Gangsta’s Paradise

Digitales | Games: Grand Theft Auto 5

Lange hat die PC-Version des Gangster-Simulators ›Grand Theft Auto 5‹ auf sich warten lassen. Mit über 40 Millionen verkauften Exemplaren für die Konsolen der aktuellen und letzten Generation, gehört es mit Abstand zu den erfolgreichsten Spielen des letzten Jahres. Was das Spiel so gut macht und ob sich das Warten auf die PC-Version gelohnt hat, erfahrt ihr von PHILIPP LINKE.

GTA5-350Mein erster Kontakt mit der GTA-Serie war das 2004 erschienene ›GTA: San Andreas‹. Zugegeben, damals ging es mir hauptsächlich darum, Chaos und Zerstörung zu stiften, die schicksten Sportwagen zu klauen und die riesige Videospielwelt zu erkunden; dass das Spiel noch viel mehr zu bieten hatte, war zunächst zweitrangig. Erst viel später habe ich die herausfordernden Missionen, die Story voller Witz und schwarzen Humor sowie die (irgendwie) sympathischen Charaktere schätzen gelernt und den Ehrgeiz entwickelt, das Spiel tatsächlich durchzuspielen. Am Ende war es besser, als ich je von einem Chaos-Simulator erwartet hätte.

Die Messlatte lag für jedwede Nachfolge hoch – die Erwartungen konnte GTA 4 aber nur bedingt erfüllen. Klar, Unheil verbreiten ging noch immer wunderbar, die Grafik war deutlich besser, doch die düstere Story hatte nicht den Charme von San Andreas. Zudem war die Spielwelt kleiner, eingeschränkter – ich vermisste die Freiheit, die weitläufigen Wüsten und bergigen Landstriche. Umso größer war die Freude, als für GTA 5 abermals der fiktive Bundesstaat San Andreas als Handlungsort angekündigt wurde. An der Westküste Amerikas gelegen, ist San Andreas vor allem Kalifornien, partiell aber auch Nevada und Arizona nachempfunden, sodass einige reale Orte ihr digitales Pendant im Spiel wiederfinden. Doch San Andreas ist nicht mehr das Alte: seit 2004 hat sich die bespielbare Fläche deutlich vergrößert und aus den ursprünglich drei kleineren Städten ist eine Metropole geworden, Los Santos.

Even my mama thinks that my mind is gone

Erstmals in der Serie können wir gleich drei Hauptcharaktere spielen, zwischen denen wir im Spiel frei wechseln können. Die laufen aber nicht die gesamte Zeit im Rudel hinterher, sondern gehen ihrem eigenen Alltag oder Zeitvertreib nach, wenn wir sie nicht gerade in einer Mission benötigen. Somit erhalten wir bei einem Wechsel immer wieder einen zufälligen Einblick in das Privatleben von Michael, Trevor und Franklin. Das kann in einem Stripclub sein, beim einsamen Whiskey trinken oder beim Streit mit der Familie. Die Persönlichkeiten der Figuren werden mit den intimen Szenen zusätzlich verstärkt und vermitteln den Eindruck von richtigen Personen und nicht nur von gesteuerten Spielfiguren. Dabei hätten die Protagonisten nicht unterschiedlicher sein können: Michael ist gefrusteter Familienvater, der sein Geld mit Banküberfällen verdient hat, jedoch nichts mehr mit seinem Leben anzufangen weiß und seine Wutausbrüche und Eheprobleme bei einem kostspieligen, aber inkompetenten Psychiater zu behandeln versucht. Franklin hingegen lebt bei seiner Mutter und arbeitet bei einem Fahrzeughändler mit kriminellen Nebenverdiensten. Grundsätzlich gutmütig und bodenständig, lässt er sich schnell von Geld hinreißen und gerät immer wieder auf die schiefe Bahn. Doch die beiden sind bloß Kleinkriminelle im Vergleich zu Trevor, einem verrückten, irrationalen Waffen- und Drogenhändler, der regelmäßig über Leichen geht. Trotz ihrer vollkommenen Gegensätzlichkeit waren Trevor und Michael einst beste Freunde und haben nach dem langjährigen Wiedersehen sehr viel nachzuholen.2015-06-13_00001

Obwohl ich dem Prinzip mehrerer Charaktere zunächst skeptisch gegenüberstand, haben mich die Missionen mit allen Protagonisten am meisten überzeugt. Jeder übernimmt eine Rolle, sodass sie im Zusammenspiel ein großartiges Team abgeben. Trevor hat die besten Flugskills und verursacht selbstverständlich den meisten Schaden, Franklin ist guter Autofahrer sowie Scharfschütze und Michael reagiert sehr agil im Kugelhagel. Wechseln wir den Charakter, handeln die jeweils anderen automatisch der Mission angepasst. Bei Verfolgungsjagden können wir Franklin einfach fahren lassen und konzentrieren uns mit Michael auf das Schießen. In anderen Missionen geben wir Deckung, während sich jemand den Weg durch feindliche Linien bahnt. Je nach Situation steht es uns frei, welchen Charakter wir wählen, allerdings sollte immer die individuelle Fähigkeit beachtet werden. Wie bereits in San Andreas können wir diese mit der Zeit verbessern. Zusätzlich besitzen alle drei Spezialfähigkeiten.

Power and the money, money and the power

Die Steuerung der Fahrzeuge hat sich deutlich verbessert. Die Autos sind besser handlebar, die Lenkung reagiert präzise und schnell, Ausbrecher gibt es nur bei hohen Geschwindigkeiten. Das Fahrverhalten ändert sich je nach Modell und macht das Rumcruisen oder die Teilnahme an Wettrennen abwechslungsreich und herausfordernd. Neben diversen Straßenfahrzeugen dürfen wir Boote und endlich auch wieder Flugzeuge kapern. Da GTA 4 lediglich Helikopter zur Verfügung stellte, sind die Propellermaschinen und Militärjets in GTA 5 besondere Highlights. Dank des riesigen Areals und der detaillierten Natur war Fliegen nie schöner. Doch Vorsicht, geringe Flugerfahrungen äußern sich in verstärktem Schaukeln und unruhigem Flugverhalten.

Abseits vom Missionsalltag gibt es viel zu entdecken. Freizeitbeschäftigungen wie Golfen oder Tennis sind sehr komplex und hätten glatt als eigenständige Spiele vermarktet werden können. Mit dem Geld, das wir uns durch diverse Tätigkeiten erwirtschaften, können wir uns teure Anwesen, Unternehmen und vieles mehr kaufen. Erstmals bietet GTA einen eigenen Aktienmarkt, der von unseren Attentaten auf gewisse GTA5-3Firmenchefs oder anderen Delikten beeinflusst wird. Ebenfalls neu sind zufällige Ereignisse, in die wir uns ganz nach Belieben einmischen können. Das ist Abwechslung.

So I gotta be down with the hood team

Abgesehen von der Einzelspielerkampagne ist ein Online-Modus verfügbar. Dabei können wir auf Spieler aus aller Welt treffen und Coop-Missionen sowie Wettkämpfe gemeinsam oder gegeneinander bestreiten. Im freien Modus flanieren wir durch ganz San Andreas und können zufällige Mitspieler auf ein Deathmatch herausfordern. Missionen erhalten wir entweder via Telefon von Auftraggebern, die wir aus dem Story-Modus kennen, oder wir gehen zu einem Missionspunkt auf der Karte. Beim Starten einer neuen Aufgabe können wir Regeln festlegen, die Schwierigkeit sowie eine bestimmte Kameraperspektive, das Wetter und die Tageszeit bestimmen. Daraufhin steht es uns frei, Spieler einzuladen oder automatisch passende Mitspieler suchen zu lassen. Die Anzahl der Missionen ist überwältigend groß. Großer Minuspunkt von GTA Online ist jedoch das Fehlen einer Server-Übersicht. Aufgrund einer fehlenden Lobby-Listung sind lange Wartezeiten vorprogrammiert. Da zudem viele Missionen ein gutes Teamplay voraussetzen, ist es nahezu unmöglich, einen Sieg in einer zusammengewürfelten Gruppe zu erlangen. Viele Missionen scheitern bereits, wenn ein Teammitglied außer Gefecht ist. Noch komplizierter sind Schleichaufgaben, in denen keine Wache alarmiert werden darf. Für derartige Herausforderungen ist ein Team aus vertrauten Freunden Gold wert.

Doch auch mit Fremden hatte ich Spaß, vor allem bei den verschiedenen Wettrennen. Die lassen bis zu 16 Spielern zu, die sich schnell finden lassen. Die Regeln werden vom Host festgelegt, sodass mitunter auch Waffen und die Polizei mitmischen. Besonders chaotisch sind Rennen mit Power-Ups, die auf dem Weg eingesammelt werden: Nitro, Schnellreparatur und Raketenwerfer helfen. Vor jedem Start können Wetten abgeschlossen werden, die ein paar Scheine mehr in die Kasse bringen.

Everybody’s running, but half of them ain’t looking

Lohnt sich das Warten auf die PC-Version, wenn die Konsolenversionen bereits ausgiebig gespielt wurden? Nein, eigentlich nicht. Eine der angepriesenen Neuerungen in der Next Gen-Version ist die Ego-Perspektive, die ein intensiveres Spielerlebnis liefern soll. Sicher, das Fahren in Cockpit-Perspektive ist schon chic, mehr aber auch nicht. GTA ist einfach kein Spiel für die Ego-Sicht. Viel zu viel passiert um uns herum und das Geschehen lässt sich wesentlich besser von außen betrachten.

Seit der PC-Version ist zudem der Video-Editor zurück – allerdings wird der auch für die aktuelle Konsolengeneration nachgereicht. Mit dem Editor können wir eine Szene aufzeichnen und in 3D bearbeiten, d.h. wir können die Kameraposition oder –Bewegung selbst festlegen. Mit etwas Geduld lassen sich kleine Clips zusammenstellen; insgesamt eine nette Spielerei. Sollte die Regiearbeit nicht überzeugen, kann es vielleicht die bessere Grafik und flüssigere Bildrate. Mit der Neuauflage lassen sich eine höhere Sichtweite, realistischere Schatten und detailreichere Texturen genießen. Durch ein großes Angebot an Anpassungsoptionen belohnt GTA 5 Besitzer von starken Rechnern. Als Hinweis sei gesagt, dass die PC-Version eine permanente Internetverbindung benötigt. Das Spiel lässt sich zwar starten, wenn Steam im Off ist, allerdings müssen wir uns trotzdem im Rockstar Social Club anmelden. Das ge2015-06-13_00002meinsame Nutzen via Family Sharing ist daher ebenfalls nicht möglich.

Fazit

Als Komplettpaket hat mir GTA 5 viel Spaß gemacht. Mit mehr Humor, angepasster Steuerung und schönerer Grafik als in den bisherigen Ablegern hat Rockstar Games das beste GTA aller Zeiten geschaffen. Kritik auf hohem Niveau betrifft lediglich das Matchmaking im Onlinemodus, welches Clienten benachteiligt und zu langen Wartezeiten führen kann. Wer das Spiel bereits von PS3 und Xbox360 kennt, der wird vermutlich enttäuscht, da abgesehen von der Grafik, nur wenige Neuerungen geboten werden. Während Cineasten mit dem Videoeditor durchaus ihren Spaß haben werden, lohnt sich die First-Person-View nur für kurzweilige Spritztouren. Schnell werdet ihr dank fehlendem Überblick und ungewohnter Steuerung zur originalen Perspektive wechseln. Top Version, aber nicht gut genug, um es zwei Mal käuflich zu erwerben.

| PHILIPP LINKE

Titelangaben
Grand Theft Auto 5
Rockstar Games
seit dem 18. November 2014 für PS4 und Xbox One und dem 27. Januar 2015 für PC erhältlich.

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Kurze Pause

Nächster Artikel

Mein Vater, das unbekannte Wesen

Weitere Artikel der Kategorie »Digitale Spiele«

Tiny Metal: Full Metal Rumble

Digitales | Games: Tiny Metal: Full Metal Rumble Die niedliche Kriegs-Simulation geht in die zweite Runde. Das kleine Indie-Studio Area35 verspricht eine noch größere, epischere und insgesamt »metallenere« Erfahrung als im ersten Teil. Wir haben uns auch diesmal auf den Kriegspfad begeben und teilen unsere Erlebnisse mit euch in diesem Test. Von PHILIPP LINKE.

Eiskalte Steampunks

Digitales | Games: Frostpunk Die große Hitze hatte Deutschland fest im Griff. Wer keine Klimaanlage sein Eigen nennen darf, zerfloss in verdunkelten Wohnungen vor sich hin, wenn der Weg nicht gerade zu einem kühlenden Gewässer führt. Für zumindest visuelle Abkühlung kann das Computerspiel ›Frostpunk‹ sorgen, das ein eisiges Endzeitszenario auf den heimischen Bildschirm zaubert. In tropischen Sommernächten hat FLORIAN RUSTEBERG einen Blick in die Eiszeit geworfen.

Ein bisschen SpaZ muss sein

Digitales | Games: Space Pirates and Zombies Manchmal steckt hinter einem schlechten Wortspiel eine interessante Geschichte. Diese Rezension beispielsweise hat nur das Licht der Welt erblickt, weil ein Podcast verschoben werden musste und der Rezensent unkontrolliert Dinge kauft, auf denen irgendwas mit Zombie steht. PETER KLEMENT über ›Space Pirates and Zombies‹ und warum er dafür ein millionenteures Weltraum-Epos verschmäht hat.

Ehrenrunde – Update: The Crew

Digital | Update: The Crew Es passiert oft, dass die Veröffentlichung eines Spieles um eine beliebige Zeit verschoben wird. So erscheint auch ›The Crew‹ erst am 2. Dezember, drei Wochen nach dem ursprünglich gesetzten Ziel. Der Grund ist eine weitere geschlossene Beta-Phase im November, um das Spiel final auf Herz und Nieren zu testen und weiteres Feedback vor dem Release zu erhalten. Von PHILIPP LINKE.

Komm später wieder – oder gar nicht

Digitales | Games: Dark Souls Das war es. Nach etwas mehr als 48 Stunden sind ›Dark Souls‹ und ich fertig miteinander. Und das, ohne dass ich den Abspann des Rollenspiels gesehen hätte. Denn ich habe es nicht geschafft, der letzte aller Gegner bleibt unbesiegt stehen. Und VOLKER BONACKER ist nicht im Mindesten unglücklich darüber.