Pikachu-Prügelspaß

Digitales | Games: Pokémon Tekken

Die niedlichen Taschenmonster werden handgreiflich – in einem effektvollen Schauspiel nach traditioneller Beat ’em up-Manier. Ursprünglich exklusiv für japanische Spielhallen entwickelt, landet ›Pokémon Tekken‹ (PT) jetzt auf Nintendos Heimkonsole. Während unseres Tests musste nicht nur Pikachu jede Menge Prügel einstecken. Von PHILIPP LINKE.

 WiiU Pokémon TekkenSeit 20 Jahren wurden Pokémon-Kämpfe stets rundenbasiert ausgetragen. Seit dem Auftauchen von 3D-Animationen in Videospielen gab es den Wunsch, Pokémon-Kämpfe in Echtzeit austragen zu können. Zwar hatten schon mehrere Pokémon einen Auftritt in den verschiedenen ›Smash Bros.‹-Ablegern, jedoch ist PT das erste Kampfspiel, das ausschließlich im Pokémon-Universum spielt. Die Spielmechanik orientiert sich stark an traditionellen Beat ’em ups mit einer riesigen Auswahl an Angriffen, Kombos, Kontern und Griffen. Geboten werden ein Karriere-Modus mit minimalistischer Story, lokaler und Online-Multiplayer. Bereits zu Beginn könnt ihr fast aus dem kompletten Rooster von 16 spielbaren Monstern wählen. Zusätzlich gibt es Arenen, Unterstützer-Pokémon und Kleidung für euren Avatar (und die Kommentatorin) freizuschalten.

Traditionelles Kampfsystem

Manchmal spielt sich PT wie ein traditionelles 2D-Kampfspiel à la ›Tekken‹ oder ›Street Fighter‹, dann wieder könnt ihr frei in der Kampfarena umherlaufen, was für ein Beat ‘em up sehr untypisch ist. Der Grund ist das Zwei-Phasen-System von PT. Durch den Einsatz bestimmter Attacken lässt sich zwischen der Feldphase und der Duellphase hin- und herwechseln. Schnelles Umdenken ist hierbei gefragt, denn in der Duellphase besitzt euer Monster ein leicht verändertes Set an Attacken und Kombos. Im Kampf könnt ihr nach einer Aufladezeit ein Helfer-Pokémon zur Unterstützung rufen, welches ihr vor dem Kampf festlegen müsst. Dieses verleiht euch Statusverbesserungen oder greift mit einem kurzen Angriff direkt ins Geschehen ein. Zusätzlich gibt es noch das Resonanzmeter, das euer Pokémon kurzzeitig in den Limit-Modus versetzt. Einige Monster verwandeln sich dabei in ihre Mega-Entwicklung, aber alle teilen mehr Schaden aus und können einen mächtigen Limit-Schlag ausführen, der mit einer aufwendigen Animation daherkommt.

Beim Einzelspieler und lokalen Mehrspieler lassen sich die Kampfregeln manipulieren; so könnt ihr die Dauer eines Kampfes und die Anzahl der Runden festlegen. Außerdem lassen sich Limit-Modus und Helfer-Pokémon abschalten, falls ihr euch auf die reine Form der Kampfkunst beschränken wollt.2_Wii U_Pok├®monTekken_Screenshot_DE_p06_07 Im Online- und Karriere-Modus sind die Runden pro Kampf auf drei festgelegt, die jeweils maximal 80 Sekunden dauern. Wenn ihr die Karriereleiter aufsteigt, levelt ihr euer aktuelles Partner-Pokémon stetig auf und könnt verdiente Fertigkeitspunkte auf Angriff, Verteidigung, Resonanz oder Strategie verteilen. Strategiepunkte verkürzen dabei die Wartezeit auf den Einsatz eures Helfer-Pokémons.

Jedes Monster spielt sich unterschiedlich. Zwar sind starker und schwacher Angriff sowie Griff und Konter stets gleich belegt, doch haben die Fern- und Verfolgungsangriffe sehr spezielle Auswirkungen. Wrestling-Pikachu hat bspw. einen zusätzlichen Greifangriff und kann mit Donnerschock auch aus der Ferne angreifen. Knackrack hingegen besitzt kaum Fernkampfangriffe, kann dafür aber mit Schaufler schnell an seinen Gegner herankommen und aus einer Vielzahl an Nahkampfangriffen wählen. Bevor ihr also in Online-Matches antreten wollt, lohnt sich definitiv ein kurzes Training im Dojo, wo ihr alle Attacken nach Lust und Laune ausprobieren könnt. Eine Komboliste könnt ihr ebenfalls abrufen, die vor allem für fortgeschrittene Kämpfer unentbehrlich ist. Die hohe Komplexität des Kampfsystems mag den einen oder anderen abschrecken, allerdings könnt ihr euch als Anfänger zunächst auf einfache Techniken beschränken und solltet ohne intensives Training die erste Liga des Karriere-Modus schnell abgeschlossen haben.

Ein visuelles Feuerwerk

Ohne Frage ist PT bisher das visuell schönste Pokémon-Spiel. Anstatt einen Comic-Stil wie in ›Pokémon X/Y‹ zu imitieren, setzen die Entwickler dieses Mal auf einen realistischeren Look, der Pikachu & Co sehr gut steht. Jeder Kampf ist einer Live-Sportübertragung ähnlich: Sobald der Kampf beginnt, füllt sich der Bildschirm mit Spezialeffekten. Hier wurde nicht gegeizt, denn als Einsteiger ist es schwierig, den Überblick über das Geschehen zu erhalten. Viel Abwechslung und Detailreichtum bieten auch die 1_Wii U_Pok├®monTekken_Screenshot_DE_p03_04Hintergründe der verschiedenen Arenen. Interaktionen sind mit der Umgebung jedoch nicht möglich, die Arenen schränken euch auf den immer gleichen Kreis auf ebenem Untergrund ein.

Trotz der leistungstechnisch eher schwachen Wii U läuft PT mit konstanten 60 Bildern pro Sekunde, doch macht es selbst für eine Auflösung von 720p einen etwas unscharfen Eindruck. Eine Ausnahme zu der Bildrate bildet der lokale Mehrspielermodus, der mit akzeptablen 30fps läuft, wobei einer der Mitspieler mit dem Gamepad-Bildschirm Vorlieb nehmen muss. Einen Splitscreen-Modus gibt es leider nicht. Wenn euch die Kameraperspektive im Feldmodus nicht stört, könnt ihr im Prinzip auch als Zweitspieler auf den Fernseher schauen. Ein leichter Nachteil ergibt sich wohl in beiden Situationen.

Fazit

Es ist ein Rätsel, warum es so lange gedauert hat. Schließlich basiert die Serie auf Kämpfen, sodass nichts näher läge als ein Kampfspiel. Obwohl das Spiel sehr gelungen ist, gibt es ein paar Kritikpunkte: So haben Fertigkeitspunkte in einem kompetitiven Beat ‘em up nichts zu suchen, da sie im Kampf gegen menschliche Gegner einen unfairen Vorteil verleihen. Auch müssen übermächtige Spezial-Attacken nicht sein, da der eigentliche Zweikampf dadurch an Bedeutung verliert. Auf der positiven Seite steht die große Auswahl an Kämpfern mit sehr unterschiedlichen Kampfstilen, die es zu meistern gilt. Durch den Wechsel zwischen Feld- und Duellphase erhält PT eine ganz besondere Spielmechanik, die anfangs etwas verwirrt, aber dem traditionellen Kampfsystem frischen Wind verleiht. Den größten Spaß bietet ganz eindeutig der Multiplayer, wenn ihr euch gegen Fremde und Freunde duellieren könnt. Wenn ihr also Pokémon und Kampfspiele mögt, macht ihr mit PT garantiert keinen Fehler.

| PHILIPP LINKE

Titelangaben
Pokemon Tekken
Nintendo
seit dem 18. März exklusiv erhältlich für WiiU.
59,99€ UVP.

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

In Ungnade gefallen

Nächster Artikel

Die Banalität der Familie

Weitere Artikel der Kategorie »Digitale Spiele«

Ein BarCamp für Spielewissenschaftler

Digitales | Interview mit Researching games-Organisator Florian Berger Researching games 2011 ist das erste Barcamp der deutschen Computerspiele-Forschung. Als inoffizielle Gegenveranstaltung zu Recruitments und Messen der Industrie, zu Business- und Developer-Konferenzen wendet es sich besonders an den wissenschaftlichen Nachwuchs aller Disziplinen und versteht sich als Aufbruchsignal und Initialzünder für die Zukunft. RUDOLF INDERST unterhielt sich mit Organisator Florian Berger.

Sprechstunde bei Dr. Acula

Digitales | Games: Vampyr Nosferatu, Wiedergänger, die blassen Blutsauger am Halse der Jungfrau. Vampire haben einen langen Weg durch die Popkultur hinter sich. Von den gequälten Wesen der Stummfilmperiode über machtvolle Unsterbliche bis zum modernen Glitzer-Vampir im Volvo, der Mädchenherzen verzückt. In Videospielen sind Vampire zwar oft mit dabei, aber selten die Stars. Das aktuell erschienene ›Vampyr‹ ändert das. Zusammen mit einem Bündel Knoblauch schaut FLORIAN RUSTEBERG in den Sarg des Vampir-Genres.

Vor der Revolution

Digitales | Games: Fable 3 Fable 3 ist seit genau einem Monat nun auch für den PC erhältlich und gibt damit Gelegenheit, sich nochmal ein Spiel anzuschauen, das seit dem »Arabischen Frühling« kaum aktueller sein könnte. DENNIS KOGEL über Staatsgewalt, Tyrannei und Revolution.

Gartenarbeit mit Hiiiirrrn

Digitales | Games: Plants vs. Zombies: Garden Warfare 2 Wenn kämpferische Maiskolben zusammen mit Sonnenblumen und anderen Gewächsen gegen eine Zombiehorde antreten, dann ist das in der Videospielwelt beileibe nichts Sonderbares. FLORIAN RUSTEBERG hat bei ›Plants vs. Zombies: Garden Warfare 2‹ einen Blick auf die neuste Kampfrunde dieser ungewöhnlich gewöhnlichen Kontrahenten geworfen.

Herzlichen Glückwunsch, Du bist tot!

Digitale Spiele | ›Dungeons of Dredmor‹ Roguelikes? Sind das nicht diese Spiele, die furchtbar sind? »Nein, DENNIS KOGEL«, sagt ›Dungeons of Dredmor‹ »ich bin ein bisschen anders«. Aber nur ein bisschen. Und das reicht auch schon, um von »furchtbar« auf »furchtbar toll« zu kommen.