Im Westen nichts Neues

Musik | Toms Plattencheck

Das aus Peter Hoppe und Bernd Batke bestehende Produzentenduo Slackwax kann man getrost als professionell bezeichnen. Vor allem, was die Vermarktung anbelangt.

So ist es kein Geheimnis, dass die von ihnen produzierte Musik Werbespots großer Konzerne und Kampagnen für Bundesministerien und öffentlich rechtliche Fernsehanstalten verziert. Dementsprechend harmlos und für das Durschnittsohr kompatibel klingen ihre Downbeat-Stückchen auch, die mit leichten Brisen aus Soul, Blues und Elektronik auskommen. Nun haben sie nach drei Eps mit Night out erstmals ein ganzes Album unter dem Namen Slackwax am Start. Wer Freude daran hat, Musik aus der TV-Werbung bzw. alte Gassenhauer anhand einer netten Coverversion (etwa Talk Talks It´s a shame) wiederzuerkennen oder wer sich ärgert seine Cafe Del Mar und Hotel-Costes-Compilations vorschnell auf den Flohmarkt getragen zu haben, ist hier richtig aufgehoben. Wer jedoch meint, der Label Name Modernsoul würde für moderne Soulmusik stehen, sollte die Finger eher weglassen. Die bekommt man heutzutage unter Umständen zwar selbst bei Grammy-Gewinnern und Marketingprofis (wie Frank Ocean, der kürzlich sein einziges Deutschlandkonzert in der BMW-Welt zu München gab; nicht zuletzt, weil er die Boliden doch auch persönlich so gern mag). Bei Slackwax reicht es nur zu schön produziertem Wohlklang im 90´s Chill-Gang.Innovationsfreude steht auch bei TG Mauss nicht unbedingt an erster Stelle, auch hier klingen die 90er irgendwie an. Und zwar die Phase des Postrock und Post-Kraut-Gedengels, die ja bis heute anhält. So verwundert es nicht, dass Torsten Mauss a) Düsseldorfer und b) auch Keyboarder bei Thomas Klein alias Solyst ist, der wiederum als Drummer der großartigen Kreidler bekannt ist. Die Stücke auf Dear Strangers pendeln sich zwischen Laptop und Liveparts, zwischen minimalistisch und experimentell im meditativen bis mittelschnellen Bereich ein und stehen in einer Linie mit Roedelius und Co. sowie diversen Nachgeborenen, zu denen man neben den genannten auch Tarwater mit aufnehmen kann. Nicht das Aufregendste aus dem Hause Karaoke Kalk, aber klar erkennbar aus Liebe zur Musik und nicht in erster Linie für Werbespots entstanden.

This night was meant to stay beteuern die Wiener Maur Due & Lichter. Tja, das soll wohl eine Nacht zwischen WG-Party, Clubnacht und Flirten auf der Dachterrasse sein. Diese Nacht muss eine Studi-Generation zuvor schon mal stattgefunden haben, als wir Morcheeba und Akasha entdeckten und nicht zu komplexe elektronische Musik sich auf den Studi-Partys ihren Weg zwischen die (sich hier nicht niederschlagenden) Indierock-Kracher bahnte. Zwischen Instrumentaltracks und gediegenen Songwriter-Stücken dürfen hier die ein oder andere Gast-Stimme sowie ein fernes Saxofon nicht fehlen. Das ist irgendwie alles sehr vertraut und etwas austauschbar – aber halt doch auch sehr schön.

Immer noch gediegen, aber weniger rückgewandt und mit den Fühlern deutlich Richtung Techno ausgestreckt präsentiert sich da die 6. Ausgabe der Get-Lost-Reihe. Die auf der Doppel-Mix-CD vertretenen House-, Electronica- und Elektro-Pop-Stücke sind auf alle Fälle nicht so moosbefallen, wie das Pseudonym des für den Mix zuständigen Totally Enormous Exstinct Dinosaurs (auch bekannt als TEED) nahelegen könnte. Dessen in Zusammenarbeit mit Eats Everything entstandener eigene neue Track Lion, The Lion offenbart singulär zwar nicht ganz, warum TEED für letztes Jahr von diversen britischen Gazetten über den grünen Klee gelobt und als »one oft he UK’s most exciting young producers« (NME) gefeiert wurde. Egal, sein über zwei CD-Längen laufender Mix ist eklektisch und doch aus einem Guss. Highlights unter anderem: Gold Panda (burnt out car in a forest), Dave Aju (anyway), Tiga (Plush im Ame Remix) und ein rarer Soloauftritt von Kenny Glasgow von Art Department.

| TOM ASAM

Titelangaben
Slackwax: Night Out – Modernsoul/ Soulfood
TG Mauss: Dear Stranger – Karaoke Kalk / Indigo/Morr
Maur Due & Lichter: This night was meant to stay – Las Vegas Records / Broken Silence
Get Lost VI – Totally Enormous Extinct Dinosaurs – Crosstown Records /!K7

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Alles so schön wirr hier

Nächster Artikel

Vielfältig und universell

Weitere Artikel der Kategorie »Platte«

Neulich im Untergrund

musik | toms plattencheck Tony, eine moderate Supergroup und andere Underground Lovers. Von TOM ASAM

Brève apparition en France – des vies en musique…

Musik | Rétrospectivement: Chansonniers, Liedermacher, Folkmusiker, Popsänger in Frankreich Auf der Suche nach aktuell nennbaren französischen Alben erinnere ich zunächst an einige Chansonniers der Vergangenheit. TINA KAROLINA STAUNER nennt so manche Namen, die viele sofort kennen …

Bouncing through Brooklyn

Music | Craig Greenberg: The Grand Loss & Legacy Tomorrow, New York based musician Craig Greenberg releases his first full length album ›The Grand Loss & Legacy‹. MARTIN SPIESS listened to it.

Free Jazz, Free Space & Impro: ›What If‹ von Hauschka

Musik | ›What If‹ von Hauschka Der Komponist Volker Bertelmann ist auch der Musiker Hauschka. Und seine Alben gehören zum Avantgardistischen der aktuellen Düsseldorfer Musikszene. Hauschka spielt als Pianist und Instrumentalist einerseits mit altbekannten und andererseits mit neuen Ideen: Beats verschieben sich, Ebenen sind ineinander verschachtelt. Von TINA KAROLINA STAUNER

Klangkunstwerk ›Im Raum‹

Musik | Streichquartett von Dieter Schnebel Über hr2-Konzertsaal wird am 28.06.18 vom Hessischen Rundfunk ›Im Raum‹ gesendet, im Kontext von ›Stücke‹ (1954/55) und ›Erinnern – Wiederholen – Durcharbeiten‹ (2000-2007). Ein Stück von Dieter Schnebel (1930 – 2018), das bei der Musica Viva im Carl-Orff-Saal im Gasteig am 06.03.09 auch aufgeführt wurde. TINA KAROLINA STAUNER hörte das Konzert, beobachtete und notierte als Wortkunst einen freien Wort-Assoziationsraum zu Musik und Bühne.