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Der arabische Frühling kommt nach Deutschland

Krimi | Oliver Bottini: Ein paar Tage Licht

Nachdem er sich (vorerst?) von seiner Freiburger Kommissarin Louise Boní getrennt hat, die im Mittelpunkt der ersten fünf Romane Oliver Bottinis stand, sind die letzten beiden Bücher des 1965 geborenen Autors Kriminal- und Zeitromane in einem. Ging es in Der kalte Traum (2012) um den Jugoslawienkonflikt und seine Nachwirkungen, führt uns Ein paar Tage Licht (2014) nun dicht an einen anderen Krisenherd unserer Tage heran – nach Algerien nämlich, vom »Arabischen Frühling« zunächst verschont geblieben, aber auch – wie seine Nachbarstaaten – in Verhältnissen erstarrt, die nach demokratischen Veränderungen verlangen. Von DIETMAR JACOBSEN
Bottini
Dass Deutschland gut verdient mit Waffen und anderem Kriegsgerät von Heckler & Koch, der Rheinmetall AG, Krauss-Maffei Wegmann und weiteren Produzenten, weiß man. Rund 11% der weltweiten Exporte von Rüstungsgütern entfallen auf die Bundesrepublik. Auch dass die Ausfuhr von kriegstauglichen Gütern hierzulande stark umstritten ist, die Linke gar den Handel mit ihnen generell in Frage stellt, ist bekannt.

Mutmaßen hingegen kann man nur, dass es auch für jene Länder, bei denen der Bundessicherheitsrat die Exportgenehmigung verweigert, Mittel und Wege gibt, sich über dubiose Kanäle deutsche Hightech-Waffen zu besorgen.

In Oliver Bottinis neuem Roman Ein paar Tage Licht geht es um solch einen Fall. In Algier wird der deutsche Rüstungsmanager Peter Richter offenbar von einer islamistischen Terrorgruppe entführt. Richter war vor Ort, um Waffengeschäfte zu tätigen, die nicht an die große Glocke gehängt werden sollen, von der deutschen Rüstungsindustrie und deren Lobbyisten aber abgesegnet wurden.

Algerien als vom »Arabischen Frühling« bisher verschontes Land soll unterstützt werden in seinem Bemühen, die Unruhen in den Nachbarländern möglichst von den eigenen Grenzen fernzuhalten. Im Gegenzug locken, wie Richter weiß, Belohnungen, die jede kleine bürokratische Trickserei wert sind.

Denn Algerien ist »ein demokratischer, arabischer Mittelmeerstaat mit europäischer Vergangenheit, immensen Öl- und Erdgasvorkommen, reich und quasi ohne Auslandsschulden, mit der Sahara, in der in ferner Zukunft durch Solarkraftwerke ein Gutteil des europäischen Stroms produziert werden könnte.« Strom und Bodenschätze, an denen deutsche Konzerne nicht zu knapp mitverdienen könnten. Und was wiegen bei solchen Gewinnaussichten dann schon ein paar hundert Schnellfeuergewehre?

Geschäfte mit dem Tod

Doch die Lage ist verwickelter, als es zunächst den Anschein hat. Denn weder sind die Entführer des Managers auf Lösegelder scharfe Gotteskrieger, noch ist der Waffendeal so unumstritten, wie ihn gewisse Kreise darzustellen sich bemühen. Und so beginnt hinter den Kulissen eines von Berlin aus betriebenen hektischen Krisenmanagements rund um die Entführung bald auch ein eifriges Gezerre um Interessen und Einflusssphären, Wahrheit und Profit.

Auf mehrere Schauplätze verteilt, lässt Oliver Bottini seine Leser in schnellen szenischen Wechseln miterleben, wie ein halbes Dutzend Figuren in die Ereignisse hineingerät und sich positionieren muss im Widerstreit zwischen persönlicher Integrität und Pflichtbewusstsein. Da ist der BKA-Mann Ralf Eley, der Richter in einer handstreichartigen Aktion seinen Entführern wieder entreißen will und dabei feststellen muss, dass die mit Al Quaida nichts zu tun haben. Da ist die Berliner Ministerialbeamtin Katharina Prinz, einst deutsche Botschafterin in Algier und engagierte Gegnerin von Rüstungsexporten in ein Land, dessen Schattenseiten sie nur zu gut kennt.

Da sind Lobbyisten ohne Gewissen, bestechliche Beamte und Abgeordnete, die sich um ihre Wiederwahl sorgen, wenn sie den Abbau von Arbeitsplätzen in den großen Rüstungsschmieden riskieren. Und da sind vor allem die Männer und Frauen um den idealistischen Djamel Benmedi, der zu jenen Kräften zählt, die hinter der Entführung Richters stehen und eine neue demokratische Bewegung im Auge haben, die die korrupten Verhältnisse in ihrer Heimat ein für alle Mal beseitigen soll.

Die guten und die bösen Bösen

Mit dieser Figur und ihrer blutigen Familiengeschichte – die Schicksale seines Vaters, der dem Militärterror des so genannten »Schwarzen Jahrzehnts« zum Opfer gefallen ist, und seines Großvaters, der Sicherheit erst im deutschen Exil fand, haben den jungen Mann radikalisiert – nähert sich das Buch auch einer der wichtigsten Fragen der nordafrikanischen Demokratiebewegungen der letzten Jahre: Was kommt danach und wie stabil vermögen die neuen Machtverhältnisse zu sein?

Das umfangreiche, fast 50-seitige Glossar am Buchende ist für meinen Geschmack des Guten ein wenig zu viel und dürfte eher abschreckend auf Krimifreunde wirken, die beim Buchkauf zunächst einmal hinten nachschauen, wie sich das Preis-Seiten-Verhältnis gestaltet. Wenn einem so viel erklärt werden muss – versteht man dann überhaupt etwas?

Und warum wird nur ein Teil der französischen Dialoge übersetzt – Dialoge, die außerdem nicht mal Hochphilosophisches, sondern nur schlichten Smalltalk beinhalten? Bringt es mich wirklich weiter im Verständnis der algerischen Situation, wenn ich weiß, dass »Les blazers sont là-bas« mit »Die Blazer sind dort drüben« zu übersetzen ist? Und ist es zudem hilfreich, wenn Faktisches und Erfundenes alphabetisch geordnet beieinanderstehen?

Aber das sind letztlich nur marginale Einwände gegen einen Roman, der bestens recherchiert ist und Fakten und Fiktion so geschickt miteinander verzahnt, dass man durch die Lektüre nicht nur spannend unterhalten, sondern auch dazu inspiriert wird, sich ein bisschen genauer über die wechselvolle Geschichte jener nordafrikanischen Staaten zu informieren, die nach einem kurzen Frühling der Demokratie nun wieder zurückzufallen scheinen.

| Dietmar Jacobsen

Titelangaben:
Oliver Bottini: Ein paar Tage Licht
Köln: Dumont Buchverlag 2014
512 Seiten. 19,99 Euro

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