Kinderbuch | Ute Wegmann: Hoover / Birgit Schlieper: Eine Macke kommt selten allein
Für andere da sein, aus Liebe handeln, etwas aufs Spiel setzen für andere, das sind Beweggründe, bei denen einer warm wird ums Herz. Wenn die dazugehörigen Geschichten zudem witzig, voller Tempo und Liebe sind, muss einfach alles in Ordnung sein! Bis man genauer hinsieht und entdeckt, dass der Zweck hier ganz selbstverständlich die Mittel heiligt. Da wackelt die Moral dann doch deutlich unter all dem Zuckerguss. Von MAGALI HEISSLER
Hoover, Titelheld in Ute Wegmanns Kinderbuch, hat es nicht leicht. Er ist der Nachkömmling – und obwohl er kein kleines Kind mehr ist, traut ihm niemand etwas zu. Das einzige, was er für sich bisher erreicht hat, ist, sich eben den Namen »Hoover« zuzulegen, weil er seinen eigenen nicht mag. Zu mehr Selbständigkeit hat es in seinen knapp zwölf Jahren noch nicht gereicht. Als in einer Notlage jemand gebraucht wird, der ein wenig auf Opa Kurt aufpasst, staunt Hoover selbst am meisten, weil er sich umgehend dazu bereit erklärt.
Das Leben mit Opa wird nicht leicht, denn Opa ist krank. Schon seit Oma gestorben ist, ist er nicht mehr der alte. Hoover aber auch nicht, der Gedanke an Sterben und Tod plagt ihn. Dann trifft er Claudine. Das erweist sich nicht nur als ideal, als es darum geht, Opa glücklich zu machen, sondern auch, damit Hoover mit dem Leben Frieden schließen kann.
Ein gutes Herz
Wegmann zeichnet überzeugend und eindrucksvoll einen kleinen Helden mit Tugenden, die fast altmodisch geworden zu sein scheinen. Hoover ist freundlich, rücksichtsvoll, voller Liebe. Vor allem hat er etwas, das selten so deutlich zur Sprache gebracht wird, ein gutes Herz. Den Eingebungen seines Herzens folgt er auch. Dass das nicht immer klug ist, liegt in der Natur der Sache.
Herzensangelegenheiten sind das Thema dieser Geschichte. Die Liebe der Großeltern, die Frage, wie es mit der Liebe von Hoovers Eltern steht, wenn Papa in München arbeitet und Mutter in Köln lebt mit den Kindern, den Beziehungen zwischen den Geschwistern. Wo geht die Liebe hin, wenn Eltern getrennt leben wie bei Claudine, wo, wenn ein Teil eines Liebespaars stirbt? Damit schlägt sich Hoover herum.
Es geht aber auch darum, wie man Liebe zeigt, sie gibt, annimmt und am Ende darum, ob um ihretwillen alles erlaubt ist. Hier wird es hakelig, zumal immer wieder, wenn auch sacht, christliche Glaubensvorstellungen anklingen. Doch im letzten Drittel versinkt jede ehrliche Auseinandersetzung über die Frage, ob der Zweck die Mittel heiligt, unter dicken Schichten von Zuckerguss. Das ist nicht nur schade wegen eines interessanten und gut charakterisierten kleinen Helden auf der Schwelle zum Teenageralter, sondern lässt die ganze Geschichte zu einem Märchen verkommen, das Sentimentalitäten als Wahres verkauft.
Comedy um jeden Preis
Auch in Schliepers ›Eine Macke kommt selten allein‹ geht es um Gefühle, in diesem Fall um Freundschaft. Paul, der Held der Geschichte, erzählt. Er ist ein bisschen frech, ziemlich altklug, vor allem aber fest überzeugt davon, dass er das hat, was man gemeinhin »den Durchblick« nennt. Dass er sich irrt, ist Teil des Comedy-Feuerwerks, das Schlieper abbrennt, dass bei Paul weitgehend Einsicht fehlt, irritiert im Verlauf der Lektüre. Zuerst aber geht es zur Sache.
Schon Paul häusliche Verhältnisse sind extrem angelegt. Sein Vater ist Tierarzt, besondere medizinische Fälle landen im heimischen Wohnzimmer. Eine Kampfkatze, die zugleich Spezialistin in Verstellungskunst ist, und ein bei einer Verlosung gewonnenes Hängebauchschwein sind nur zwei Angehörige des heimischen Zirkusses.
Die Macken des Titels finden sich auch in Pauls Familie, das Verhalten seiner Mutter ist entschieden exzentrisch. Auch der neue Nachbarsjunge hat ‚so etwas‘, meint Paul, er leidet an einer Sprachstörung. Das lässt sich lachend besser ertragen. Paul macht es vor, mit Schwung.
Das liebe Geld
Paul ist wild entschlossen, dem Jungen zu helfen. Er hat die Idee, Geld zu verdienen, damit der Neue sich in der Schule mit einem großartigen Auftritt Freunde kaufen kann. Lustig ist das nicht, noch weniger so normal, wie Schlieper es ihre kleinen Helden finden lässt. Natürlich muss das Geld verdient werden.
Die Abenteuer, die Paul und Jakob, der Neue, dabei erleben, sind dick aufgetragen und grell ausgemalt. Kleine Leser werden es rundum vergnüglich finden, wie die beiden Helden von einem Fettnäpfchen ins nächste stolpern in ihrem Bemühen, fett Kohle zu machen.
Das Problem hierbei ist, dass es tatsächlich klappt. Am Ende haben sie ein paar Hundert Euro in der Hand. Die Vorstellung, dass Geld nicht alles sein soll im Leben, geistert jedoch auch irgendwo im ausgemalten Kosmos herum. Ob es Überzeugung der Autorin ist, politische Korrektheit oder Rücksicht darauf, dass sich die Geschichte an ein kindliches Publikum richtet und man deswegen zumindest einen Anflug von Verantwortung zeigen soll, lässt sich schwer sagen. Jedenfalls erkennt Paul, dass der wahre Wert Freundschaft ist. Dazu kommt noch der eine oder andere glückliche Zufall und das Ende ist strahlend rosarot.
Nicht jedoch, wenn man das Buch genau liest. Das sollte man, geht es doch ums Geld. Bei ihren Aktionen richten die beiden Jungen Schaden an und schrecken auch vor Betrug nicht zurück. Stehen sie ein dafür? Erkennen sie, was sie falsch gemacht haben? Kein Thema. Mit dem erschwindelten Geld wird ein Herzenswunsch erfüllt. Was zählt Sozialverhalten, wenn es um privates Glück geht.
Persönliche Zuneigung, Einsatz für andere, weil man sie schon lange kennt oder zufällig sympathisch findet, sind zu wenig. Vor der Gartentür liegt die ganze weite Welt und sich darin bewähren, das ist die eigentliche Aufgabe.
Titelangaben
Ute Wegmann: Hoover
München: dtv Reihe Hanser 2015
208 Seiten. 10,95 Euro
Kinderbuch ab 10
| Erwerben Sie dieses Buch bei Osiander
Birgit Schlieper: Eine Macke kommt selten allein
München: cbt 2015
252 Seiten. 12,99 Euro
Kinderbuch ab 10
| Erwerben Sie dieses Buch bei Osiander