//

Dankbar auf großer Bühne

Menschen | Zum 90. Geburtstag von Oscar-Preisträger James Ivory

Als der große Regisseur James Ivory im März endlich mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, nutzte er die große Bühne, um zwei langjährigen künstlerischen Weggefährten Dank zu zollen – der britischen Autorin Ruth Prawer Jhabvala (1927-2013) und dem indischen Produzenten Ismail Merchant (1936-2005). Fast ein halbes Jahrhundert hatte das Trio erfolgreich zusammengearbeitet. Ein Porträt von PETER MOHR

Den Oscar hatte er nicht etwa für eine Regiearbeit, sondern für sein Drehbuch zur Liebesromanze ›Call Me by Your Name‹ erhalten. Und Ivory steckt nach wie vor voller Energie und Inspiration. Zurzeit arbeitet er für Regisseur Alexander Payne am Drehbuch für den Film ›The Judge‹s Will‹.

»Alle Bücher, die ich verfilmt habe, habe ich zu meinem Vergnügen gelesen. Mitunter waren es Zufälle, dass daraus Filme wurden«, bekannte James Ivory. Die Liebe zur Literatur und zu tiefgründigen Menschenbildern, die Affinität zu historischen Stoffen und den Widersprüchen zwischen gesellschaftlichen Konventionen und individuellen Wünschen kennzeichnet nicht nur die meisten von Ivorys Filmen.

Dies waren auch die künstlerischen Nahtstellen des so erfolgreichen tätigen Trios, zu dem (neben Ivory) auch der Produzent Ismail Merchant und Ruth Prawer Jhabvala gehörten. Schon Ivorys erster Kinofilm ›Householder‹ (1963) entsprang der Zusammenarbeit dieser künstlerischen Troika.

Kontinuität schreibt der am 7. Juni vor 90 Jahren in Berkeley als Sohn eines Sägereibesitzers geborene Regisseur groß. Das Anliegen seiner Kinofilme sei stets der Versuch gewesen, »menschliche Beziehungen auf eine offene, ehrliche und realistische Weise darzustellen.«

Daran hielt auch der letzte bedeutende Film des Trios, ›Le Divorce‹ (dt. Die Scheidung), fest – zu dem Ruth Prawer Jhabvala einen Roman von Diane Johnson umgeschrieben hatte. Wieder war es der Zufall und Ivorys immense Leselust, die den Anstoß gaben: »Ich war mal wieder in Paris, las zufällig die ›Herald Tribune‹ und eben die Besprechung von ›Le Divorce‹. Und es war die Story, die mir so gefiel.«

Dieses feine Gespür für filmtaugliche Geschichten hat Ivory schon häufig unter Beweis gestellt. Literarisches Kino ist das Erfolgsrezept des Kaliforniers, der 1957 sein Studium in Oregon mit einem Dokumentarfilm als Magisterarbeit abschloss und sich viele Jahre künstlerisch mit Indien auseinandersetzte. Romane von Henry James und E. M. Forster entstaubte Ivory später erfolgreich und setzte sie als historische, emotionsbeladene Filmdramen in Szene.

Howards EndIm Florenz des Jahres 1907 ist ›Zimmer mit Aussicht‹ (1986) angesiedelt, im viktorianischen England um die Jahrhundertwende tummeln sich Anthony Hopkins, Vanessa Redgrave und Emma Thompson in ›Wiedersehen in Howards End‹ (1992), Hopkins und Thompson waren auch 1993 in ›Was vom Tage übrig blieb‹ (nach dem booker-preisgekrönten Roman von Kazuro Ishiguro) zu sehen. Ivory benötigt eben diese brillanten Charakterdarsteller für seine vordergründig langatmigen, aber auf den zweiten Blick äußerst subtilen Filme. Hopkins war auch Protagonist im nur leidlich erfolgreichen Streifen ›Mein Mann Picasso‹ (1996).

Irgendwann galt es in den USA für die Topstars unter den Schauspielern sogar als Gütesiegel, mit James Ivory zu arbeiten.

»Immerhin haben wir einige Filme mit Schauspielern gemacht, die erst später zu Stars wurden: Niemand kannte Hugh Grant, als er eine der Hauptrollen in ›Maurice‹ (1987) hatte, oder Emma Thompson in ›Wiedersehen in Howards End‹, oder Helena Bonham Carter in ›Zimmer mit Aussicht‹. Niemand kannte diese Namen«, unterstrich Ivory in einem Interview, dass unter seiner Ägide auch manch große Karriere begann. Die Krönung der eigenen künstlerischen Laufbahn ließ lange auf sich warten. Erst mit 89 Jahren erhielt er den Oscar.

| PETER MOHR

| TITELFOTO: Gorup de Besanez, James Ivory (1991.09), CC BY-SA 3.0

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Klangkunstwerk ›Im Raum‹

Nächster Artikel

Thinking Of Yesterday’s Tomorrows: An Interview With Moomin

Weitere Artikel der Kategorie »Film«

Radikal innovativ

Film | Im TV: ›TATORT‹ 924 – Die Feigheit des Löwen (NDR), 30. Nov Diesmal wird in deutsch-syrischen Zusammenhängen ermittelt, es geht zunächst um illegale Immigranten und um einen Schleuserring, der in einen Todesfall verwickelt ist, gefälschte Pässe, die Bundespolizei fahndet. Von WOLF SENFF

’s ist Weihnacht

Film | Im TV: ›TATORT‹ – Weihnachtsgeld (SR), 26. Dezember, 20.15 Uhr »Erdrosselung ist ein ziemlich zeitaufwendiger und kräftezehrender Vorgang«. Wir merken sofort, in ›Weihnachtsgeld‹ steht nüchterne Ermittlung im Vordergrund. Das ist absolut unverzichtbar, um einer zuvor nicht erlebten Fülle von Verwicklungen Herr zu werden. Von WOLF SENFF

Den Anstich lassen wir uns nicht vermiesen

Film: Im TV: Die Armenambulanz (ARD), 5. Oktober, 15:30 Uhr Schland. Wir sind Papst. Champions League sind wir auch. Klar. Aber was ist das für ein Land, in dem wir leben, mal abseits der lärmenden Partys, abseits unserer lachenden Anästhesisten à la Oliver Welke oder, haha, Rainald Grebe. »Wenn eine Gesellschaft Banken rettet und keine Menschen mehr, dann läuft irgendetwas falsch«, sagt Gerhart Trabert, Professor für Sozialmedizin; er leitet in Mainz eine Ambulanz für arme Menschen. Von WOLF SENFF

Für Rührseligkeit bleibt keine Zeit

Film | TV: TATORT – Auf ewig Dein (WDR), 2. Februar Da schickt sie, schwanger, den Papa in spe nach Hause, und als er die Tür hinter sich schließt, bricht sie heulend zusammen. Schnitt, nächster Tag: Nora Dalay (Aylin Tezel) und Daniel Kossik (Stefan Konarske) sitzen nebeneinander im Dienstwagen. Hat jemand behauptet, dass TATORTe Krimis seien? Man darf das nicht missverstehen. Wenn sie gut sind, führen sie uns in künstlerischer Dichte vor, wie die Dinge sich abspielen im Leben, im Alltag. Fünfundvierzig Filmminuten später die Versöhnungsszene – es pendelt hin und zurück, für Rührseligkeit wird keine Zeit verplempert. Von WOLF

Die Unbeugsamen

Film | Fimfestival Mannheim-Heidelberg. Marine Place: Souffler plus fort que la mer Er habe, so Michael Kötz, künstlerischer Direktor des Fimfestivals Mannheim-Heidelberg, in seiner Begrüßung zur Aufführung von Souffler plus fort que la mer, nicht damit gerechnet, daß der kapitalismuskritische Film überhaupt noch lebe. Doch hier sei der Beleg für dessen Existenz. Er habe sich zwar geändert, sei poetischer geworden. Aber er lebe. Von DIDIER CALME