Neulich, im September (I)

Musik | Toms Plattencheck

Während TITEL Urlaub gemacht hat, haben sich unsere Autoren nicht (nur) am Strand vergnügt – sondern natürlich die Augen aufgehalten und Ohren gespitzt, was es Neues gibt. TOM ASAM mit den musikalischen Entdeckungen des Septembers …

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Der Neuseeländer Andrew Spraggon lässt mit Unterstützung diverser hochkarätiger Musiker mit Low and behold, high and beyond das bereits fünfte Studioalbum von der Leine, nachdem der Vorgänger Get it together aus dem Jahre 2011 inzwischen auch Remix-Würden erfuhr. Seit mehr als einem Jahrzehnt stehen Sola Rosa für entspannten Wohlfühlsound mit nötigem Tiefgang, der sich irgendwo zwischen Trip Hop, Downbeat, Soul-, Latin- und Reaggaeeinflüssen bewegt. Low and behold bringt mehr als zuvor eine funky Attitude mit ein und bewegt sich ausschnittsweise gar Richtung Hip-Hop Beats. Das Album lebt unter anderem von den Vocalbeiträgen von Spikey Tee (Roots Manuva, Jah Wobble, Morcheeba), Olivier Daysoul (u.a. Hudson Mohawke ) und anderen. Sola Rosa bleiben abwechslungsreich und überzeugen mit einem musikalisch dichten Werk, das knackig produziert ist. Zum wiederholten Male überzeugt hier die Detailarbeit, nicht zuletzt beim Artwork.

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Die Mitglieder der Formation The Stepkids sind beileibe keine Kids mehr, haben sie doch über 20 Jahre lang mitgeholfen, die Skills von diversen Großkarätern zu verfeinern – u.a. Alicia Keys, 50 Cent oder Lauryn Hill. 2009 beschlossen Jeff Gitelman, Dan Edinberg und Tim Walsh selbst in Erscheinung zu treten. Bereits ihr eklektisches Pop-Debüt sorgte für Beachtung und verdeutlichte, dass hier wahre Pop-Kenner am Werk sind. Auch auf Troubadour zelebrieren The Stepkids Zitatpop, der sich vor allem im hochklassig produzierten 70s Pop wohlfühlt und Elemente aus R& B und Jazz sowie Rock integriert. Grandios etwa Insecure troubadour, eine gefühlvolle Ode an die sensible Seite des Pop. Das klingt dann irgendwie, wie eine psychedelische Variante von Prefab Sprout. Ganz so auf den Punkt kommen nicht alle zehn Songs, manchmal verlieren sich die Stücke etwas selbstverliebt im Zitatrausch, trotzdem ist Troubadour ein Wahninns-Schatz zwischen Komplexität und Popschmelz mit Verweisen auf Legenden wie Steely Dan oder King Crimson sowie Elementen, die auch Fans von R&B-Erneuerern a la Frank Ocean gefallen sollten.

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Eine neue Runde Akustik-Fummeleien bietet Joli Garcon, das dritte Album der Formation Petting. Deren Teenie-Weenie-Beat-Pop-Twang verbindet Trash-Chansons mit Rock´n´Roll und einer Portion punkigem Teenage Riot. Ideal ist in diesem Zusammenhang die aufgedreht heisere Gören-Röhre von Sängerin Malika. Neu an Bord sind erstmals zwei Saxophone, was den kleinen Gute-Laune-Hits einen zusätzlichen Schubs Richtung Tanzfläche verpasst und den 60/ 70s Flair unterstreicht. Viele Stücke auch im Bereich des Soundtracks und der Werbung wurden damals von versierten Jazzern veredelt – und auch die Bläser Benno Schmitz und Sabine Wenzl verfügen über Jazz-Wurzeln. Die Texte kommen überwiegend in Französisch. »Si tu veux ou tu veux pas – tu est mon baby.«

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»Ich hab mit noch nie viel aus dem Tag gemacht!«, behauptet Eric Pfeil. Was er auf seiner Debüt-Platte beim Münchner Kult-Label Trikont zu sagen hat, lohnt gehört zu werden! Pfeil hat schon das Kunststück vollbracht, als Musikjournalist im Fernsehen unpeinlich zu agieren (Fast forward) – und, was ebenso selten ist, einen gelungenen Poproman zu schreiben (Komm, wir werfen ein Schlagzeug in den Schnee). Und auch der Seitenwechsel vom Musikkritiker zum Musiker ist natürlich eine Herausforderung, an der man leicht scheitern kann. Doch Pfeil trifft auch als Barde ins Schwarze! Seine in deutscher Sprache vorgetragenen Stücke verbinden gelungener Art Melancholie und Leichtigkeit; dabei versprühen sie diesen angenehmen Touch an Skurrilität, den man etwa von guten skandinavischen Spielfilmen erwartet. Wer Freude hat an Element of Crime, Erdmöbel oder den Stücken vom allzu früh verstorbenen Nils Koppruch (ehemals Fink) hat, dürfte mit Eric Pfeil eine seltene Erweiterung eines wage gefühlten Genres freudig wahrnehmen. Textprobe: »Würdest du für mich sterben, hast du mich gefragt/ ich bin doch schon dabei hab ich gesagt/ und als ich dann tod war fiel wieder blauer Schnee / ich glaub nicht, dass wir uns wiedersehn« (Die Liebe kennt den Weg).

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Das Track-Searching von Analog Africa in Ghana, das mit Afrobeat Airways bereits eine gelungene Compilation nach sich zog, geht in die nächste Runde. Die zweite Ausgabe bietet 13 Treffer zwischen vom tropischen Küstenklima beeinflussten Highlife-Sound, über Musik aus dem zentral gelegenen Kumasi bis zu Musik aus den saharanahen Städten wie Tamale und Bolgatanga , die zum sogenannten Islamic Funk Belt gehören. Die Stücke entstanden zwischen 1974 und 1983, darunter sind der legendäre Sänger K.Frimpong, Kopf der African Brothers Band; Afrobeat-Star Ebo Taylor oder Godather of Afro-Funk Gyedu-Blay Ambolley zu finden. Wie bei Analog Africa üblich, ist das Ganze abgerundet durch ein informatives, reichhaltig ausgestaltetes Booklet, das auf 44 Seiten der Entwicklung von Soul, Funk und Afrobeat in Ghana nachzeichnet. Beat it!

| TOM ASAM

Titelangaben
Sola Rosa: Low and behold, high and beyond – Agogo Records
The Stepkids: Troubadour – Stones Throw / Groove Attack
Petting: Joli Garcon – Waterfall Records / Broken Silence
Eric Pfeil: Ich hab mir noch nie viel aus dem Tag gemacht – Trikont / Indigo
Afrobeat Airways – Return Flight to Ghana 1974-1983 – Analog Africa / Groove Attack

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