Comic | Koren Shadmi: Love Addict
Im Comic ›Love Addict‹ entwirft der junge Künstler Koren Shadmi ein ernüchterndes Porträt eines jungen Großstadtbewohners, der schnellen Sex via Dating-Portalen sucht – aber keine Liebe mehr findet. Von CHRISTIAN NEUBERT
Nach der Trennung von seiner Freundin hängt der 30-jährige, in Brooklyn lebende K. ziemlich durch. Dabei wartet auf ihn Sex. Sex mit schönen Frauen. Besser noch: Viel Sex mit vielen schönen Frauen. Ja, so einfach würde es gehen, erklärt ihm sein feierfreudiger Mitbewohner, der die Nächte dauerbegattend durchmatratzt. Wie? Ganz einfach: Mit einem Account bei der Dating-Plattform ›Lovebug‹.
Und so kommt es, wie es kommen muss: K. ist drin, hat sich ein Profil angelegt. Ein perfekt durchgestyltes natürlich, basierend auf statistisch erhobenen Parametern. Schließlich will man besser abschneiden als der Rest, besser dastehen als die anderen männlichen Mitbewerber um das Konsumgut der körperlichen Liebe. Denn darum nämlich geht´s. Und tatsächlich hat K. es bald wirklich raus, wie´s geht: Seine anfängliche Schüchternheit und seine Zurückhaltung bei den Treffen sind schnell abgelegt – und damit einhergehend auch seine Kleider: Schließlich sollen die Dates ja zu Sex führen. Zu schnellem Sex. Spätestens – also wirklich allerspätestens – beim zweiten Treffen muss was laufen.
Die Eskapaden eines Stadtnomaden
Und so begleitet man eben K. beim Aufreißen seiner Beischlaf-Beute, die ihrerseits auf der Jagd ist. Als Leser hangelt man sich mit ihm von Date zu Date, hechelt sich von Bett zu Bett. Er kommt sich als der große Verführer vor, verfeinert gemeinsam mit seinem Mitbewohner die angewandten Datingportal-Methoden – und stumpft zunehmend an. Er wird arrogant und oberflächlich, hört sich nur noch im Nebenher die Storys seiner Dates an. Doch die Damen danken es ihm – und liegen ihm umso mehr zu Füßen. Weniger werden es nicht, im Gegenteil: Schnell ist er ganz versunken in diesem Spiel. Er steckt so tief drin, er kommt kaum noch raus.
Denn plötzlich droht der lockere Umgang mit immer neuen Frauen zur Notwendigkeit zu werden. Was als Spaß beginnt, weicht bald einem routinierten Spiel – und dieses der Abhängigkeit. K. bemerkt selbst, wie er zunehmend abstumpft. Den Frauen gegenüber, aber auch seinem Körper. Denn sein Wollen wird zur Willkür, Lust schließlich zu bloßem Verlangen. Drastisch wird es, als er einmal fast gewalttätig wird – nur, weil die Gleichung »spontanes Treffen gleich einvernehmlicher Sex« nicht sofort aufgehen will.
Schnelle Nummer eins bis fünfundsiebzig
Dass die Moralkeule nicht wie ein Damoklesschwert über den erotischen Eskapaden schwebt, steht dem Comic gut. Vor allem jedoch sind es die Zeichnungen, die den Leser von ›Love Addict‹ während all der knappen Bettgeschichten an der Stange halten. Die zahlreichen Frauen, mit denen K. sich trifft, sind allesamt schön anzusehen. Shadmis Zeichenstift begegnet ihnen mit der gleichen Hingabe wie einst Robert Crumb. Dass K. eine seiner Dating-Bekanntschaften zu einer Crumb-Ausstellung ausführt, ist garantiert kein Zufall. Die Schraffurtechnik, mit der sich Schattierungen und Räumlichkeit darzustellen lassen und die Crumb wie kaum ein Zweiter beherrscht, findet bei ihm jedoch kaum Verwendung. Stattdessen setzt er auf eine flächige Kolorierung, die den Comic durch den vorwiegenden Einsatz von Orange- und Violetttönen in das unwirkliche Licht der nächtlichen Stadt taucht.Apropos unwirklich: Auch, wenn ihr Protagonist K. wahrscheinlich einiges mit seinem Urheber Koren Shadmis gemein hat, ist die Geschichte von ›Love Addict‹ fiktiv. Angesichts der Tinder-Realität, die sogar noch mehr auf Oberflächlichkeiten setzt, ist Shadmis Zeitgeist-Diagnose womöglich näher an der Wirklichkeit, als man glauben mag.
Titelangaben
Koren Shadmi: Love Addict
Aus dem Amerikanischen von Christopher Bünte
Köln: Egmont Graphic Novel 2016
224 Seiten, 24,99 Euro.
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