Comic | Frank Miller (Text), David Mazzucchelli (Zeichnungen): Daredevil: Auferstehung
Der Comic-Superheld Daredevil hatte es nie leicht: Anfangs stand er im Schatten älterer und größerer Helden. Als er dann doch in der letzten Dekade wieder populärer wurde, versaute der grässliche Kinofilm ›Daredevil‹ von Mark Stephon Johnson (mit Ben Affleck in der Hauptrolle) den Hype. Doch nun versucht das Marvel-Universum, die Beliebtheit des maskierten Schutzteufels wieder mit einer TV-Serie zu reanimieren. Passend dazu erschien nun auch der Comic-Klassiker ›Daredevil: Auferstehung‹ von Frank Miller und David Mazzucchelli aus dem Jahr 1986 endlich auf Deutsch – in der Übersetzung von Alex Rösch. Von PHILIP J. DINGELDEY
Matt Murdock ist ein blinder Anwalt aus dem New Yorker Stadtteil Hell´s Kitchen, dessen Sinne sich – so klassisch wie abgedroschen – durch einen radioaktiven Unfall übermenschlich verbesserten, sodass er schließlich zum sogenannten Mann ohne Furcht, zu Daredevil wird, der nachts Verbrecher bekämpft. Sein wichtigster Antagonist, der Schurke Kingpin, Leiter eines riesigen Verbrechersyndikats, schafft es in diesem Werk fast, Murdock zu vernichten, um den ihn so nervenden Daredevil zu beseitigen. Denn Murdocks heroinsüchtige Ex-Freundin Karen Page verrät die Identität von Daredevil an Kingpins Mitarbeiter – für einen Schuss.
Nun setzt der Verbrecherboss alles daran, die Existenz des Anwalts zu vernichten. Murdock verliert seine Anwaltslizenz, da ein von Kingpin bedrohter Polizist ihn der Korruption und der Bedrohung von Zeugen bezichtigt. Auch lässt Daredevils Antagonist Murdocks Konten sperren und dessen Haus in die Luft sprengen, sodass er arbeits- und obdachlos wird. Wie gerufen kommt da, dass Murdock schon vor der Anklage aus der gemeinsamen Kanzlei mit Foggy Nelson austritt, wobei Letzterer eine Beziehung mit einer anderen Ex-Freundin von Murdock beginnt, sodass der Anwalt und Superheld schließlich als Klimax des Ganzen vor dem Nichts steht.
›Daredevil: Auferstehung‹ zeigt dem Leser, wie sich Murdock – dessen Rolle als Mensch in diesem Comic präsenter ist, als sein Alter Ego – am Boden zerstört, in einem Zweikampf mit dem Kingpin unterliegt und beinahe getötet wird. Nur durch die Nonne Maggie, die sich als Murdocks Mutter entpuppt, und wunderähnlichen Ereignissen, schafft er es wieder auf die Beine, erhält einen Job als Koch und kann sich vorerst eine kleine Behausung leisten, bis auch Murdocks neue Arbeitsstelle von Kingpin gesprengt wird. Derweil sucht der Reporter Ben Urich nach dem Verbleib des Anwalts und den dahintersteckenden Verbrechen des Syndikats. Schließlich kommt es auch noch zu einem fulminanten Endkampf zwischen Daredevil, Captain America und Nuke – einem wahnsinnigen, drogensüchtigen Supersoldaten, der, im Auftrag von Kingpin, ganz Hell´s Kitchen in Brand setzt.
Religion und Nationalismus
Der Comic weist die typischen Stärken und Schwächen auf, die auch sonst im Oeuvre Millers inhärent sind: Ihm gelingt es, den Protagonisten Murdock/Daredevil Verzweiflung und Wahnsinn einzuhauchen, wodurch Miller sowohl den Superheldenmythos unterminiert, als auch die Grenzen zwischen Heroischem und Schurkischem partiell verwischt, so wie er es auch schon in ›Batman: Die Rückkehr des Dunklen Ritters‹ tat.
Leider zeigt sich in dem gesamten Comic auch wieder die konservative, gewaltverherrlichende und nationalistische Einstellung Millers, die er etwa auch schon in den faschistoiden Comics ›300‹ und ›Sin City‹ demonstrierte: Erstens, macht der Autor es sich zu leicht: Der gesamte Fall und Neuaufstieg von Murdock/Daredevil geschieht in nur wenigen Kapiteln und wirkt daher stark simplifiziert und künstlich – und ist ergo beispielsweise qualitativ kaum vergleichbar mit der ›Batman-Knightfall-Saga‹, in der Batman langsam gebrochen wird und sich nur schwer wieder erholt. Daredevil regeneriert sich leicht, obwohl lebensgefährlich verletzt, nein, Miller lässt ihn wundersam unter den Händen einer Nonne heilen. Stupide Religion – das zeigen auch schon Titel und Cover des Comics – wird anstelle von künstlerischer Handlung und psychologisch gekonnter Protagonistenskizzierung eingesetzt, übertüncht mit Gewalt und Kitsch, statt mit tiefgehender Reflexion. So ist es auch nicht erklärlich, wie Murdock am Ende plötzlich glücklich mit Page durch New York spaziert.Das passt aber auch zum Charakter von Murdock/Daredevil, der sich erstaunlich simpel entfaltet: als Anwalt, der nachts die Verbrecher brutal und gnadenlos zur Strecke bringt, die er tagsüber nicht legal besiegen konnte, und damit den einfachen (diabolischen?) Weg der Gewalt, statt dem schwierigen Weg der Gerechtigkeit wählt. Zweitens, kann Miller es nicht akzeptieren einen nationalistischen Supersoldaten als Gegner einzusetzen, wenn er nicht gleich den patriotischen Superhelden Captain America als positives Pendant ins Spiel bringt. Dieser unsägliche Nationalismus wäre nicht nötig gewesen.
Mit der Moderne überfordert
Mazzucchellis Zeichnungen sind typische Superheldencomic-Zeichnungen, mit dem Unterschied, dass sie schonungsloser und teils auch blutiger sind, als manch andere Heldencomics. Aber in Relation zu anderen Zeichnungen Millers sind sie wieder zurückhaltender, obgleich er sich durchaus am Miller´schen Stil orientiert und nur wenig eigene Noten einbringt. Authentisch gelingen ihm immerhin die Zeichnungen zu Page, die wirklich wie eine abgemagerte, drogensüchtige und hoffnungslose Frau wirkt. Überhaupt scheinen kantige, ausgemergelte und von Schreck erstarrte Gesichter eine Stärke des Zeichners zu sein. Bedrohlich wirkt auch der riesige und surreal massige Kingpin in Mazzucchellis übertriebenen Zeichnungen.Es ist unwahrscheinlich, dass es gelingt, durch die deutsche Übersetzung und gebundene Neuauflage der Auferstehungsreihe, Daredevil abermals beliebter zu machen. Das Publikum der letzten Jahre ist überfüttert mit Comic-Superhelden, Helden, die immerhin bei allen Stereotypen dennoch vielschichtiger und plastischer wirken, als ein verzweifelter Matt Murdock, mit immer demselben allmächtigen Verbrecherboss als Superschurken. Überhaupt ist ›Daredevil: Auferstehung‹ ein zu religiöser, konservativer, bisweilen reaktionärer Comic, der New York im Ganzen als kriminellen Sündenpfuhl inszeniert. Vielleicht kommt Miller nicht mit der Heterogenität moderner Urbanität zurecht: Vielleicht wählen seine Protagonisten deshalb gerne die einfachen und brutalen Wege, weil Miller mit der Heterogenität und Komplexität der Moderne per se überfordert ist.
Titelangaben
Frank Miller (Text), David Mazzucchelli (Zeichnungen): Daredevil: Auferstehung
Stuttgart: Panini Comics 2015
228 Seiten, 19,99 Euro
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