Comic | Marisa Acocella Marchetto: Cancer Woman
Marisa Acocella Marchetto hat ihren Kampf gegen den Brustkrebs gewonnen – und den Leidensweg dorthin so charmant und witzig dokumentiert, dass FRANZISKA BECHTOLD Cancer Woman: Eine wahre Geschichte kaum aus der Hand legen konnte.
Marisa Acocella, Comiczeichnerin aus New York, trifft mit 43 Jahren die Liebe ihres Lebens: Silvano Marchetto. Die Hochzeitspläne laufen auf Hochtouren, als bei Marisa Brustkrebs diagnostiziert wird. Ihr Leben ändert sich vollständig – sie pilgert von Arzt zu Arzt, besucht Kirchen und Sekten, holt sich einen guten Rat nach dem nächsten und fühlt sich doch oft allein gelassen mit ihrem Schicksal.
Cancer Woman ist eine großartig erzählte Geschichte, so viel kann man schon zu Beginn festhalten. Sofort wächst Marisa dem Leser ans Herz, ihr Schicksal berührt – gleichsam in glücklichen und schweren Momenten. Sie schafft es, die ganz alltägliche Situationen so greifbar zu machen, dass der Leser sich in fast jede Szene einfühlen kann – ob es die mahnenden Worte der Mutter sind oder die gut gemeinten Tipps der Freunde (beides ist oft mäßig hilfreich). Dabei gelingt der Autorin in perfekter Weise die Gratwanderung zwischen lustigen Anekdoten, Darstellung panischer Angst und hoffnungsvollen Ruhepunkten.
Gerade wenn sie den Leser an ihrer Psyche teilhaben lässt, sind Marisa Marchettos Kreativität keine Grenzen gesetzt – egal ob sie das Cancer Game spielt (ein doppelseitiges Brettspiel) oder als Halb-Kraftwerk-Halb-Mensch ihrer Konkurrentin den Kopf abreißt. Solche Vorstellungen, so fernab sie auch der Realität sind, sind doch absolut nachvollziehbar, amüsant und ehrlich. Ganz offen und ohne Scham geht Marchetto mit ihrer Angst vor dem Tod, den Nachwirkungen der Behandlung und den sozialen Konflikten um, welche die Krankheit unweigerlich mit sich bringt. Sie spricht von den Kilos, die sie während der Chemotherapie ansetzt genau so wie von den Schuhen, die sie während der Therapie trägt. Der Vergleich zu den Grazien aus der Erfolgsserie Sex and the City liegt nicht nur hier nahe – Pumps, Sex und schicke Kleider kommen nicht zu kurz in Marisas turbulentem Leben (gutes Essen übrigens auch nicht).
Dabei strahlt sie eine liebenswerte Natürlichkeit aus, vergisst aber auch die Detailtreue im Bericht von der Diagnose bis zur Heilung nicht. Harte Kost für jede Frau, denn unweigerlich bringt Cancer Woman das Bewusstsein mit, dass der Kampf gegen Brustkrebs mit Schmerzen, Verzweiflung, Todesangst und nicht enden wollender Erschöpfung einher geht. Kein Zuckerschlecken, auch wenn die Graphic Novel auf den ersten Blick ganz konträr, mit Witz und Leichtigkeit, daher kommt.
Knallbunt und poppig ist ihr Werk, selten mit geordneten Panels, sondern gerne auch mit doppelseitigen Zeichnungen, auf denen es stets viel zu entdecken gibt. Immer wartet Marchetto mit abgefahrenen und kreativen Ideen auf – die Neider als sauer guckende Weintrauben an der Rebe oder ein Spritzen-Wirrwarr, dass ihre Therapie in Zahlen und Fakten zusammenfasst. Dabei bleiben die Figuren und Räume doch realistisch, wenn auch sehr frisch, jugendlich und knallig bunt. Äußerst passend, denn im Grunde ist Marisa genau das: Quirlig und lebensfroh – vielleicht die authentische Carrie Bradshaw (möglicherweise eher ein Kompliment für die fiktive Sex-And-The-City-Protagonistin).
Cancer Woman ist keine leichte Lektüre und trotzdem ein optimistischer Auszug aus Marisa Acocella Marchettos Leben. Ursprünglich als Episoden in der New York Times erschienen, werden ihre Ängste und Leiden in einem bunten und amüsanten Band erzählt, der dabei nie langweilig oder belanglos wird. Immer mit der omnipräsenten Bedrohung der Krankheit versucht die Autorin und Protagonistin das Beste aus ihrem Schicksal zu machen – und hat damit fast schon eine Pflichtlektüre für Frauen geschaffen.
| FRANZISKA BECHTOLD
Titelangaben
Marisa Acocella Marchetto (Text & Zeichnungen): Cancer Woman: Eine wahre Geschichte (Cancer Vixen: A True Story). Aus dem Englischen von Janina Joffe
Zürich: Atrium Verlag 2012.
224 Seiten, 22,95 Euro
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