliegt nicht zuletzt dem Adressaten, der etwas selbst gestalten möchte. Aufgrund der interessanten Projekte und weil Fehrentz sich so bewusst vom Kitsch fern hält, ist Made by yourself eine schöne Ergänzung zu ähnlichen Werken, die man in seinem DIY-Regal stapeln möchte.

| VIOLA STOCKER

Titelangaben
Peter Fehrentz: Made by yourself. Individuelle Möbel und stylishe Designobjekte. Ideen, Materialien, Anleitungen.
München: DVA 2012
144 Seiten. 29,99 Euro

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Herzl zweites Buch

Nächster Artikel

ich erzählte dir von den gästen in der lounge, die fiebernd warteten

Weitere Artikel der Kategorie »Sachbuch«

Einen Bestseller schreiben

Kulturbuch | Christian Eichler: 90, oder: Die ganze Geschichte des Fußballs in neunzig Spielen Ob man dem Titel trauen darf? Was ist das überhaupt, eine Geschichte des Fußballs? Eine Wagenladung voll Stars, eine Liste der großen Siege, der phantastischen Tore – könnte ja sein. Genauso jedoch gehören die tiefen Abstürze dazu, die Niederlagen, und man würde gern etwas erfahren über die Einflüsse von Politik auf Fußball. Von WOLF SENFF

Die Lust des Lesens

Kulturbuch | Hermann Korte: »Meine Leserei war maßlos«

Weniger die Schule als die Familie, vor allem der Vater bestimmte im 19. Jahrhundert den Lesekanon. Dabei spielten Verbote ebenso eine Rolle wie Empfehlungen oder das bloße Vorhandensein bestimmter Bücher im Elternhaus. Von THOMAS ROTHSCHILD

Wenn Biografien zerbrechen

Sachbuch | Amy J.L. Baker, Paul R. Fine: Entfremdung

Die Wissenschaft setzt sich intensiv mit den Auswirkungen von Eltern-Kind-Kontaktverlust auf Kinder und Jugendliche auseinander. Über die Folgen für das Leben von Müttern, Vätern und Großeltern wird weniger geforscht und geschrieben. WILFRID VON BOCH-GALHAU über ein Buch, das helfen will, diese Lücke zu schließen

Alter Streit und neue Lösung

Petra Wild: Die Krise des Zionismus und die Ein-Staat-Lösung

Der Palästinakonflikt ist in den letzten Jahren medial in den Hintergrund getreten. Der Vormarsch des IS und der Zerfall Syriens und Libyens haben ihn von den Titelseiten verdrängt. Nur wenn wieder einmal ein deutscher Außenminister lustlos die Fortsetzung des Friedensprozesses anmahnt, nimmt man ihn noch wahr. Die Islamwissenschaftlerin Petra Wild macht uns in ›Die Krise des Zionismus und die Ein-Staat-Lösung‹ mit einem neuen Denkmodell bekannt. Von PETER BLASTENBREI

Totale Indolenz

Menschen | Felix Römer: Kameraden Nach Sönke Neitzels und Harald Welzers Soldaten ist eine zweite große Studie zur Mentalitätsforschung in Sachen Wehrmacht erschienen: Für Kameraden hat der Historiker Felix Römer die Ab- und Verhörprotokollen aus einem amerikanischen Geheimlager für Kriegsgefangene ausgewertet. Der Zweite Weltkrieg aus deutscher Perspektive im O-Ton – minutiös dokumentiert und glänzend erzählt. Von PIEKE BIERMANN