Comic | Stjepan Sejic Sonnenstein Bd. 1 + 2
Als selbsterklärter BDSM-Comic ist ›Sonnenstein‹ wohl eher ein Klaps auf den Po als harte Fetisch-Kost. Fesseln kann das natürlich trotzdem, aber tut´s das? CHRISTIAN NEUBERT hat die ersten beiden Sammelbände mal so richtig rangenommen.
›Death Vigil‹, ›Ravine‹, ›Aphrodite‹, ›Witchblade‹: Stjepan Seijc ist ein vielgebuchter Zeichner der US Comic-Industrie. Irgendwann jedoch ist er ausgebrannt von seiner Arbeit – und kuriert sich selbst, indem er ein altes, zugunsten seiner Auftragsarbeiten auf Eis gelegtes Projekt aufgreift: Die Arbeit an einem erotischen Fetisch-Comic. BDSM, Latex, junge Damen in Fesseln, solche Sachen. Was dann ein episodenhafter Web-Comic werden sollte, wächst zur fortlaufenden, in Printform erscheinenden Reihe ›Sonnenstein‹. Zwei Sammelbände liegen bei Panini inzwischen in deutscher Übersetzung vor.
Ein Comic in Latex-Hochglanz
Als BDSM-Comic steht ›Sonnenstein‹ nicht etwa den vielen Erzeugnissen des Sex-Trends innerhalb der subversiven Comic-Erneuerung in den Siebzigern nahe, in der das Bild der gefesselten Frau ein beliebtes war. Sein Autor Sejic setzt dennoch auf einen voyeuristischen Blick. Allerdings lässt er ›Sonnenstein‹ als eine Art wohlig-romantischen Gegenentwurf zur stilisierten, graphisch cleanen Distanziertheit von Werken, wie sie z.B. Crepax schuf, scheinen.
›Sonnenschein‹ ist, auch entgegen der verschlossen-kühlen Keller-Ästhetik des breitentauglich abstoßenden BDSM-Abziehbilds, eher warmherzig und zugänglich, einhergehend mit einer Fetischisierung der Figuren im aufpolierten Lichtschein-Look der Videospielästhetik. Als bekömmliche Projektionsfläche popkulturell genährter Triebfantasien kommt seine Inszenierung ohne ausbeuterisches Draufhalten aus. Nur dann und wann führt er eindeutige Bilder vor, wobei es ihm nicht etwa um eine Erotik des Angedeuteten geht. Vielmehr geht es ihm darum, die Leser bei der Love Story, als die sich ›Sonnenstein‹ dann doch schnell entpuppt, bei der Stange zu halten.
›Sonnenstein‹ zeichnet in Daily-Soap-hafter Folge die Alltagsdramen von Lisa und Ally nach, zwei anmutige junge Damen, die eine devot, die andere dominant. Ein Schloss Lahnstein oder das Dörfchen Lansing gibt es nicht. Dafür bezieht der Comic seine kleinen und großen Konflikte aus dem schummrig ausgeleuchteten Lifestyle der beiden Frauen und ihrer Freunde von der BDSM-Szene einer nerdig-urbanen Halbwelt. Irgendeine Großstadt, in der sie sich auf der Suche nach Möglichkeiten über das Ausleben ihrer sexuellen Fantasien begegnen, zunächst natürlich im Netz. Sie verstehen und gefallen sich, sind freudig erregt. Sich wollen sich treffen, sind aufgeregt. Sie treffen sich, begegnen einander, die Aufregung steigt, ja, ist das denn die Möglichkeit. Und dann irgendwann, nach ein paar Dutzend Seiten, fällt mit dem Blick ins Schlafzimmer die Klappe.
Gerne öfter mal den Knebel
›Sunstone‹ verrät nicht gerade viel, weder über seine Protagonisten noch über BDSM. Gleichzeitig ist er ein sehr redseliger Comic. Er stellt seine Figuren als verschworene Gemeinde dar, als coole Outsider, die gegen den Strom schwimmen. Ihre Liebesspiele erleben sie irgendwie ergänzend zu den Rollen, die sie in Online-Computerspielen tragen. Und zu dem Maskenspiel des Alltags. Am Feierabend. Wie sich das gehört. Weil man ist ja gar nicht so krass. Nur anders.
Mit den berühmten (Eric Stanton) und berüchtigten (Georges Pichard) BDSM-Comics hat das nicht viel gemein, eher schon mit der ebenfalls bei Panini verlegten Reihe ›Maka-Maka‹ – und das nicht einmal in erster Linie aufgrund der mangaesken Unschuldsminen seiner Heldinnen. Sowohl ›Maka-Maka‹ als auch ›Sonnenstein‹ handelt von jungen Frauenfiguren, die irgendwo irgendwelche hippen Berufe ausüben, wurscht eigentlich, wie und was – Hauptsache sie bumsen, und lassen uns zuschauen. Genau das erlaubt ›Sonnenstein‹ jedoch nur am Rande, weswegen hier das Geschwätzige des Daily-Soap-Schemas deutlich im Vordergrund steht.
Da passen dann auch die Zeichnungen: Der optische Fokus liegt bei ›Sonnenstein‹ klar auf den Figuren. Gerade bei den Gesichtsausdrücken und den spiegelglatten Hautoberflächen seiner Heldinnen gibt sich Sejic große Mühe. Dennoch schaut das Artwork so mancher Seite ziemlich gehetzt aus, wobei rotstichige Flächen meist den einzigen Background bilden. Aber so ist das eben: Bei Daily Soaps hat man weder Zeit noch Budget für opulente Set Designs. Und so muss man ›Sonnenstein‹ dann eben auch lesen. Als Daily Soap in Lack und Leder. Dann geht das schon, wenngleich auch manchmal unter Schmerzen.
Titelangaben
Stjepan Sejic: Sonnenstein. Band 1 und Band 2
Aus dem Amerikanischen von Sandra Kentopf
Stuttgart: Panini 2015 (Band 1) / 2016 (Band 2)
Je 132 Seiten, je 24,99 Euro
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