/

Der Emir ist mächtig

Film | TV: ›TATORT‹ Wüstensohn (BR), 15. September

Schwierig zu sagen, weshalb – aber dieser ›TATORT‹ fängt umwerfend an. Ist so was überhaupt vorstellbar? Am helllichten Tag? Nein, ich glaub’s eher nicht. Aber egal, niemand will streiten. »Der Sohn des Emirs ist jetzt bereit, Ihnen einige Fragen zu beantworten.« Also bitte, wo liegt das Problem? Von WOLF SENFF

Tatort: Der WüstensohnBild: BR/ Heike Ulrich/ Claussen+ Wöbke+ Putz Filmproduktion GmbH
Tatort: Der Wüstensohn
Bild: BR/ Heike Ulrich/ Claussen+ Wöbke+ Putz Filmproduktion GmbH
Nasir al Yasaf, fünfter Sohn des Emirs von Kumar, hat sich in die Münchner Disco- und Partyszene eingelebt, gibt den reichen Sohn des Emirs und sorgt für seinen Freundeskreis, na ja wie das so läuft, und nicht nur in München, mit Alkohol, Mädels und Koks. Niemand weiß, wie lange das gut gehen soll, der strenge Konsul gibt zwar die Anstandsdame ganz im Sinne des fernen alten Herrn, doch der Sprössling ist energisch und nimmt sich Freiheiten.

An langer Leine

»Fick dich, Weichling!«, »Stopf dieser Schlampe endlich das Maul!«, »Kameltreiber, blöder!« Da sind noch nicht einmal fünf Minuten verstrichen und der Umgangston wird intim und vertraulich. »Sie gefallen mir. Sie greifen an wie ein Falke«. Mitteleuropäische Etikette ist das jedenfalls kaum. »Ja, ist mein Kamel. Die zwei anderen sind gerade zum Besamen in Wien«. Was wird uns noch erwarten?

Zu Anfang lässt die Regie das Geschehen an der langen Leine laufen, der Zuschauer darf amüsiert sein. Sobald das Anfangsdrittel vorüber ist, das zentrale Personal ist eingeführt, schälen sich die zentralen Erzählungen heraus, beim ›TATORT‹ sind das für gewöhnlich zwei.

U-Bahn in der Wüste

Die eine erzählt von Nasir al Yasaf, der zwischen zwei Kulturen steht, einer tragischen Figur genau genommen. Er ist sympathisch gezeichnet, wir werden sehen, was aus ihm wird. Die zweite ist die Kriminalgeschichte. Nasirs Freund Karim wurde erschossen, vermutlich nach Streitigkeiten in einer Diskothek, doch sicher ist das nicht, es treten mehr und mehr Verwicklungen auf, der Diplomatenstatus der Beteiligten erschwert die Ermittlungsarbeit.

Außerdem sind wirtschaftliche Interessen des schönen Bayernlandes betroffen, der Emir hat vor, eine U-Bahn zu bauen, wie das so in der Wüste üblich ist, der ›TATORT‹ nimmt es mit Humor. Ansonsten spielt Teppichhandel mit sowie ein Computermodul, vielfältig einsetzbar von Gesundheitstechnologie bis hin zu Drohnensteuerung.

Für jeden kreuzbraven Beamten eine Verlockung

Ein strebsamer Staatssekretär kommt Batic und Leitmayr in die Quere, die Angelegenheit wird hochpolitisch, und der Staatsanwalt bremst den Eifer seiner Ermittler. Es gibt auch andere politische Interessen, präsent durch einen Anhänger des arabischen Frühlings, wir folgen einer spannend erzählten und zeitlich hervorragend balancierten Geschichte. Schade, dass das dem Bayrischen Rundfunk mit seinen ›Polizeiruf‹-Folgen nicht ebenso makellos gelingt.

Wird Ivo Batic das Angebot von Nasir al Yasaf, ihn seinem Vater als neuen Polizeichef des Emirats vorzuschlagen, letztlich doch ablehnen? Dreißig- bis fünfzigtausend Euro Monatssalär sind zwar ein Hungerlohn, gemessen am Niveau der Balltreter an der Säbener Straße, aber für einen kreuzbraven Beamten durchaus eine Verlockung.

| WOLF SENFF

Titelangaben
›TATORT‹ Wüstensohn (Bayrischer Rundfunk)
Ermittler: Miroslav Nemec, Udo Wachtveitl
Regie: Rainer Kaufmann
So, 14. September, 20:15 Uhr

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

What‘s That Sound? Part 2.

Nächster Artikel

Winterkrieg

Weitere Artikel der Kategorie »Krimi«

Kritisch angehaucht hat Methode

Film | Tatort 906 – Borowski und das Meer (NDR), 30. März Ein ›TATORT‹, der Geschäftswelt und globalen Handel zum Thema hat, weit weit über den Planeten verteilt, doch niemand muss reisen, Kontakt wird über Skype gepflegt. In Wellington/Neuseeland kommt ein Umweltschutz-Aktivist zu Tode, in der Kieler Förde stürzt Jens Adam über Bord, der für die Firma Marex, Hamburg, mit Stammsitz in Vancouver Schürfrechte für Seltene Erden verhandelt. Bald wird eine Leiche angespült, die in eine Schiffsschraube geriet. Das stiftet Verwirrung, die aufgelöst sein will. Von WOLF SENFF

In Ungnade gefallen

Krimi | Qiu Xiaolong: Schakale in Shanghai Oberinspektor Chen Cao ist wieder da. Wenn auch nicht ganz. Denn der in seiner Freizeit als Dichter und Übersetzer tätige Mann ist von seinem Posten bei der Shanghaier Polizei entfernt worden. Plötzlich sieht er sich als Direktor an der Spitze eines Komitees für Rechtsreformen. Und weiß nicht, wem er diesen merkwürdigen »Aufstieg« zu verdanken hat, der ihn und die Seinen alsbald ins Fadenkreuz mächtiger Männer ohne jeden Skrupel befördert. Schakale in Shanghai heißt das neue Buch von Qiu Xiaolong. Eine Rezension von DIETMAR JACOBSEN

St.-Pauli-Nights

Krimi | Simone Buchholz: Blaue Nacht Als trinkfeste Staatsanwältin hat Chastity Riley in Simone Buchholz‘ Krimi Revolverherz (2008) einen brutalen Prostituiertenmörder auf dem Hamburger Kiez zur Strecke gebracht. Weil sie dabei nicht ganz regelkonform vorging und nebenbei auch noch ihren Vorgesetzten der Korruption überführte, hat man die unkonventionelle und beileibe nicht bei allen beliebte Halbamerikanerin danach vorsichtshalber zur Opferschutzbeauftragten gemacht. Als solche treffen wir sie nun wieder In Buchholz‘ aktuellem Buch Blaue Nacht. Doch weil zu jedem Opfer auch ein oder mehrere Täter gehören, stecken Chastity und ihre alten Freunde bald wieder bis zum Hals in Schwierigkeiten. Von DIETMAR JACOBSEN

Täuschung um des Friedens willen

Roman | James Rayburn: Fake Unter dem Pseudonym James Rayburn schreibt der erfolgreiche Thrillerautor Roger Smith (geb. 1960 in Johannesburg) seit ein paar Jahren Agentenromane. Fake ist – nach Sie werden dich finden (2016) – der zweite Ausflug des auch hierzulande mit seinen knallharten Büchern über das Postapartheid-Südafrika bekannt gewordenen Autors in jenes Genre, dessen Spannweite sich mit den Namen James Bond und George Smiley ausmessen lässt. Von DIETMAR JACOBSEN

Viel Aufregung, wenig Spannung

Film | Im TV: Tatort – Wiederkehr (RB), 15. März Rückblick, Aufklärung von längst vergangenem Geschehen, das kommt neuerdings häufiger, und schon sind wir beim ›TATORT‹ aus Bremen. Nein, »schön« wird man die Eingangsszene nicht nennen, aber sie ist ergreifend, weil sie realistisch und glaubhaft Gefühle von Verzweiflung zeigt, und sie erinnert daran, was Krimi leisten kann außer Verbrecher jagen, Tote zählen und mit Wumme ballern. Von WOLF SENFF