Bühne | rastetter&wacker: MÄNNER.REIFEN im Sandkorn-Theater Karlsruhe
»Frauen werden älter, Männer reifen« – das spricht der Volksmund. Falten machen die Frau älter. Der Mann betont erst durch die grauen Schläfen und das weiße Haar sein Erwachsen-Sein und seine Beständigkeit im Leben. „Denkst’e“, könnte man nach dem Beisein bei einer Kabarett-Show von rastetter & wacker da nur sagen. Von JENNIFER WARZECHA
Das Stück und die Fortsetzung der in den vergangenen Jahren unter den Titeln ›MÄNNER.LEIDEN‹ und ›MÄNNER.GRILLEN‹ unter der Regie von Steffi Lackner fortgeführten Reihe heißt nun ›MÄNNER.REIFEN.‹ Nach dem rund zweistündigen Theaterabend stellt man das als Zuschauerin mal wieder infrage – bringen die Protagonisten doch die großen Geschlechterfragen und Probleme untereinander fast allesamt auf einen Punkt.
Erik Rastetter (alias Freddy Schmitt) und der ›Badener des Jahres 2016‹, Journalist, Moderator, Entrepreneur und Leader des imposanten 300. Karlsruher Stadtgeburtstag, ka300, Martin Wacker (alias Otto Schmid) arbeiten bereits seit Ende der 1980er Jahre zusammen. Sie verfügen über viele Gemeinsamkeiten wie der Schwärmerei für Laurel & Hardy und Heinz Erhardt. Charakterlich von ihrer Rolle und deren Ausführung her sind sie dennoch grundverschieden. Zwischen dem sachlichen, bürokratischen und oft pedantischen Möchtegern-Chef und badisch-gemütlichem, Dialekt sprechendem Gegenüber ergibt sich ein spannungsgeladener, im wahrsten Sinne des Wortes komischer und gegensätzlicher, komödiantischer Dialog. Gerade dadurch verhilft es aber dem einen oder anderen Zuschauer zu einem herzhaften Lacher – manche kringeln sich gar schier vor Lachen. Zum Beispiel, wenn beide ihre frauliche Seite zeigen und sich aus Angst vor Falten und dem Problem der Bauch-Beine-Po-Proportionen entsprechende Speckfalten mit Folie abwickeln – und dabei recht gequält dreinblicken.Hin-und-her-gerissen zwischen dem Empfinden der beiden Geschlechter
So in etwa stellt man sich auch den Gang von Mann oder Frau zum Schönheitschirurgen vor. Im anderen Fall propagieren beide ihre Männlichkeit, indem Rastetter ein Buch von Wacker schnappt, auf dass er einen Apfel drapiert und im Sinne einer entsprechenden Szene von Goethes ›Götz von Berlichingen‹ wegzuschießen vermeint. »Typisch männlich« ist die Szene, bereits nach der Pause, in der Wacker eine ausrangierte Autotür in der Hand hält und betont: »Wer den größten [Penis] hat, fährt das kleinste Auto“, und umgekehrt. Aber auch die Frauen werden aufs Korn genommen. Beide sitzen in entsprechenden, recht altmodisch wirkenden, Kleidern und mit Perücken auf ausrangierten Sesseln der kvv-Straßenbahnen auf der Bühne. Beide sprechen über die jeweils schwache Prostata, den agilen oder nicht – agilen Mann mit schwacher Blase, der nun fast notwendigerweise seinen Ersatz einfordert. Rastetter – bzw. die weibliche Version davon – erwähnt nebenbei, dass sie genau an diesem Tage »sturmfrei« habe und sich einen Neuen suche. Wacker bzw. Otto Schmid runzelt die Stirn und schmunzelt: »So eine sind Sie!«
Immer wieder ist auch der badische Einfluss der Landessprache zu spüren. Wacker kommt mit einer Perücke einer Putzdame auf dem Kopf zum Beispiel auf einmal als badischer Ministerpräsident Winfried Kretschmann auf die Bühne und bringt eine Revenge auf Kanzlerin Merkel, das Land Baden-Württemberg und Co. daher. Als weiteres Zeichen seiner Weltherrschaft streitet Wacker mit Rastetter alias Putin genau darüber.Charmant und unverbesserlich: Männer
Zur Erheiterung trägt in verschiedenen Rollen der Dritte im Gespann, Boris F. Ott, immer wieder bei – sei es als Flüchtling Ali bzw. »Rebell ohne Führerschein« oder als Power-Politesse Ursula Kroppmann, mit Minirock und Langhaar-Perücke. Letztere mokiert sich immer wieder über das unreife Verhalten der beiden Herren und ruft sie zur Disziplin. Vergeblich – denn beide vollführen nur die männlichen Seilschaften live auf der Bühne, unterstrichen von Gelächter und begeistertem Klatschen. Am Ende schreiten alle drei von dannen – denn Ali – jetzt ohne Perücke – ist nun »selbstbewusst und vorbildhaft« wie alle drei gemeinsam. Vorbildhaft ist auch die Auseinandersetzung damit, wie Männer einfach so sind: Ewig unerwachsen, in den entscheidenden Punkten manchmal reif und einfach unersetzlich.
| JENNIFER WARZECHA
| Fotos: ONUK / Sandkorn Theater
Titelangaben
MÄNNER.REIFEN
Kabarett-Show von und mit Erik Rastetter und Martin Wacker
Sandkorn-Theater Karlsruhe
Termine
Sonntag, 02.10.16, 19:00 Uhr
Samstag, 29.10.16, 20:15 Uhr
Freitag, 04.11.16, 20:15 Uhr
Samstag, 05.11.16, 20:15 Uhr
Samstag, 12.11.16, 20:15 Uhr
Freitag, 18.11.16, 20:15 Uhr
Samstag, 26.11.16, 20:15 Uhr