Krimi | Richard Crompton: Wenn der Mond stirbt
Nairobi im Dezember 2007. Vor der anstehenden Präsidentschaftswahl bauen sich die Spannungen zwischen den politischen Lagern und unterschiedlichen Volksgruppen in Kenia immer mehr auf. Ist unter den Rivalisierenden auf den Straßen auch der Mörder einer jungen Frau zu finden, dem der Massai-Ermittler Mollel nachjagt? Richard Cromptons Krimidebüt Wenn der Mond stirbt hat Atmosphäre und ist kenntnisreich und spannend geschrieben. Von DIETMAR JACOBSEN
Der Polizist Mollel gehört zu den Massai, jener ostafrikanischen Volksgruppe, die auch heute noch halbnomadisch lebt und sich den Versuchen der kenianischen wie der tansanischen Regierung, diese Minderheit in beiden Ländern mittels Entwicklungsprogrammen an eine sesshafte Lebensweise zu gewöhnen, weitgehend entzieht. Mollel freilich lebt in der Hauptstadt Kenias, hat einen Sohn und genießt den Ruf eines Helden, seit er bei dem Terroranschlag auf die US-Botschaft in Nairobi zahlreiche Menschen aus den Trümmern gezogen und damit deren Leben gerettet hat. Nur seiner eigenen Frau, derentwegen er das Risiko, selbst in dem Chaos umzukommen, auf sich nahm, konnte er damals, 1998, nicht mehr helfen.
Nun, ein gutes Jahrzehnt später, ist der psychisch angegriffene Mann bei der Polizei in Ungnade gefallen und zum Verkehrsregeln auf die Straße geschickt worden. Doch der Mord an einer jungen Frau, die derselben Ethnie angehört wie Mollel, bringt ihn wieder zu den Kriminalisten zurück. Schnell hat er mit seinem neuen, jungen Kollegen Kiunga herausgefunden, dass es sich bei der brutal Zugerichteten um eine Ex-Prostituierte handelt. Doch warum musste jene Lucy sterben – und welche Rolle spielt ihre Freundin Honey, auf die der Polizist bei seinen Nachforschungen stößt.
Richard Crompton schickt den ersten Massai-Ermittler in die Spur
Richard Crompton, Ex-Journalist und BBC-Produzent lebt mit seiner Familie seit 2007 in Nairobi. Wenn der Mond stirbt – im englischen Original 2013 erschienen – ist sein Debütroman. Zum ersten Mal tritt in ihm ein Angehöriger der Massai als Ermittler auf. Kenntnisreich schildert der Autor den ethnischen Hintergrund seiner Hauptfigur und macht deutlich, welche Spannungen die moderne kenianische Gesellschaft immer wieder vor gewaltige Zerreißproben stellen.
Nicht von ungefähr hat sich Crompton als zeitlichen Hintergrund für sein erstes Buch eine Dezemberwoche des Jahres 2007 ausgesucht. Rund 300 Opfer forderten damals die in den Tagen rund um die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 27.12. ausbrechenden Unruhen. Mitten hinein in die aufgeheizte Atmosphäre in den Straßen Nairobis schickt das Buch seinen Protagonisten. Und indem bald klar ist, dass in den Mord, den Mollel aufzuklären sucht, exponierte Figuren aus Politik, Wirtschaft und Kirche verwickelt sind, gelingt ihm relativ mühelos die Symbiose von spannungsgeladener Tätersuche und Analyse der gesellschaftlichen Situation.
»Der Tod kommt einfach, aber Sterben kostet Mühe.«
Erzählerisch hat das Buch im Übrigen auch einiges zu bieten. So etwa, wenn sich die beiden Ermittler beim mühevollen Treppensteigen im Kenyatta International Conference Centre (KICC) wechselseitig ihre Leidensgeschichten erzählen, 15 Stockwerke lang der eine, die restlichen 15 der andere. Und auch die Szene, in der eine Gruppe weißer Touristen in tadellos gebügelter Safarimontur angesichts der Unruhen in den Straßen Nairobis aus ihrem Hotel evakuiert wird und die Brände und Plünderungen aus der Sicherheit ihres Busses heraus begierig fotografiert, entbehrt nicht eines bitteren Untertons.
Fragen lassen muss sich der rasante Roman allerdings, ob er nicht zu viel auf einmal anspricht. Korruption in Staat und Gesellschaft, die zwielichtige Rolle der Kirchen, AIDS und Genitalverstümmelung, das Verhältnis zwischen den verschiedenen Ethnien, Prostitution und Kinderhandel, Terrorismus und die Willkür paramilitärischer Verbände, die Kluft zwischen Arm und Reich und das zähe Festhalten an der Macht entgegen allen demokratischen Willensentäußerungen des Volkes – was bleibt da noch für eine Fortsetzung übrig? Die freilich hat Richard Crompton schon geschrieben, wie man hört. Man darf also gespannt sein, wie es weitergeht mit seiner sympathischen Hauptfigur.
Titelangaben
Richard Crompton: Wenn der Mond stirbt
Aus dem Englischen von Claudia Feldmann
München: dtv premium 2014
383 Seiten. 14,90 Euro