»Noch einmal das schöne Spiel, weil es mir so gut gefiel … «

Kinderbuch | Madalena Matoso: Klapp auf, klapp zu

Um ein Buch zu lesen oder vorzulesen muss man es aufklappen. Und wenn man fertig ist, klappt man es wieder zu. Logische Sache. Oder doch nicht? ANDREA WANNER hatte ihren Spaß am extrem häufigen Auf- und Zuklappen.

Klappauf350Da liegt es: ein Bilderbuch mit stabilem Pappeinband mit vielen fröhlichen Figuren in grobem Pixelraster, die einem die vierfingrigen Hände entgegenstrecken. Und es fällt einem gleich das Kinderlied ›Brüderlein, komm tanz mit mir‹ ein: Mit den Händen klapp, klapp klapp … Diese übergroßen Hände scheinen wie geschaffen für ein richtiges Klatschkonzert, wo die Hände des einen Tanzenden auf die des anderen schlagen. Das kann man singen und machen – aber in einem Bilderbuch zeigen? Die portugiesische Illustratorin Madalena Matoso schafft das.

So ein Massenauftritt ist aber eher eine Übung für Fortgeschrittene. Beginnen wir ganz einfach: Von Männchen auf der ersten Doppelseite mit schwarzer Kappe und Schnurrbart sieht man im Wesentlichen den Oberkörper. Die Arme sind zur Seite gestreckt, sodass symmetrisch zum Buchfalz am linken und rechten Buchrand jeweils ein Teil eines Paarbeckens zu sehen ist, wie man sie aus Märschen kennt, wo die Becken synchron zu Trommel die Taktschwerpunkte mitschlagen. »Doing« steht auf der linken Seite.

Und jetzt wird das Buch einfach mit Schwung zugeklappt. Was passiert? Wenn man genug Fantasie hat, eine Menge. Denn jetzt schlagen die beiden aus Messing oder Bronze bestehenden Becken gegeneinander und ein lauter Ton ist zu hören.

Nächster Versuch. Eine Doppelseite, rechts ein reduzierter Mädchenkopf, schwarzes Haar, geschlossene Augen mit langen Wimpern, ein zartes Näschen, gerötete Wangen und ein Mund, der nur aus einem kleinen Kreis besteht. Links ein Mann, die Hautfarbe kräftiger, die Augen offen, unter der Nase ein Schnurrbart und darunter ebenfalls ein kreisrunder Mund. Alles ganz symmetrisch gestaltet. Wir klappen das Buch zu und das Unvermeidliche geschieht: »Schmatz, Schmatz«.

Wenn man das Ganze mal verstanden hat, ist es einfach verblüffend, mit welch minimalem Aufwand Matoso so viel Leben ins Buch bringt. Eine einfache Idee und eine große Wirkung. Der Text besteht fast nur aus lautmalenden Worten: »Pling Pling«, »Bong Bong« und »Tock Tock Tock!« reichen vollkommen aus. Die bunten Szenen in kräftigen Grundfarben – leuchtendes Rot, sattes Blau, frisches Grün und strahlendes Gelb – werden durch Schwarz ergänzt und heben sich dadurch deutlich von dem reinweißen Grund ab. Und jetzt darf es auch noch ein bisschen komplizierter werden, indem auf die Symmetrie verzichtet wird. Da liegt eine Figur quer über der Doppelseite, Kopf und nach oben gereckte Arme linke, Beine rechts. Das werden doch beim Auf- und Zuklappen tatsächlich Sit-Ups. Das Prinzip funktioniert auch mit einer Triangel, mit einem Tischgrill (»Fzzzzzzzzzzzzzz«) oder einem coolen Begrüßungs-Check und lässt sich alles experimentell im wahren Leben nachvollziehen. Genial.

Eine kleine Kritik bleibt: So ein interaktives Buch muss robust und strapazierfähig sein und man hätte sich Pappseiten statt nur der Ausstattung aus Papier gewünscht, die das Zu und Auf lange überstehen und noch ein bisschen mehr Geräusch machen. Aber das ist nur ein kleines »Aber«. Das große Lob für Idee und Umsetzung überwiegen. Und die Schlussszene, die 16. Aktion, ergänzt das Cover um eine rechte Seite. Jetzt bekommen alle Figuren tatsächlich einen Partner oder eine Partnerin: Mit den Händen klapp, klapp klapp … Und ich bin mir nicht ganz sicher, ob es im Buch nicht weitergeht, wenn wir es schließlich zugeklappt zur Seite legen: Mit den Händchen klipp, klapp, klapp, mit den Füßchen tripp, tripp, tripp, einmal hin, einmal her, rundherum, das ist nicht schwer. Madalena Matosos Figuren ist so ein bewegtes Eigenleben durchaus zuzutrauen.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Madalena Matoso: Klapp auf, klapp zu
(Livro clap, 2014)
Frankfurt: Moritz 2015
40 Seiten, 12,95 Euro
Bilderbuch ab 3 Jahren
Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Mythen entlarven

Nächster Artikel

Literatur – ein Spiel

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Heimat, Zuhause und all das dazwischen

Kinderbuch | Issa Watanabe: Flucht

Meine Tochter ist lange schon erwachsen, aber ich erinnere mich gern und gut daran, dass es eigentlich nie ein Thema gab, über das man mit ihr nicht hätte reden können. Es kommt eben immer nur darauf an, die dem Alter des Kindes gemäßen Worte zu finden. Und wie dieses Kinderbuch in Perfektion zeigt, braucht man manchmal überhaupt keine Worte für ein schwieriges Thema, meint BARBARA WEGMANN

Wie leben die Tiere auf dem Bauernhof?

Kinderbuch | Lena Zeise: Das wahre Leben der Bauernhoftiere

Früher hatten es die Tiere besser. Lebten draußen, rannten herum, wie sie wollten, waren in der Natur. Mit dem Ansteigen der Bevölkerung stieg auch die Nachfrage nach Lebensmitteln, vor allem nach billigen. Und heute sind es oft keine Bauern mehr, die uns mit Fleisch, Milch und Eiern versorgen, sondern es ist eine Industrie, die Lebensmittelindustrie. Aber wie geht es den Tieren jetzt? Ein neues Sachbilderbuch stellt ihr Leben dar. Von GEORG PATZER

Überraschung!

Kinderbuch | Antje Damm: Der Besuch Manchmal verändern sich die Dinge im Leben schnell, ohne Vorwarnung und gründlich. Das kann wehtun, irritieren oder das Leben bereichern. ANDREA WANNER war gespannt, was aus Elsies Leben im Bilderbuch ›Der Besuch‹ geschildert wird.

Machtkampf

Kinderbuch | Antje Damm: Der Wolf und die Fliege Wenn ein Wolf und eine Fliege aufeinandertreffen, scheint klar, wer der Stärke von beiden ist. Oder? ANDREA WANNER ließ sich überraschen.

Winterpause

Kinderbuch | Thomas Krüger: Hotel Winterschlaf Für die Menschen ist der Winter eine Jahreszeit, in der viel passiert. Weihnachten und Silvester, Schneeballschlachten, Schneemänner und Schlittenfahren gehören unbedingt dazu. Für viele Tiere in unseren Breitengraden ist es eine Zeit, in der sie sich zurückziehen und Winterschlaf halten. Wie gut, wenn sich jemand darum kümmert, dass sie ein nettes Plätzchen haben, findet ANDREA WANNER.