Grenzenlose Unfreiheit

Comic | Michael Barck (Text) / TeMeL (Zeichnungen): No Borders

Für die Freiheit, gegen das System: ›No Borders‹ ist ein dystopischer Comic in bunten Farben aus deutschen Landen. Er findet leichte Worte für ein schwieriges Thema – und lässt CHRISTIAN NEUBERT etwas zwiespältig zurück.

Barck Telmel No BordersEin Comic wie eine Parole: ›No Borders‹ ist ein dystopischer Comic über die Realität einer allgegenwärtigen, allumfassenden Überwachung – und insofern eigentlich keine Dystopie mehr. Schließlich wird die Gegenwart zunehmend von Szenarien eingeholt, die man noch vor wenigen Jahren als reine Fiktion abgetan hätte und die sogar Orwells ›1984‹ spotten.

›No Borders‹ erzählt von Ho Zhing, einem chinesischen Hacker. In seiner Heimat des Jahres 2040 ist die totale Kontrolle der Bevölkerung traurige Wahrheit. Installiert wurde sie infolge eines Terroranschlags. Zum Glück versteht Ho sein Hacker-Handwerk wie kein Zweiter: Mithilfe des Internets reist er in die Vergangenheit, um den Verlauf der Geschichte zu ändern.

Zeitreise durch das Internet

Sein Plan sieht dabei die Hilfe der deutsch-chinesischen Bloggerin Kat Wong vor, einer resoluten jungen Dame, die sich anno 2016 über Missstände empört und sich dadurch zur Staatsfeindin macht. Und die von Jill Edwards, einer tablettensüchtigen, wenig weitsichtigen NSA-Agentin, die ihren Dienst im Jahre 2023 schiebt. Daneben wird auch noch Jills kleine Schwester Molly eine Rolle spielen.

Der Comic ist referenzgespickt und deutlich von berühmten Sci-Fi-, Thriller- und Serienstoffen inspiriert. Eine tablettensüchtige NSA-Agentin? Da klingelt es natürlich bei HBO-Fans, während Outfits und Frisuren an farbenfrohe Lisbeth Salanders denken lassen. Die erzählerische Tiefe dieser Bezugsgrößen bleibt in ›No Borders‹ zwar unerreicht. Mit einem ambitionierten Werk hat man es aber dennoch zu tun.

Die Zeitreisegeschichte inszeniert sich zwar erwartungsgemäß etwas sprunghaft. Autor Michael Baarck versteht es aber, die sich sukzessive ergänzenden, sich nach und nach erschließenden Handlungsstränge zu einer spannenden Einheit zu verflechten. Zudem hat er sich bei den Dialogen viel Mühe gegeben, was den Band sehr lebendig macht. Dieser positive Eindruck wird zwischendurch zwar mit allzu platten Zeilen etwas getrübt. Begreift man ›No Borders‹ jedoch als Band, der aktuelle Missstände thematisiert und dabei eindeutig Stellung bezieht, gleichzeitig aber auf eine jugendliche Zielgruppe zugeschnitten sein möchte, dann schmälert das dieses Manko.

Durchaus stark – als Jugendbuch gelesen

›No Borders‹ ist eben zuallererst ein Comic für Jugendliche – und dabei einer von Fans für Fans. Das machen die popkulturellen Anleihen und nicht zuletzt auch die Zeichnungen deutlich, für die Illustratorin TeMel eine reiche Farbpalette bemüht und die sich stilistisch dem Manga verpflichtet fühlen. Indem TeMel dabei eine Tendenz Richtung frankobelgischer Übersichtlichkeit erkennen lässt, tragen ihre Bilder zudem eine eigene Handschrift.

In den Band sind übrigens Passwörter eingestreut, die dem Leser den Zugang zu Bonusmaterial auf der dem Comic zugehörigen Homepage eröffnen. Dort findet er Skizzenzeichnungen, verworfene Seiten oder Anekdoten zur Entstehungsgeschichte des Comics und zur Arbeitsweise von Zeichnerin TeMel. Oder Wallpapers für den eigenen Rechner.

| CHRISTIAN NEUBERT

Titelangaben
Michael Barck (Text) / TeMeL (Zeichnungen): No Borders
Nordhastedt: Epsilon-Verlag 2016
160 Seiten, 15 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe
| Homepage zum Comic

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Kaputt in Hollywood

Nächster Artikel

All Music Has Limits: July New Singles Reviewed

Weitere Artikel der Kategorie »Comic«

Ach, Hase

Comic | Mawil: Strand Safari Noch vor ›Wir können ja Freunde bleiben‹ hat der Berliner Mawil eine lange Comicerzählung geschaffen: ›Strand Safari‹. Sie wird jetzt in seinem Hausverlag neu aufgelegt und ist in den Augen von ANDREAS ALT weit mehr als ein Frühwerk.

»Seltsam? Aber so steht es geschrieben…«

Comic | Mennigen/Römling: Malcolm Max, Kapitel 1

Malcolm Max, ein Gruselkrimi in viktorianischem Ambiente, ist eine der seltenen Genre- Eigenproduktionen aus Deutschland, die handwerklich und stilistisch problemlos neben französischen Vorbildern bestehen können. Das überrascht, denn ihre Wurzeln reichen bis zu den trashigen Gespenster Geschichten des Bastei Verlages. BORIS KUNZ hat versucht, diesem Rätsel auf den Grund zu gehen.

»Tardi fühlt sich hier sehr wohl«

Interview | Internationaler Comic Salon Erlangen 2014: Gespräch über den anstehenden Internationalen Comic Salon Erlangen 2014 1984, vor 30 Jahren, fand der erste ›Internationale Comic Salon‹ in Erlangen statt. Die Biennale ist nicht nur das erste, sondern bis heute das größte und wichtigste Festival seiner Art im deutschsprachigen Raum, eine bunte Mischung aus Ausstellungen, Verlagsmesse und Comicbörse sowie vielfältiger Kulturveranstaltungen – und vor allem Treffpunkt der Szene. »Wir sehen uns in Erlangen«, heißt es regelmäßig unter Comicliebhabern, Sammlern, Verlegern und Künstlern, auch aus dem benachbarten Ausland und den Comiczentren USA und Japan. Was die Macher in diesem Jahr – vom

Im Outback ist die Hölle los

Comic | Zidrou/Springer: Dickmadam, die lachte Der Comic ›Dickmadam, die lachte‹ führt auf eine einsame Straußenfarm im australischen Outback. Der Tod kennt dort sehr wohl eine Wiederkehr, wie ein Killer erleben muss, dessen Opfer seinem Schicksal trotzt – indem es nicht totzukriegen ist. CHRISTIAN NEUBERT wurde Zeuge der mit grimmigem Humor erzählten Blutbad-Ballade.

Reise zum anderen Ich

Comic | Lina Ehrentraut: Melek + Ich

Zu einer Dimensionsreise der etwas anderen Art lädt Lina Ehrentrauts ›Melek + Ich‹ ein. Der beim Zürcher Verlag Edition Moderne erschienene Comic verquickt Science-Fiction mit einer queeren Lovestory – und verlegt diese großteils in eine Bar. Von CHRISTIAN NEUBERT