//

Komik und Trauer vereint

Menschen | Zum Tode des Schauspielers Helmuth Lohner

 

In der Nacht zum Dienstag ist Helmuth Lohner im Alter von 82 Jahren gestorben. PETER MOHR blickt zurück auf das Werk des wandlungsfähigen Schauspielers.

[Abb:Salzburger Festspiele 1990 – Jedermann: Helmuth Lohner, Sunnyi Melles Abb: Archiv der Salzburger Festspiele/Foto Weber]

Abb: Archiv der Salzburger Festspiele/Foto Weber
Salzburger Festspiele 1990 – Jedermann: Helmuth Lohner, Sunnyi Melles Abb: Archiv der Salzburger Festspiele/Foto Weber
Nach 2050 Bühnenauftritten allein im Wiener Theater in der Josefstadt wurde Helmuth Lohner 2004 in Anwesenheit des österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil und vielen Schauspielerkollegen die Ehrenmitgliedschaft des Hauses verliehen, das er von 1997 bis 2003 als Intendant geleitet hatte und dem er bis 2006 noch offiziell als künstlerischer Berater verbunden war. 

Helmuth Lohner, der am 24. April 1933 im Wiener Arbeitervorort Ottakring als Sohn eines Schlossers geboren wurde, spielte an allen großen Bühnen – von der Wiener Burg über die Salzburger Festspiele bis hin nach Zürich, Berlin, München, Düsseldorf und Hamburg. Überall wurde Lohner, der auch selbst oft Regie führte, wegen seiner Akribie bei der Arbeit geschätzt. Die Kollegin Christiane Hörbiger rühmte ihn darüber hinaus als den »wichtigsten und tiefanständigsten Bühnenkameraden, den ich je hatte.«

Vor allem in den typisch Wiener Theaterstücken von Nestroy, Ödön von Horváth und Schnitzler wusste der gelernte Chemielaborant als Darsteller der zerrissenen Charaktere zu gefallen. Schon 1967 befand der renommierte Kritiker Friedrich Torberg, dass sich »die Darsteller der zwielichtigen Horváth-Helden in Zukunft an Helmuth Lohner messen lassen müssen.«
Darüber hinaus spielte er den Hamlet ebenso wie Mephisto, den Prinz von Homburg und Arthur Millers »Handlungsreisenden« Willy Loman. Im Alter von fast 70 Jahren wagte er sich gemeinsam mit Horst Michael Rehberg in ›Der Schein trügt‹ sogar an Thomas Bernhard heran.
Im Film verkörperte er in den 50er Jahren zunächst häufig Figuren, in denen sich Burschikosität und Wiener Charme mischten. Sein Filmdebüt gab Lohner 1955 in dem Streifen ›Hotel Adlon‹ von Josef von Báky. Sein schauspielerisches Talent wurde in Produktionen wie ›Das Dreimäderlhaus‹, ›Witwer mit fünf Töchtern‹, ›Blond muß man sein auf Capri‹, ›Pension Schöller‹ oder in der musicalähnlichen Schnulze ›Das Wirtshaus im Spessart‹ kaum gefordert. Es folgten aber auch weitaus anspruchsvollere Filmrollen – so in Wolfgang Liebeneiners ›Das letzte Kapitel‹ (gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau Karin Baal), ›Geschichten aus dem Wienerwald‹, ›Radetzkymarsch‹ und als deutscher Soldat Willi, der sich im Kriegsfilm ›Hannibal Brooks‹ (1968) für einen entflohenen englischen Kriegsgefangenen aufopfert.

»Bitte, das ist ja kein Begräbnis«, flehte Helmuth Lohner fast, als 2004 nach der letzten ›Menschenfeind‹-Inszenierung von Günter Krämer im Josefstadt-Theater zu seinen Ehren ein Sessel und ein Klavier auf die Bühne getragen wurden. Das Klavier auf der Bühne durfte man durchaus auch als Symbol für Lohners zweite große Passion interpretieren – die klassische Musik. »Mozart, Beethoven und Shakespeare sind für mich wirkliche Gottesgaben«, bekannte der außerhalb der Bühne angenehm zurückhaltende Schauspieler in einem Interview mit der ›Wiener Zeitung‹. Äußerst treffend charakterisierte der österreichische Dramatiker Peter Turrini den Jubilar: »Er hat in den traurigsten Rollen eine große Komik und war in den komischen Rollen immer ein Trauriger.«

Helmuth Lohner hätte im Dezember in der Regie von Herbert Föttinger und in einer Turrini-Fassung den ›Anatol‹ an der Josefstadt spielen sollen. Seine letzte Inszenierung war ›Schon wieder Sonntag‹ mit Otto Schenk in den Kammerspielen der Josefstadt. Außerhalb des Theaters bevorzugte er die leisen Töne, jeglicher Medienrummel war ihm suspekt, er wirkte angenehm zurückhaltend und leicht introvertiert: »Ich bin immer ein Zweifler gewesen. Am meisten zweifle ich an mir selbst.« In der Nacht zum Dienstag ist Helmuth Lohner im Alter von 82 Jahren gestorben.

| PETER MOHR

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Auf dem Weg ins Glück

Nächster Artikel

Der Held der einfachen Wege

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

Ein Männlein (break)danct im Walde

Bühne | Show: Flying Hänsel und Gretel

1857 nahmen die Gebrüder Grimm »Hänsel und Gretel« in ihre Sammlung »Kinder- und Hausmärchen« auf. Engelbert Humperdincks musikalische Interpretation wurde 1893 in Weimar uraufgeführt, es handelt sich um eine spätromantische Oper in drei Akten. Davon inspiriert übersetzen die »Flying Steps« und Christoph Hagel die Geschichte mit Elementen aus Breakdance, HipHop und Rap in unsere Zeit.
ANNA NOAH ist gespannt auf die Umsetzung.

Zwischen Technokratie und Mystizismus

Bühne | Max Frisch: Homo Faber

Der deutsche Ingenieur als Abgesandter Gottes - einigen Autoren der Tageszeitung Die WELT [sic!] zufolge ist dies das Bild des Technikers, das Konzerne suggerieren, um ihren Delegierten (und damit sich selbst) in technokratischen Zeiten eine Allmacht zuzuschreiben. Passenderweise ist das auch die Synthese aus Max Frischs Roman ›Homo faber‹, wobei der Autor dies stattdessen einen Bericht nennt und hier sowohl eine scheiternde Beziehung, unbeabsichtigten Inzest und den Kampf zwischen Mythos und aufklärerischer Technik dialektisch untersucht. Daran schließen auch die Regisseurin Ulrike Arnold und ihre Co-Regisseurin Eli Wasserscheid an, die im Stadttheater Fürth den Roman auf die Bühne gebracht haben. PHILIP J. DINGELDEY hat sich die Premiere am vergangenen Donnerstag angesehen.

Wenn Tugend und Humanismus die Oberhand gewinnen

Bühne | Bertolt Brechts ›Mutter Courage und ihre Kinder‹ Krieg und Gewalt sind Themen, die nicht nur stets die Gesellschaften bewegen, wie aktuell die Flüchtlingskrise oder die Anschläge in Paris. Krieg und was sie daraus macht, was sie moralisch bewegt und wie das die Leichen ihrer Kinder übersteigt, sind Themen, die auch Anna Fierling, genannt ›Mutter Courage‹, beschäftigen. Habgier versus Mutterliebe, Profit auf Kosten aller und besonders der Familie – Bertolt Brechts Werk ›Mutter Courage und ihre Kinder‹ (Uraufführung als ›Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg‹ im Jahre 1941 am Zürcher Schauspielhaus, mit späterer Nachbearbeitung) feierte in einer Koproduktion mit den

»Jeder Mensch ist ein Abgrund«

Bühne | ›Woyzeck‹ im Stadttheater Pforzheim

Ein Mann am Ende seiner Kräfte, zerrieben zwischen der Sorge um seine Familie und regelrecht missbraucht mittels eines zynischen Menschenexperiments – so erscheint der Friedrich Johann Franz Woyzeck (ausdrucksstark, emotional-authentisch und empathisch: Jan-Hendrik von Minden) dem Publikum im Pforzheimer Stadttheater auf der Bühne (Inszenierung: Elias Perrig). Im Gegensatz dazu tanzt sich der Tambourmajor (ebenfalls authentisch und ausdrucksstark: Jacob Hetzner) leider nicht nur in die Herzen des Publikums, sondern auch in das Herz von Woyzecks Freundin Marie Zickwolf. Damit treibt er die Tragödie voran. Von JENNIFER WARZECHA

Am Ende aller Machtgedanken

Bühne | Willam Shakespeares ›Der Widerspenstigen Zähmung‹ am Badischen Staatstheater Karlsruhe William Shakespeare (1564-1616) gehört nicht nur zu den Autoren, über dessen Geschichte fast nur der Todestag und die Grabstätte bekannt sind. Schon allein sprachlich ist das Werk des Meisters mitunter schwer zu erfassen. Eine Ballettaufführung nach der literarischen Vorlage Shakespeares gleicht dementsprechend einem wahrhaftigen Kunstwerk – wenn es denn gelingt. Bei Shakespeares ›Der Widerspenstigen Zähmung‹ gilt es außerdem auch noch, eines der mitunter am schwersten zu vermittelnden Themen der Menschheitsgeschichte zu bewältigen – das des Kampfes um Liebe und Gleichberechtigung. Hilfreich ist dabei das Ansinnen des Ballettmeisters John Crankos