Gleiches Recht auf Liebe

Jugendbuch | Sonwabiso Ngcowa: Nanas Liebe

Homosexualität in Ländern Afrikas ist ein recht neues Thema hierzulande. Vor Ort wird schon lange darüber diskutiert. Laut der Verfassung Südafrikas von 1997 etwa darf dort niemand aufgrund der eigenen sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Bis diese Forderung Alltag geworden ist, muss aber noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Der junge Autor Sonwabiso Ngcowa erzählt in seinem Debütroman ›Nanas Liebe‹, welchen Problemen junge lesbische Frauen ausgesetzt sind und fordert gleiches Recht auf Liebe für alle. Von MAGALI HEISSLER

nanaNanase, genannt Nana, wächst bei ihrer Großmutter in einem Dorf auf. Ihre Eltern sind mit der älteren Schwester in ein Township in die Nähe Kapstadt gezogen, als Nana noch ganz klein war. Nana gefällt das Leben auf dem Dorf, sie liebt ihre Großmutter und auch mit ihrer Kusine kommt sie meist gut aus, obwohl die gern auf ihrem Status als die Ältere pocht und dazu neigt, Nana zu tyrannisieren. Es dauert seine Zeit, bis Nana genug Mut gefunden hat, um sich durchzusetzen.

Aber Nana vermisst ihre Eltern – und als diese sie überraschend wieder zu sich holen, bricht sie nur zu gern auf. Sie ist inzwischen fünfzehn und freut sich auf die Oberschule. Die Ankunft im Township ist ein Schock, zu ärmlich geht es zu. Gut, dass die Eltern sich im Unterschied zu früher gut vertragen. Die ältere Schwester hat schon Arbeit gefunden. Die neue Schule läßt sich gut an, obwohl Nana gleich zur Teilnahme an einem Schönheitswettbewerb verdonnert wird.

Noch besser ist es, dass Agnes, die junge Frau aus Simbabwe, die neben ihnen wohnt, von Anfang an wie eine Freundin mit Nana umgeht. Aber ist das wirklich nur Mädchenfreundschaft oder kann es sein, dass sich Liebe so anfühlt? Und wieso kann Nana eine Frau lieben?

Ich schreibe dir meine Geschichte

Ngcowa hat sich eine interessante Konstruktion einfallen lassen, um seine eigentlich einfache Geschichte zu erzählen. Anstatt nur Nana sprechen zu lassen und damit die Ereignisse in einem privaten Raum von Agnes und Nana zu belassen, in dem nur die Leserin Zutritt hat, öffnet er die Türen des privaten Raums weit. Nana erzählt ihre besondere Liebesgeschichte in einer Art langem Brief einem weiteren Mädchen, das sie zufällig während einer Busfahrt kennenlernt. Es ist zugleich ein offener Brief, den alle mitlesen sollen. Er erlaubt Nana wie auch der Leserin zudem Reflexionen und Kommentare und wird auf diese Weise zu einer Art Gespräch über lesbische Liebesbeziehungen in Nanas Heimat.
Ngcowa erzählt direkt, ohne Umschweife von Zustimmung und Abneigung. Ungeschönt berichtet er auch von der Gewalt, der schwule wie lesbische Menschen ausgesetzt sind.

Bereit sein

Nanas Entwicklung wird in großen, deutlichen Schritten gekennzeichnet. Das kleine Mädchen lernt sich zu behaupten, zuerst ihrer Cousine gegenüber, dann Gleichaltrigen und schließlich Erwachsenen. Dabei hat sie es nicht einfach, ihre Welt ist komplex. Agnes ist Einwanderin, legal, aber trotzdem im Visier der Behörden. Ihre Muttersprache ist eine andere. Sie ist mit ihrem Bruder eingewandert, ein politischer Aktivist in Simbabwe, der für Recht und Freiheit eintritt und doch kapituliert, als ihm aufgeht, dass die eigene Schwester lesbisch ist. Auch Nanas Schwester hat enorme Probleme damit, das »Besondere« an ihrer kleinen Schwester zu akzeptieren.

Man muss bereit sein, den Kampf aufnehmen, sagt der Autor und zeigt es mithilfe seiner Figuren. Aber man muss auch die Folgen tragen der Kampf ist nicht einfach. Mit Verletzungen, zum Teil schweren, muss man rechnen. Er zeigt Wege auf, vor allem Solidarität und Toleranz. Menschen können sich ändern, sagt er. Nanas Geschichte ist eine hoffnungsvolle.

Die Welt, in der sie spielt, ist eine fremde. Das ist gut so, gerade für junge Leserinnen und Leser. Es gibt viel zu entdecken jenseits der Vielzahl der stromlinienförmig erzählten Geschichten. Zweisprachige Kapitelüberschriften, fremde Wörter im Text, Nanas heimische Xhosa vor allem, aber auch Afrikaans, Zulu, Englisch und Shona (Wörterverzeichnis im Anhang) lassen stolpern beim Lesen, machen aber auch aufmerksam. Flüchtlingsprobleme, Einwanderung, Armut, Männerbilder, Frauenbilder, es wird viel angerissen in diesem auf den ersten Blick schlicht erzählten kleinen Roman. So wird er unversehens gewichtige Lektüre. Auch dazu muss man bereit sein.

| MAGALI HEISSLER

Titelangaben
Sonwabiso Ngcowa: Nanas Liebe
Mit einem Nachwort von Lutz van Dijk und einem Gedicht von Zinzi Klaas
(2014 In Search of Happiness, übers. von Lutz van Dijk)
185 Seiten. 15,90 Euro.
Wuppertal: Peter Hammer Verlag 2014
Jugendbuch ab 14 Jahren

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Blicke ins eiserne Kästchen

Nächster Artikel

Morgen früh auf dem Heldenplatz

Weitere Artikel der Kategorie »Jugendbuch«

Taschenspielertricks

Jugendbuch | Holly-Jane Rahlens: Das Rätsel von Ainsley Castle

Lizzy ist mit ihrem Vater zu dessen neuer Freundin, die ihre Stiefmutter werden soll, gezogen. Das neue Zuhause ist ein bisschen merkwürdig: ein großes Hotel an der schottischen Küste. Aber das ist bei Weitem noch nicht das Merkwürdigste. Von ANDREA WANNER

Love story

Jugendbuch | Anne Freytag: Mein bester letzter Sommer Sich zu verlieben gehört zu den ganz wichtigen Dingen im Leben eines jungen Menschen. Tessa hatte sich das auch gewünscht und sehr wählerisch auf den Richtigen gewartet. Jetzt scheint es zu spät. Von ANDREA WANNER

Tenebrien – das Land der Dünnhäutigen und Gläsernen

Jugendbuch | Lara Schützsack: Und auch so bitterkalt   Was geschieht in ihrer Familie? Melinda beobachtet. Wie sich die Dinge verändern. Wie sich die Distanz zu ihrer bewunderten älteren Schwester Lucinda vergrößert. Und wie sie nichts gegen das tun kann, was vor ihren Augen geschieht. Von ANDREA WANNER

(Schul)alltag

Marie-Aude Murail, Ein Ort wie dieser   Lehrerin ist Céciles Traumberuf, seit sie denken kann. Jetzt hat sie es tatsächlich geschafft und steht 18 Erstklässlern gegenüber. Endlich am Ziel ihrer Träume? Für die schüchterne junge Frau beginnt ein aufreibendes und aufregendes Schuljahr mit einer Horde ungebändigter Kinder mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen, mit argwöhnischen Kolleginnen und misstrauischen Eltern. Cécile stellt sich den Herausforderungen. Von ANDREA WANNER

Allerbeste Freunde

Jugendbuch | Tanya Lieske: Mein Freund Charlie Nach den Ferien ist es eine typische Aufgabe, in der Schule aufzuschreiben, was man in den Ferien erlebt hat. Dass eine Lehrerin die Antwort »Das geht nicht« nicht akzeptiert, ist klar. Was daraus wird, ist eine Überraschung, findet ANDREA WANNER