Film | Auf BluRay: Comtesse des Grauens (Countess Dracula, 1970/71)
Gruselige Erzählungen oder Filme sind umso schöner, wenn Sie auf angeblich wahren Begebenheiten beruhen. So ist es auch im Falle der Hammer-Produktion ›Comtesse des Grauens‹. ANNIKA RISSE über einen gar nicht so horrormäßigen Horrorfilm, dessen Wahrheiten irgendwo zwischen einer grausamen Angestelltenpolitik und politischer Intrigen liegen.
Der Film schildert – unter Verwendung größerer interpretatorischer und künstlerischer Freiheiten – den Fall der Elizabeth Nádasdy geb. Báthory (1560-1614), einer ungarischen Gräfin die ihr »Unwesen« auf Burg Cachtice (heutige Slowakei) trieb. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1604 erbte sie ein stattliches Vermögen, das sie in der heutigen Rezeption sogar für den ungarischen König zur Bedrohung werden ließ.
1610 wurde ihr Schloss gestürmt und nach dem angeblichen Fund mehrerer toter Dienerinnen wurde ihr der Prozess gemacht. In den darauffolgenden Zeugenaussagen, laut Protokoll handelt es sich um 228, die selbstredend größtenteils unter Folter erpresst wurden, kam zum Vorschein, dass Elisabeth zwischen 30 und 600 Mädchen und junge Frauen gequälte hatte: Mit Zangen soll sie ihnen Fleischstücke aus den Körpern gerissen und auch sonst aufs Unappetitlichste gefoltert haben. Die Gräfin wird daraufhin, niemals selbst verhört, in ihrer Burg eingemauert. Bis zu ihrem Tode im Jahr 1614 hatte sie nur durch eine kleine Maueröffnung hindurch Kontakt zur Außenwelt.
Interpretationen und Umdichtungen
Doch wie wurde aus ihr die ›Comtesse des Grauens‹? 1729 schrieb ein Jesuit (László Turóczi – Ungaria suis cum regibus compendio data) den Fall aus Sicht der Richtenden nieder. Ganz im Sinne der Gegenreform fügte er jedoch einige Details hinzu. So war neben der Tatsache, dass es aufgrund des Wechsels zum Protestantismus zu all dem kommen konnte, auch die Kleinigkeit angefügt worden, dass die Comtesse hoffte, ihr Erscheinungsbild mittels äußerer Anwendung des Blutes der Mädchen verjüngen zu können. Dass nun Elisabeth Báthory im Blut badete, oder es sogar trank, gelangte durch weitere Darstellungen in den Kanon. Die folgenden Texte basierten allesamt auf Turóczi, fügten jedoch seiner Geschichte noch weitere »Fakten« hinzu. ›Comtesse des Grauens‹ machte nun durch seinen englischen Titel ›Countess Dracula‹ die Verbindung zwischen der sogenannten Blutgräfin und dem Vampirgenre perfekt.
Peter Sasdys Historiendrama
Der Regisseur Peter Sasdy hielt sich nah an dem durch Legenden vermittelten Bild der Gräfin Báthory als brutale Herrscherin, die Jungfrauen tötet, um in ihrem Blut zu baden und somit ewige Jugend zu erlangen. Seine Gräfin hat jedoch das Problem, dass die Wirkung des Blutes nur von kurzer Dauer ist. Kaum erfreut sie sich ihrer Jugend, wird sie schlagartig wieder alt – nun sogar älter als zuvor. Der daraus resultierende Kreislauf ist vorgezeichnet. Ganz außerhalb der Tradition der Hammerstudios, in welchem der Streifen entstand, bekommt der Zuschauer eher den Eindruck eines Historiendramas als eines Horrorfilms. Abgesehen einer Nacktszene von Ingrid Pitt aka Comtesse des Grauens erblicken wir weder Blut noch viel Haut. Die Gräfin tötet einzig, um jugendlich zu bleiben und so einem Jungspund auf dem Schloss nachzustellen zu können. Ob diese Liebesgeschichte sinnstiftend oder notwendig für die Geschichte des Films ist, bleibt an dieser Stelle dem Betrachter überlassen.
BluRay-Ausstattung und eine sympathische Hauptdarstellerin
Sehr positiv stellen sich die Extras der BluRay dar: Ein 24-seitiges Booklet, verfasst von Dr. Rolf Giesen und Uwe Sommerland (nur im Mediabook), ein Interview mit Regisseur Peter Sasdy sowie eines mit Schauspielerin Ingrid Pitt, Trailer und diverses Bildmaterial, ein Audiokommentar mit Dr. Rolf Giesen und ein weiterer mit Ingrid Pitt, Stephen Jones und Kim Newman. Wobei insbesondere das Letztgenannte ein besonderes Schmankerl darstellt. Wir hören die gealterte Comtesse-Darstellerin Ingrid Pitt, die für jeden ein freundliches Wort übrig hat, abgesehen für Sasdy und sich gleich der Comtesse, ihren alten Körper herbeisehnt, um sich in diesem am besten auf der Stelle die Kleidung vom Leib zu reißen.
Langatmigkeit im pompösen Kostüm
Wir haben es bei ›Comtesse des Grauens‹ nicht mit einem klassischen Hammer-Horrorfilm zu tun. Was an sich noch nicht schlimm wäre. Leider haben wir es aber auch nicht mit einem guten Historiendrama geschweige denn einer guten Lovestory zu tun. Es scheint, als wollte man zu viel – und so entstand eine 93minütige recht gleichmäßige Mischung aus Langatmigkeiten. Wem jedoch die Bilder der klassischen Hammer-Filme zu extrem sind, sich nach einer weiteren Liebesgeschichte sehnt und Kostümfilme mag, der könnte hier durchaus auf seine Kosten kommen!
Titelangaben
›Comtesse des Grauens‹
(Countess Dracula, UK, 1970)
Anolis Entertainment GmbH