//

Spannende Handlung, dicht sortiert

Film | Im TV: TATORT ›Château Mort‹ (SWR), 8. Februar

In den letzten Monaten folgten wir schon einmal dem Versuch, Bildungsgut für den Sonntagabend fein aufzubereiten. Das ist leider schwieriger als gedacht. Neulich musste Shakespeare dran glauben, der mit Anklängen an einen Western in Szene gesetzt wurde. Man war verwirrt und dachte heftig darüber nach, ob das den Western beschädigte oder Shakespeare oder womöglich den ›TATORT‹. Von WOLF SENFF

Abb: SWR / Peter Hollenbach
Abb: SWR / Peter Hollenbach
Der Hessische Rundfunk (HR) ist halt recht ambitioniert, und sein Kommissar Murot, der kürzlich noch schwer hirnkrank über die Bildschirme geisterte, probiert immer mal wieder gern einen neuen Hype. Muss man nicht mögen, aber gibt’s.

Das renommierte Auktionshaus Tobler

Die Handlung in diesem ›TATORT‹ des Südwestrundfunks (SWR) ist zum Glück nüchtern angelegt, das Drehbuch verleiht ihm Wurzeln tief in der deutschen Geschichte. Es geht um den Hochzeitswein der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848), die im Münsterland lebte und am Bodensee. Es geht um ihre Affaire mit dem badischen Aufständischen Levin Schücking, wir sehen diverse Szenen aus Konstanz im Jahr 1848, im revolutionären deutschen Vormärz.

Dieser Hochzeitswein ist ein feiner Jahrgang, 1832. Er wird heutzutage auf keinen Fall konsumiert, sondern dient als vielversprechende Geldanlage, sechsstellige Summen pro Flasche, steuersparend. Ein Weinkenner tritt auf, der selbst bereits vom Hochzeitswein der Droste-Hülshoff versteigern ließ und jeden Wein auf seine Echtheit prüft, bevor der edle Tropfen zum renommierten Auktionshaus Tobler gegeben wird – Abläufe, in denen sich diverse Möglichkeiten zum unlauteren Gelderwerb eröffnen.

In den Abgründen einer Tiefgarage

»Die Einlagerung von ersteigerten Gegenständen ist ein exklusiver Service, den wir für unsere Kunden bieten, selbst eine Stradivari bewahren wir hier auf«, erläutert die Chefin der Firma den Kommissaren, nachdem sie sich zuvor noch mit Unterstützung des Staatsanwalts gegen jegliche Verdächtigung verwahrte. Nein, ganz koscher ist das alles nicht. Kommissarin Klara Blum tritt da allzu vertrauensselig auf. Matteo Lüthi von der Schweizer Seite hat bereits Erfahrung mit dem Weinkenner Hans Lichius.

Manche dieser Flaschen lagern auch in den Depots von Schweizer Banken, und eine wird im Rucksack einer Leiche entdeckt. Nur – ist sie echt? Wie gelangte der ermordete junge Mann in den Besitz dieser Flasche? Dieser Spur folgt Kai Perlmann, sie führt ihn in die Abgründe einer Tiefgarage und weit zurück in die Zeiten der erwähnten badischen Revolution rund um Friedrich Hecker und speziell um Levin Schücking, den Geliebten der Annette von Droste-Hülshoff.

Muss alles seine Ordnung haben

›Château Mort‹ ist ein gelungenes Sonntagabend-Angebot. Langeweile kommt nicht auf, im Gegenteil, der Fall ist komplex, es wird diversen Verdächtigungen nachgegangen, sie werden alle aufgeklärt. Und schön auch die Momente, in denen private Befindlichkeiten sich Bahn brechen ohne Rücksicht auf Etikette, auf »guten Ton«, auf höfliche Umgangsformen. Nein, keine Tätlichkeiten, aber es sind kurze Momente, fast übersieht man sie, in denen Verzweiflung durchscheint. Natürlich ist das nicht »schön«, sondern ist einfühlsam auf die Realitäten des Lebens gemünzt. ›TATORT‹, das zeichnet ihn aus, ist halt mehr als Verbrecher zu jagen.

Im letzten Moment versucht einer der Strippenzieher die eigene Haut zu retten, indem er seinen Helfershelfer beseitigt – aber nichts da, die Fäden werden allesamt ordnungsgemäß zum Ende geführt, sogar ein Ermittler muss aus einer Notlage erlöst werden. Spannung bis zur letzten Sekunde, mehr kann man nicht verlangen.

| WOLF SENFF

Titelangaben
›TATORT‹ ›Château Mort‹ (SWR)
Ermittler: Eva Mattes, Sebastian Bezzel
Regie: Marc Rensing
Sonntag, 8. Februar, 20.15 (ARD)

2 Comments

  1. Meines Wissens waren weder Levin noch Hecker homosexuell und hatten schon gar keine Beziehung.
    Anette von Droste-Hülshoff konnte zudem mit Levin keine Hochzeit planen, da er zu diesem Zeitpunkt (1848) bereits verheiratet war (seine Frau starb 1855).
    Friedrich Hecker selbst hatte zum Zeitpunkt des Aufstndes 3 Kinder. Nach seiner Flucht in die USA zeugte er noch zwei.
    Hier also hat der Tatort erhebliche Schwächen.

    • Danke. Ich stell mir vor, daß es immer schwierig ist, so einen historisch verwurzelten Krimi zu drehen, und meistens geht es ja doch irgendwie daneben. Diesen fand ich sehr angenehm und ausgewogen.

      Der SPIEGEL macht immer einen „Faktencheck“ nach einem „Tatort“. Ich weiß gar nicht mehr, wie sie da den historischen Hintergrund eingeschätzt haben.

      Als richtig schrecklich empfand ich den Im Schmerz geboren vom 12. Oktober (HR, mit Ulrich Tukur/Murot); der ist ebenfalls sehr bildungsbürgerlich angelegt, Shakespeare und so, ich hab in den ersten Zeilen daran erinnert. Wenn man bei Wikipedia „Liste der Tatort-Folgen“ aufruft, kann man sich da informieren, aber das ist Ihnen vermutlich bekannt.

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

In Auflösung befindlich

Nächster Artikel

19 Reasons why my life is fine even though I don‘t have a dog

Weitere Artikel der Kategorie »Film«

Koalitions-Geplauder

Interview | Im TV: Anne Will. Polittalk (ARD) 3.12.17, 21:45 Uhr Seit Monaten befassen sich unsere diversen Politik-Talkshows mit Wahlen und Regierungsbildung. Bei Frau Will, man denke, läuft dieses Thema dauerhaft seit dem zwanzigsten August, ein einziges Mal unterbrochen von der aus USA herübergeschwappten #metoo-Debatte. Wir werden berieselt, wir werden eingelullt. Von WOLF SENFF

Die Schöne und die Biester

Film | Im Kino: I, Tonya Dass Tonya Harding die wohl berühmteste Eiskunstläuferin der Geschichte der Sportart ist, liegt nicht unbedingt an ihren Fähigkeiten auf dem Eis. Das Attribut »berühmt-berüchtigt« passt im Fall der US-Amerikanerin im Wortsinn; weltbekannt wurde sie 1994 durch ihre Verbindung zu dem Attentat auf ihre Konkurrentin Nancy Kerrigan. Craig Gillespie hat das Leben der »Eishexe« – so nannten sie die Medien – mit Margot Robbie in der Hauptrolle verfilmt. FELIX TSCHON will wissen: »Wie gut kann die Biografie einer Eiskunstläuferin uns unterhalten?«

Eine Allegorie für sozial-revolutionäre Ordnungs-Systeme?

Film | Der Schacht 2

Der 2020 auf Netflix veröffentlichte Film ›Der Schacht‹ begeisterte Kritiker wie Zuschauer. Nun erschien der lang erwartete zweite Teil. Die Erwartungen waren hoch, ließ die Handlung des ersten Teiles doch Pre- und Sequels zu. Beide Teile sind schon rein stilistisch äußerst gut umgesetzte Horrorthriller. Vorliegend soll es aber nicht um eine Filmkritik gehen. Filme sind Kunst, und Kunst ist subjektiv. Hier nun geht es um den neutralen Blick des Medienhistorikers. Denn ›Der Schacht 2‹ vollbringt es innerhalb seiner 100 Minuten nicht nur eine dystopische Szenerie aufzubauen, sondern diese auch noch bis zum Rand mit komplexer – und in den meisten bisher veröffentlichten Besprechungen offensichtlich nicht verstandener – politischer Ideengeschichte zu füllen. Diese wird hier in den Blick genommen. Anspielungen auch jenseits des Subtextes finden sich zuhauf in Namen, Bezeichnungen und Weiterem, vor allem für die Französische Revolution und die Frühsozialisten. Historisch betrachtet können sie auch im Sinne der kommunistischen Systeme verstanden werden. Bei einer solchen Mehrschichtigkeit des Filmes empfiehlt es sich, den Streifen einmal vor und einmal nach dem Artikel zu sehen – empfiehlt Dr. DANIEL MEIS

»Fucking LA«

Film | Im Kino: Only lovers left alive Der Vampirfilm, möchte man annehmen, erfährt alle fünfzig Jahre sein faszinierendes Revival. Im Jahr 1967 war er höchst erfolgreich mit Roman Polanskis Tanz der Vampire, sein intellektueller Anspruch ist hoch, er verbirgt Melancholie hinter einer tendenziell unernsten Fassade. Dieser Tage legt Jim Jarmusch, seit Stranger than paradise (1984) und Down by law (1986) eine Ikone des Independent-Kinos, dem Publikum einen Vampir-Film vor. Von WOLF SENFF

Vielseitig, dicht gedrängt

Film Spezial | Japanisches Filmfest Hamburg 2015 – Interview Das JFFH ›Japan-Filmfest Hamburg‹ geht in sein sechzehntes Jahr und zeigt uns auch diesmal wieder einen Querschnitt von Genres aus einem Land, das eine sehr eigenständige Filmkultur pflegt. WOLF SENFF sprach mit Marald Milling und Denis Scheither, den Organisatoren des Festivals.