Film | Im TV: Tatort 900 – Zirkuskind (SWR), 16. Februar
»Phönizische Kunst, ungefähr fünftes bis drittes Jahrhundert vor Christi. Wenn die Funde aus dieser Epoche stammen und so gut erhalten sind, reden wir wohl über mehrere Hunderttausend Euro.« Weshalb werden eigentlich für steinalte, halb zerdepperte Gegenstände dermaßen hohe Beträge hingeblättert? Bestimmt hat jemand, weil Denken oft hilft, mal darüber nachgedacht. Von WOLF SENFF
Ihnen sei, so liest man, ein sakraler Charakter zu eigen, sie seien nahezu unverkäuflich, verglichen mit all dem hinfälligen Konsumgut, das uns unser kurzes, flüchtiges Leben lang begleitet. Sie sind. Sie bleiben. Ihr Wert ist unschätzbar. Sie entziehen sich der eintönigen Zirkulation des Konsums, sie verankern uns mit der Tiefe der Zeit. Wie schön. Nun sind wir merklich klüger.
Zirkusleben, Zirkusfluchten
Der kleine Familienzirkus Burani verzaubert bei seinem Gastspiel in Ludwigshafen das Publikum jeglichen Alters, auch Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Mario Kopper (Andreas Hoppe) sind unter den Besuchern. Doch nachdem einer der Mitarbeiter am Morgen nach der Vorstellung erschlagen in der Manege liegt, sieht sich Lena Odenthal während ihrer Ermittlungen mit der harten Realität eines Zirkusalltags konfrontiert.
Der familiäre Zwang im von der Mutter geführten Zirkus ist heftig, Zusammenhalt ist unverzichtbar. Haben Pit (Mark Filatov) und sein Bruder Robbi Sonner (Hanno Koffler) den Winteraufenthalt in Tunesien zweckentfremdet, um einträglichen Schmuggel zu betreiben? Man weiß es nicht. Und war etwa Felicitas (Liv Lisa Fries) beteiligt?
Mafioses Flair, biederer Alltag
Das Thema ist originell gewählt, die Spannweite zwischen international mafiosem Flair und Enge des Familienbetriebs bekommt dem Film. Es gibt andere Lichtblicke. Kopper tritt mit neuem Design auf. Was er sagt – »Eifersucht ist eines der häufigsten Motive überhaupt« –, kommt wie immer im Brustton der Überzeugung, egal, das macht ihn sympathisch. Auch Lena Odenthal scheint die lange Pause gut bekommen zu sein. Der etwas schräge Herbert Rauch (Fritz Roth) möchte Feuer legen und kann daran gehindert werden, die Figuren sind vielschichtig angelegt (Buch: Harald Göckeritz) und kommen überzeugend an (Regie: Till Endemann).
Die Kernhandlung, die Ermittlung, geht eher schleppend voran. Lange bleibt der tunesische Kontaktmann im Hintergrund und man wundert sich darüber, dass es vier Monate braucht, bevor die Auftraggeber sich kümmern. Sinnvoll wäre gewesen, dass man an Schauplätzen wie Arezzo, von dem häufig als Umschlagplatz für Schmuggelware geredet wird, hätte drehen können, Szenen vom Originalschauplatz verleihen dem Geschehen nun einmal mehr Breite und Glaubwürdigkeit, doch dafür, klar, reichen die reduzierten TATORT-Etats nicht hin.
Von Überschuss redet man nicht
Die Einsparungen sind wenig förderlich, gar peinlich, und wirken sich – in diesem TATORT unübersehbar – bremsend auf Qualität und Unterhaltungswert aus. Wo versickern eigentlich die Überschüsse aus den Gebührenerhöhungen? Wir sind nicht beim ADAC, nicht beim Bischof von Limburg, nicht bei der Elbphilharmonie – also, ARD, wohin steckt ihr das überschüssige Geld? Ihr äußert euch dazu lieber nicht? Hm.
Zum Schluss spitzt sich das Geschehen wie üblich zu, wird aber leider beim Zirkuskind übermäßig sentimental und enttäuscht. Schade, dass ein TATORT mit vielversprechender Ausgangslage nur schal und dünn zum Ende geführt wird.
| WOLF SENFF
Titelangaben
TATORT: Zirkuskind (Südwestrundfunk)
Regie: Till Endemann
Ermittler: Ulrike Folkerts, Andreas Hoppe
So., 16.2.14, ARD, 20:15 Uhr
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Gregor Keuschnig zu Rüdiger Dingemann: »Tatort«-Lexikon
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