//

Der Schein ist trügerisch

Film | Im TV: ›TATORT‹ Frohe Ostern, Falke (NDR), Ostersonntag, 5. April

Ach du Schreck. Gewaltig Aufgeregtheit. Massiv Radau ist angesagt. Terrorismus steht ins Haus, wir werden auf die Höhe der Zeit sortiert. Klar ist das immer ein gefundenes Fressen für Medien, auch TV lässt da nichts aus. Schlagzeilen, hübsch bunte Bilder, da schaun wir mal rein, und ›TATORT‹ wird diesmal auf nichts verzichten, deshalb nun also ereignisreiche ›Frohe Ostern‹. Von WOLF SENFF

Foto NDR / Christine Schroeder
Foto NDR / Christine Schroeder
Thorsten Falke begegnet beim Kaufhausbummel einem alten Freund, der bei den ›Bad Easter Bunnies‹ war, einer Hasen-Widerstands-Spontigruppe, Happening-Style, und der ihn nun im Plauderton über seine wachsende Distanz zu dieser Gruppe informiert. Dann wechselt ›TATORT‹ zur Lagebesprechung bei den Hasen inklusive Zweifel am bevorstehenden Einsatz nebst Diskussionsbedarf. So stellen wir uns Terrorismus vor? Man weiß es nicht.

Die Hasen rüsten auf

Die ›Bad Easter Bunnies‹, entgegen den internen Einwänden nun doch bewaffnet, geben sich die Ehre auf der ›Hamburg Charity Gala‹, einem vornehmen Wohltätigkeitsball in noblem Ambiente. Schnellfeuerpistolengeballer. »Alle Handys auf den Tisch!« Die Fronten sind klar, nichts trübt die Perspektive. Und Katharina Lorenz, die Kollegin vom linkischen Falke, ist unter den Gästen, welch glücklicher Zufall.

Man erfährt nun auch den Zweck der Aktion, die ›Bad Easter Bunnies‹ gehen auf Sendung, per Livestream, direkt vom Ort des Geschehens, sie richten gar einen der Gäste hin, das Gute und das Böse scheinen unverwechselbar verteilt. Katharina Lorenz hat heimlich ihr Handy eingeschaltet, Falke hört mit und wird aktiv. Er brüllt, das kennen wir von ihm, und schüchtert den alten Freund, den abtrünnigen Hasen, massiv ein, es trifft eh immer die Falschen.

Der stille Drahtzieher

Die für einen Gesangsvortrag vorgesehene Künstlerin wird umgebracht, doch »es war ein Versehen, tut mir leid«, sucht der Schütze um Nachsicht. Die ›Bunnies‹ jedenfalls sind ohne Plan, das wird nun unübersehbar, wir ahnten es längst. Sie treten konfus und willkürlich auf. »Wir teilen uns jetzt auf, jeder von uns nimmt vierzehn Leute in seine Gruppe.« Aha. ›Frohe Ostern‹ geht ans Eingemachte und arbeitet sich in die interessante Innenperspektive der ›Bad Easter Bunnies‹ ein, die einzelnen Persönlichkeiten werden kenntlich, die Frontlinien verwischen, der Film zeigt uns eine Menge über den Schein und die Wirklichkeit von Terrorismus.

Foto: NDR / Christine Schroeder
Foto: NDR / Christine Schroeder
Bis hierher ist knapp die Hälfte Film vergangen, es wird Zeit für Thorsten Falkes Auftritt. Der tat sich in seiner ›TATORT‹-Existenz bislang eher nicht durch Einfallsreichtum oder gar Originalität hervor. Exakt zur Hälfte gibt’s außerdem telefonischen Kontakt mit einem, Überraschung, Drahtzieher im Hintergrund, es gibt also doch einen raffiniert ausbaldowerten Plan, gibt List und Tücke.

›Frohe Ostern‹ darf in die zweite Runde, das Geschehen sortiert sich neu, und es ist überzeugend dargestellt, wie eine hysterisch aufgeblasene Stimmung einer nüchternen Realität Platz macht. Der Gruppenzwang ist aufgelöst, da ist jeder auf sich selbst zurückgeworfen und es gibt diverse phantasiereiche Fluchtwege.

Der erste Eindruck trügt

Das unterhaltsame Spiel kann durchaus einen Beitrag dazu leisten, dass auch die Luft aus unserer mancherorts hysterischen öffentlichen Sicherheitsfront weicht. Denn auch der Großeinsatz des MEK, trommelwirbelunterlegt, wirkt keineswegs zielorientiert.

Das MEK ist zunächst, klar, eine bombensichere Nummer. Mit dramatischer Musikbegleitung startet eine Menge Routine, der hochgerüstete Einsatz beginnt als leichte Übung. Er kommt aber bei den Geiseln gar nicht so gut an, und wir erleben, dass im Laufe des Geschehens die scheinbar glatte Sicherheitswelt brüchig wird. Der Schein trügt, die Lage ist gar nicht so, wie uns der erste Eindruck hat erzählen wollen.

Ein ›TATORT‹ dreht sich

›Frohe Ostern, Falke‹ ergreift Partei, eine Schnellfeuerpistole schießt beharrlich am Ziel vorbei, als es um die Wurst geht, das ist eine Lachnummer, und die Dialoge sind klischeegesättigt, dass man, ich weiß auch nicht: Die Hände über dem Kopf zusammenschlägt.

So geht’s aber, und es gefällt, dass ›Frohe Ostern‹ sich still und heimlich wandelt, sodass man zum Schluss glaubt, man hätt‘ nen völlig andren Film gesehn. Ja, so etwas kommt vor, durchaus, man kommt ins Grübeln.

| WOLF SENFF

Titelangaben
›TATORT‹ Frohe Ostern, Falke (NDR)
Ermittler: Wotan W. Möhring, Petra Schmidt-Schaller
Drehbuch und Regie: Thomas Stiller
Ostersonntag, 5. April, 20:15, ARD

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Wege öffnen

Nächster Artikel

A Cure For Robin Thicke: New Singles Reviewed

Weitere Artikel der Kategorie »Film«

Vielfältig und universell

Kulturbuch | Duncan / Ingram: François Truffaut. Sämtliche Filme + François Truffaut Edition (DVD) Mit seinen schlichten, gehaltvollen Filmen hat der französische Regisseur François Truffaut Filmgeschichte geschrieben. Robert Ingram und Paul Duncan begeben sich mit einem Bildband auf seine Spuren. Von BETTINA GUTIÉRREZ

Den Anstich lassen wir uns nicht vermiesen

Film: Im TV: Die Armenambulanz (ARD), 5. Oktober, 15:30 Uhr Schland. Wir sind Papst. Champions League sind wir auch. Klar. Aber was ist das für ein Land, in dem wir leben, mal abseits der lärmenden Partys, abseits unserer lachenden Anästhesisten à la Oliver Welke oder, haha, Rainald Grebe. »Wenn eine Gesellschaft Banken rettet und keine Menschen mehr, dann läuft irgendetwas falsch«, sagt Gerhart Trabert, Professor für Sozialmedizin; er leitet in Mainz eine Ambulanz für arme Menschen. Von WOLF SENFF

Ein Mann für gewisse Stunden

Film | Im Kino: Bel Ami Paris ist eine Hure – und sogar die Huren werden reich. Der Einleitungssatz funkelt gleich einem verruchten Emblem über Declan Donnellans und Nick Ormerods Adaption von Guy De Maupassants zeitloser Aufstiegsgeschichte. Von LIDA BACH

Für Rührseligkeit bleibt keine Zeit

Film | TV: TATORT – Auf ewig Dein (WDR), 2. Februar Da schickt sie, schwanger, den Papa in spe nach Hause, und als er die Tür hinter sich schließt, bricht sie heulend zusammen. Schnitt, nächster Tag: Nora Dalay (Aylin Tezel) und Daniel Kossik (Stefan Konarske) sitzen nebeneinander im Dienstwagen. Hat jemand behauptet, dass TATORTe Krimis seien? Man darf das nicht missverstehen. Wenn sie gut sind, führen sie uns in künstlerischer Dichte vor, wie die Dinge sich abspielen im Leben, im Alltag. Fünfundvierzig Filmminuten später die Versöhnungsszene – es pendelt hin und zurück, für Rührseligkeit wird keine Zeit verplempert. Von WOLF

Eine Allegorie für sozial-revolutionäre Ordnungs-Systeme?

Film | Der Schacht 2

Der 2020 auf Netflix veröffentlichte Film ›Der Schacht‹ begeisterte Kritiker wie Zuschauer. Nun erschien der lang erwartete zweite Teil. Die Erwartungen waren hoch, ließ die Handlung des ersten Teiles doch Pre- und Sequels zu. Beide Teile sind schon rein stilistisch äußerst gut umgesetzte Horrorthriller. Vorliegend soll es aber nicht um eine Filmkritik gehen. Filme sind Kunst, und Kunst ist subjektiv. Hier nun geht es um den neutralen Blick des Medienhistorikers. Denn ›Der Schacht 2‹ vollbringt es innerhalb seiner 100 Minuten nicht nur eine dystopische Szenerie aufzubauen, sondern diese auch noch bis zum Rand mit komplexer – und in den meisten bisher veröffentlichten Besprechungen offensichtlich nicht verstandener – politischer Ideengeschichte zu füllen. Diese wird hier in den Blick genommen. Anspielungen auch jenseits des Subtextes finden sich zuhauf in Namen, Bezeichnungen und Weiterem, vor allem für die Französische Revolution und die Frühsozialisten. Historisch betrachtet können sie auch im Sinne der kommunistischen Systeme verstanden werden. Bei einer solchen Mehrschichtigkeit des Filmes empfiehlt es sich, den Streifen einmal vor und einmal nach dem Artikel zu sehen – empfiehlt Dr. DANIEL MEIS