Good Night, Sleep Tight

Jugendbuch | J.Segel, K.Miller: Nightmares – Die Schrecken der Nacht (Bd.1)

Schlechte Träume hat jeder mal. Was aber passiert, wenn sie einen Nacht für Nacht peinigen, so dass man am Ende Angst hat einzuschlafen? ANDREA WANNER wagte sich an ›Die Schrecken der Nacht‹.

nightmaresDer 12jährige Charlie schläft nicht mehr und er weiß auch, wer daran schuld ist: das Stiefmonster. Charlotte ist nicht nur rothaarig, schleicht nachts durchs Haus und kocht merkwürdige Tränke aus Kräutern, sie ist außerdem mit Charlies Vater verheiratet und übernimmt für Charlie und seinen drei Jahre jüngeren Bruder die Rolle der Stiefmutter. Seit dem Umzug in Charlottes merkwürdige Villa auf dem Berg plagen Charlie die schrecklichsten Alpträume. Eine Hexe nimmt ihn gefangen, sperrt ihn in einen Käfig, droht ihn zu fressen. Und wenn nicht ihn, dann seinen Bruder Jack. Und Charlie kommt dem Stiefmonster auf die Schliche: sie ist auch eine Hexe und Komplizin seiner nächtlichen Heimsuchung. Nur will ihm das keiner so recht glauben.

Jason Segel hat sein erstes Kinderbuch geschrieben und es ist der Auftakt zu einer Trilogie. Segel kennt man: von 2005 bis 2014 spielte er in der US- Sitcom ›How I Met Your Mother‹ die Rolle des Juristen Marshall Eriksen. Er schrieb das Drehbuch zu dem Blockbuster ›Männertrip‹, für den Kinofilm ›Die Muppets‹ stammt das Drehbuch von ihm und er spielte die männliche Hauptrolle. Und auch ›Nightmares‹, das er zusammen mit seiner Co-Autorin Kirsten Miller schrieb, basiert auf einem Drehbuch, dass er als 21jähriger verfasste.

Er schickt seinen jungen Helden in eine Welt voller Monster, Vampire, Hexen, fieser Kobolde, Mumien, Schlangen, Ratten und Dunkelheit. Es ist die Anderswelt, in der sich all die Gestalten breit machen, vor denen die Menschen sich fürchten. Ein finsteres Reich, das man normalerweise nur gelegentlich bei Nacht betritt und spätestens beim Aufwachen wieder verlässt. Aber Charlie ist schuld daran, dass das Tor zwischen den beiden Welten offen ist und die Albtraumwesen auch in die normale Welt eindringen können. Das bleibt nicht ohne Folgen.

Charlie wird von Tag zu Tag unausstehlicher, er ist todmüde, seine Wut auf alles und alle wächst – und verstellt ihm den Blick auf die Lösung seiner Probleme. »Albträume sind die Ängste der Menschen, nur in anderer Verpackung«, muss er lernen und sich die Frage gefallen lassen, wovor er denn eigentlich wirklich Angst hat. Erst als er sich seiner eigentlichen Angst, seinem wahren Albtraum stellt, kann es einen Ausweg geben. Und noch etwas muss er lernen: man schafft vieles, wenn man nicht alleine ist. Wie wichtig seine Freunde sind, zeigt sich im Laufe seines gefährlichen Abenteuers. Und wie wichtig seine Familie ist. Der Verlust seiner Mutter hat sein Leben für immer verändert, aber es gibt Möglichkeiten, auch mit einem Verlust zu leben. Der Weg zu dieser Erkenntnis ist schmerzlich, aber notwendig.

Und so lässt sich Segels Horrorgeschichte auch als etwas ganz anderes lesen. Tatsächlich dosiert er den Schrecken sehr geschickt, so dass – entgegen des bei Nacht gruselig leuchtenden Covers – die eigene Nachtruhe zum Glück nicht beeinträchtigt wird. Statt billiger Schauereffekte setzt Segel auf eine plausible Erklärung von Angst und Verdrängung. Albträume, egal ob es um körperliche Angriffe, um Angst vor Versagen, Hilflosigkeit oder Lächerlichkeit geht, haben ihre Ursachen. Charlie reift an seinen Albträumen, entwickelt Mitgefühl seinen Freunden und seinem kleinen Bruder gegenüber, und kann am Ende erkennen, was er tun muss. – Eigentlich braucht es da keine weiteren zwei Bände. Eigentlich könnte man nach dem 1. Teil beruhigt ins Bett und etwas Schönes träumen… Lassen wir uns nach dem gelungenen Auftakt überraschen!

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Jason Segel und Kirsten Miller: Nightmares – Die Schrecken der Nacht
Nightmares, 2014 Aus dem Amerikanischen von Simone Wiemken
Hamburg: Dressler 2014
384 Seiten, 17,99 Euro
Jugendbuch ab 12 Jahren

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Konstanten (2)

Nächster Artikel

Einfach schauen

Weitere Artikel der Kategorie »Jugendbuch«

Keine Ausreden mehr!

Jugendbuch | Hannele Huovi: Die Federkette In der Welt geschieht viel Schlimmes. Wenn man selber keine bösen Absichten hat, ist man aber doch nicht schuld daran. Etwas dagegen tun kann man ohnehin nicht, man ist viel zu schwach. Die Sätze sind wohlbekannt. Die finnische Autorin Hannele Huovi erzählt in ihrem realistischen Märchen ›Die Federkette‹ davon, wie viel Stärke in den Schwachen liegt, wenn sie aufhören, solchen Sätzen Glauben zu schenken. Von MAGALI HEISSLER

Der Wunsch nach Normalität

Jugendbuch | Rindert Kromhout: Anders als wir Ein kleines Mädchen hat einen besonderen Wunsch: Sie möchte in einer ganz normalen Familie leben. Wenn man Angelica Bell heißt, wird das schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Von ANDREA WANNER

Helfen schwer gemacht

Jugendbuch | Susan Kreller: Elefanten sieht man nicht »Hinsehen und handeln«, heißt es immer wieder, Zivilcourage wird laut gefordert, beherzt eingreifen, wenn Unrecht geschieht. Wie das Helfen aber genau aussehen soll, davon wird eher nicht gesprochen. Und schon gar nicht davon, wie man eingreifen soll, wenn man offenbar die Einzige ist, die überhaupt hingesehen hat, sich alle anderen aber blind und taub stellen. Susan Kreller hat in ihrem Debütroman Elefanten sieht man nicht eine sehr junge Heldin vor eben dieses Problem gestellt und aus der extremen Situation einen ganz außergewöhnlichen Roman gemacht fand MAGALI HEISSLER.

Zukunftsvisionen

Indiebookday 2015 | Jugendbuch | T.Nesch: Der Drohnenpilot Stellen wir uns eine Welt vor, in der es das Grundeinkommen für alle gibt. In der die Autos auf den Straßen nur noch so schnell fahren können, wie es zulässig ist, und auf diese Höchstgeschwindigkeit heruntergebremst werden. Eine Welt, in der die Sicherheit von Polizei und Militär gewährleistet wird und mit Hilfe von Drohnen kontrolliert und überwacht wird. Eine Welt, nur einen Tick von unserer eigenen entfernt. Von ANDREA WANNER

Stumm, aber nicht sprachlos

Jugendbuch | Christian Duda: Gar nichts von allem Manchmal wollen Wörter einfach nicht über die Lippen kommen. Obwohl es etwas zu sagen gibt. Was tun? Man kann sie aufschreiben. Das macht Magdi in Christian Dudas neuem Jugendbuch und verändert nicht nur seinen Blick auf die Dinge. Von MAGALI HEISSLER