/

Stadt ohne Engel

Comic | Ellroy / Hyman / Matz / Fincher: Black Dahlia

James Ellroys ›The Black Dahlia‹ beruht auf einer wahren Begebenheit. Das Buch ist ein Klassiker des Crime Noir. Verfilmt wurde es von Brian DePalma, an der Comic-Adaption war Star-Regisseur David Fincher beteiligt. Eine deutschsprachige Ausgabe kam letztes Jahr bei Schreiber & Leser heraus. Von CHRISTIAN NEUBERT

titel-blackdahliaDer aus Los Angeles stammende Krimiautor James Ellroy ist einer der prominentesten Vertreter seines Genres. Seine Bücher leuchten die dunklen Winkel der US-Gesellschaft aus, während sie dem amerikanischen Traum mit Lakonie, Zynismus und Pessimismus begegnen. Seine 1987 erschienene True Crime Novel ›The Black Dahlia‹ avancierte schnell zum Klassiker. Wie zahlreiche andere seiner Bücher erfuhr das düstere, für einen vordergründigen Krimistoff sehr komplexe Werk auch eine Verfilmung. Zudem gibt es eine Comic-Adaption. Kein Geringerer als Star-Regisseur David Fincher überführte Ellroys Text in eine Comic-Fassung, unterstützt von Szenarist Matz. Eine deutschsprachige Fassung erschien 2015 beim Schreiber & Leser-Imprint »Noir«. Klar ist ›The Black Dahlia‹ dort sehr gut aufgehoben, bedient der Comic die Crime Noir-Schublade doch in allen schwarzen Facetten.

Eine Stadt am Abgrund

›The Black Dahlia‹ handelt von der weitschweifigen Ermittlungsarbeit um die schrecklich verstümmelte Leiche der Elisabeth Short im Los Angeles der Vierziger. Die ungleichen Cops Bucky Bleichert und Lee Blanchert gehen dem Fall nach – zwei Ex-Boxer, die sich einst im Rahmen eines Benefiz-Fights für das LAPD im Ring begegneten. Blanchert lebt mit der schönen Kay zusammen, und bald schon führen sie und Bleichert eine denkwürdige Dreiecksbeziehung. Die Story selbst ist aus Bleicherts Sicht geschildert. Seine Stimme aus dem Off führt mit lakonischem Tonfall durch die deprimierende Geschichte, in der in die Abgründe der Traumfabrik Hollywood geblickt und sexuelle Obsessionen offengelegt werden, wirklich jeder Dreck am Stecken hat und keine Wahrheit von Dauer ist.

Im Zentrum der verworrenen, zuerst mäandernden und sich schließlich rasant zuspitzenden Story steht die Formel »cherchez la femme« – »finde die Frau«. Das Whodunit des in die Vergangenheit zurückreichenden Falls umkreist die sorgfältig entworfenen weiblichen Protagonisten. Sie sind sowohl für die Genese des Falls als auch für die inhärente Geschichte einer Männerfreundschaft von enormer Bedeutung.

Für die zeichnerische Umsetzung des schwarzen Crime-Stoffes findet Illustrator Miles Hyman starke Bilder, deren bunte Kolorierung von einer Patina des Verblichenen in Zaum gehalten wird. Auf diese Weise wirken sie zeitlos, was für eine eigenwillige Stimmung sorgt, denn modische Details wie Frisuren, Garderoben und Autos der Protagonisten weisen deutlich in die Vergangenheit. Dass die einzelnen Panels und Seitenlayouts insgesamt statisch wirken und kaum Dynamik transportieren, ist dabei kein Manko. Immerhin visualisieren sie auf diese Weise Bleicherts niederschmetternde Erzählhaltung.

Türöffner für dunkle Stoffe

Wer dem Crime Noir-Fach generell etwas abgewinnen kann, wird von dem Band begeistert sein. Anderen könnte er gut und gerne als Türöffner für dieses Fach herhalten – auch wenn er aufgrund seiner Dichte ein gehöriges Maß an Aufmerksamkeit verlangt. Oder gerade deswegen: ›The Black Dahlia‹ ist alles andere als einfach nur ein Krimi.

| CHRISTIAN NEUBERT

Titelangaben
Ellroy / Hyman / Matz / Fincher: Black Dahlia
Aus dem Französischen von Resel Bebiersch
Hamburg: Schreiber & Leser 2015
168 Seiten. 24,80 Euro
Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe
| Homepage des Zeichners

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Hilda im All?

Nächster Artikel

Tierisches Abenteuer mit viel Herz

Weitere Artikel der Kategorie »Comic«

Der Hochglanzblitz

Comic | Flash-Anthologie. 75 Jahre Abenteuer im Zeitraffer Passend zum neuen Kinofilm ›Justice League‹, einem Bund der DC-Superhelden, hat der Panini-Verlag eine dicke Anthologie zu einem der an der Liga beteiligten Helden herausgebracht – nämlich zu Flash. PHILIP J. DINGELDEY hat sich den Band angesehen – und zwar nicht im Zeitraffer!

Sommerzählung mit unfreiwilligem Ende

Comic | Volker Reiche: Snirks Café Volker Reiche hat im Frühjahr und Sommer daran gearbeitet, sein Strizz-Universum in der ›FAZ‹ auszubauen. ›Snirks Café‹ hat sich aber nicht mehr so recht zur Endlos-Reihe entfalten können, denn die FAZ hat die Comicstrips aus ihrem Feuilleton gestrichen. ANDREAS ALT wirft einen Blick auf die 77-teilige Rumpfserie, die jetzt komplett bei Suhrkamp erschienen ist.

12 Tickets fürs Wunderland

Comic | Sascha Hommer, Kalle Hakkola (Hrsg.): Comic Atlas Finnland Kein weißes Kaninchen, sondern ein Nilpferd und ein Krokodil sitzen am Steuer des Flugzeugs auf dem Cover des ›Comic Atlas Finnland‹, mit dem der Verlag Reprodukt und die Finnish Comics Society den deutschen Leser in eines der nördlichsten Länder der Erde entführen wollen. Wer sich wie BORIS KUNZ auf die Reise einlässt, wird gemeinsam mit vielen kindlichen und adoleszenten Reisegefährten ein Land voller melancholischer Schönheit, absurder Traumlandschaften und düsterer Abgründe entdecken – und einiges über Art House Comics lernen.

»Unsere Absicht war die Entgrenzung der Künste«

Comic | Internationaler Comic Salon Erlangen 2014: 30 Jahre Internationaler Comic Salon   30 Jahre ist es her, dass sich die Comicszene erstmals in Erlangen traf. Ein unechtes Jubiläum, dem im Programm des 16. Internationalen Comic Salons nur wenig Rechnung getragen wurde. Schon weil das Festival so gut läuft (mehr als 25.000 Besucher in diesem Jahr) und mit der Gegenwart vollauf beschäftigt ist, geraten die Wurzeln allmählich in Vergessenheit. Auch für dieses Festival ist es aber wichtig, seine Herkunft zu kennen. ANDREAS ALT hat sich deshalb auf Spurensuche begeben.

Ein Stickeralbum schafft Kontakte

Comic | ICSE 2016 Spezial: Messerundgang Der Comic Salon Erlangen (schon der 17. in 32 Jahren) lebt von seinen Traditionen. Die Besucher lieben das, was jedes Mal gleich ist: Die gleichen Messestände am gleichen Ort, die ritualisierte Max-und-Moritz-Preisverleihung, die Diskussionen zu sich wiederholenden Themen, seit einiger Zeit auch das Stickeralbum und die Jagd nach den Aufklebern quer durch die ganze Stadt. Manchmal freut man sich aber auch an etwas Neuem. Kleine Verlage und unabhängige Comickünstler boten diesmal ihr eigenes Stickeralbum zum Vollkleben an, das mehr nach dem Prinzip der Kontaktaufnahme funktioniert. Titel: ›Kleb mich!‹ ANDREAS ALT hat es ausprobiert.