Kinderbuch | Görel Kristina Näslund; Kristina Digman: So ist der Winter
Zum Winter kommt einer gleich Vieles in den Sinn. Ist man noch neu im Leben, sieht das anders aus. Da muss der Winter erst vorgestellt werden. Görel Kristina Näslund und die Illustratorin Kristina Digman haben sich zusammengetan und dem Winter auf eigenwillige Art ein Gesicht gegeben. Das können die Allerkleinsten erkennen, aber auch Nostalgie-Fans können sich in diesem Buch wiederfinden. Von MAGALI HEISSLER
Zwei kleine Wesen wandern durch eine Welt, die von Weiß beherrscht wird. Das Weiß hat alles versteckt, was vertraut war, die kleinen Wesen betrachten staunend eine neue Welt. Es gibt einiges zu entdecken.
Es ist sehr kalt, die meisten Vögel sind fort. Wasser ist gefroren, nachts ist Welt seltsam hell. Schnee und Eis bringen neue Klänge, es knarrt, knirscht, klirrt. Schneesturm heult, schmelzender Schnee tropft stetig.
Und was man mit Schnee nicht alles machen kann! Schneefrauen und Schneekatzen bauen, damit der Schneemann nicht so einsam ist, Schnee-Engel, Schneebälle und Schneelichter. Aber nicht alle sind froh über den Winter, Vögel sind hungrig, andere Tiere frieren. Die Seiten des Winters sind vielfältig.
Realität und ein wenig Märchenhaftes
Näslund erzählt vom realistischen Winter, zugleich ist das Märchenhafte immer nah. Winter hat seinen eigenen Zauber, unvermutet hat eine Elster Schneeschuhe, unvermutet lädt ein Hase zum Essen ein. Schneekristalle werden handgroß, ein Mäuschen schläft selig unter seiner karierten Decke.
Auch die beiden Kleinen, die durch die Winterwelt spazieren, haben einen Hauch Märchen an sich. Es sind Kinder, zugleich sind ihre Gesichtszüge sehr beherrscht. Sie schauen vergnügt, zufrieden, hin und wieder selig in die aufregende Welt, aber sie lachen nie laut, rufen nicht, schreien nicht. Selbst ihr Toben ist gezähmt. Sie rutschen nicht aus, fallen nicht, nie fürchten sie sich. Sie frieren auch nicht. Sitzen sie während des Schneesturms in ihrem Häuschen, sind ihre Profile fast die Erwachsener. Eine Andeutung von Alterslosigkeit und ihr eigentlich unkindliches Auftreten rückt sie in die Nähe von Wichteln, Feenwesen oder Puppen.
Deutlich sind die Geschlechterstereotype, auch wenn Digman bei der Wiedergabe Zurückhaltung übt. Die beiden sind als Mädchen und Junge zu erkennen. Haartracht, Kleidung, Gesichtszüge, Körperhaltung sind eindeutig zugeordnet, auch wenn die beiden alles gemeinsam unternehmen, und mal der eine, mal die andere vorausgeht. Hier herrscht das Traditionelle vor dem Modernen. Die Moderne, der Verzicht auf Rosa, Blümchen und Männerposen, ist allerdings durchaus präsent und versöhnt rundum beim Anschauen.
Weiße Welt, bunte Welt
Die Winterwelt gibt den Rahmen, aber Weiß beherrscht die Seiten keineswegs. Es wird ebenso großflächig kontrastiert mit Schwarz in den Nachtszenen, dem Graublau des Sturmtags und einem rosig-gelblichen Braunton des Himmels an einem richtig eisigen Tag. Der Winter hat viele Farben.
Blau und Grautöne schattieren, schaffen Räumlichkeit, zeigen Weite, endlos, und begrenzen sie zugleich. Die Linien des Schnees sind weich, die Konturen der Figuren wie Tiere gerundet. Schroff wirken blattlose Zweige, zerbrochenes Eis, Vogelspuren. Der Winter hat harte Seiten.
Nicht alles wird vom Schnee bedeckt, Wege sind freigeschaufelt und braun, Bäume erscheinen schwarz, Beeren glänzend rot. Richtig bunt sind auch die beiden Hauptpersonen, auch wenn eine davon eine weiß gemusterte Pudelmütze auf den schwarzen Löckchen trägt. Lust an Farben kann man auch mit Winterbildern vermitteln.
Die Texte sind knappst, zwei, höchstens drei Sätze gibt es pro Seite, sie sind kurz, ebenso die Nebensätze, wenn sie überhaupt einen haben. Das lässt Raum zum Mitdenken, Beobachten und selbst Erzählen. Das ist auch wichtig, weil die Erzählerinnenstimme für sich genommen recht dominant ist und vieles vorgibt und festsetzt. Auch hier herrscht wieder Altherkömmliches.
Altmodisches und Modernes verschmelzen trotzdem harmonisch, weil auf alles Liebliche, Süße, Putzige verzichtet wird. Die Ästhetik setzt auf Erkennbares, Eindeutiges, Schönes, aber das ist kein Fehler. Es strahlt Freundlichkeit aus, Wärme, einen Zustand des Versöhntseins mit der Welt. Dass am Ende der Frühling wiederkommt, passt dazu. Alles ändert sich, aber die stete Veränderung hat ihren Sinn.
Die wunderschöne Ausstattung macht dieses Bilderbuch endgültig zu einem besonderen Stück.
Titelangaben
Görel Kristina Näslund, Kristina Digman: So ist der Winter
(Lilla vinterboken, 2005) Aus dem Schwedischen übersetzt von Karl-Axel Daude
Affoltern am Albis: Bohem Verlag 2015
32 Seiten, 12,95 Euro
Bilderbuch ab 3 Jahren
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