/

Vierte Ausfahrt

TITEL Textfeld | Verena Stegemann: Vierte Ausfahrt

Ich liebe dieses grüne Haus im Nachbarort.
Wenn ich das passiere, wird langsam die Sitzheizung warm.
Glücklich die, die nie flüchten mußten, vor sich selbst, ihrer Zerrissenheit, dem Mangel an einem sinnerfüllten, inneren Ort.

Liebe kommt, Liebe geht, wie die Flöhe im Interrailer-Rucksack, wie die Sommer, die fast dreißig, die vorbeiziehen und im Vorbeirennen Tau aus to-go cups schlürfen.

Manchmal besuche ich fremde Friedhöfe und stelle mich vor irgend ein x-beliebiges Grab und kann meine Lethargie-Traurigkeits-Fresse dort Gassi führen. Das hat was von Betrug und Nervenkitzel. Sich ein Grab ausleihen um fehlgeleitete Emotionen rauszulassen… tz tz tz.. fühlt sich irgendwie verboten an. Und siehe dann da: Selbst Friedhöfe sind Reviere; die auf dem Land zumindest, kleine Gehege, und irgendwann finde ich mich umzingelt von misstrauischen Rentnerblicken, die mich mustern und taxieren. Ich strahle so etwas unglaublich Undurchschaubares aus, dass es die Rentner ganz wuschig macht.

Aber was erwarte ich. Ich bin lustig, aber keiner traut mir das zu.
»Den Kreisverkehr an der vierten Ampel verlassen«
ist wohl
die liebevollste Formulierung für
Dein Weg hat kein Ziel
Am besten zurückfahren
Soweit, bis du wieder im Bauch deiner Mutter bist

(Nur dein Hintern, wow, der ist heiß, heiß, heiß.)

| VERENA STEGEMANN

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Sounds From The Last Raw Era: New Album Reviews

Nächster Artikel

Lebenserhaltende Maßnahmen

Weitere Artikel der Kategorie »Lyrik«

Nimm und lies

Lyrik | Martina Weber: Erinnerungen an einen Rohstoff Martina Weber, Jahrgang ’66, Lyrikerin, Juristin. Heinrich-Vetter-Preis, Georg-K.-Glaser-Förderpreis, Frankfurter Autorenstipendium. Zahlreiche Veröffentlichungen von Lyrik in renommierten Zeitschriften und Anthologien. Verfasserin eines Standardwerks zum Schreiben und Vermarkten von Lyrik. Erinnerung an einen Rohstoff ist ihr erster Gedichtband (Poetenladen, Leipzig, 2013). Von CHRISTOPH SCHWARZ

Von Tieren und Menschen und Tieren im Menschen

Lyrik | Mikael Vogel: Massenhaft Tiere Jahrtausendelang hat die Menschheit mit Tieren unter einem Himmel und unter einem Dach zusammengelebt. Seit den Fortschritten der Industrialisierung und Automatisierung, die einhergingen mit dem dschungelhaften Wachstum der Städte, gerät diese intime Beziehung zwischen Mensch und Tier immer mehr in den Hintergrund. Von MATTHIAS FALLENSTEIN

Drei Gedichte

Lyrik | Peter Engel: Drei Gedichte Bestandsaufnahme Die Scheibe hat einen Sprung, schwarz hängt ein Spinnwebfaden von der Decke und dreht sich, Strahlen befingern den Teppich, als suchten sie nach mir.

Offenes Gewässer

Lyrik | Christian Saalberg: Vor dem Portal VOR DEM PORTAL sitzen Bettler mit ausgestreckten       Händen, die sie langsam sinken lassen. Vorsichtig steigen die Vögel von den Bäumen, eine       Laterne in der Hand, um nicht zu stolpern. So kann es einem ergehen, wenn man jeden Morgen       das Haus durch die falsche Tür verläßt.

Bilder, die ich nie malen werde, hämmern mit ihren Fragezeichen an meine Schläfen

Lyrik | Klára Hůrková: Gehege mit Magnolien

Die Dichterin, Malerin, Philosophin und Lehrerin Klára Hůrková ist in der tschechischen, deutschen und englischen Sprache zu Hause. Ebenfalls ist sie international vernetzt und hat drei deutsch-tschechische Anthologien herausgebracht. Die weitgereiste Autorin wuchs in Prag auf, bevor sie 1989 nach Belgien emigrierte und schließlich nach Aachen kam. Diesen sehr weiten Horizont besitzen auch Ihre Gedichte, die sie in ihrem neuen Band Gehege mit Magnolien vorgelegt hat, der in diesem Jahr im POP-Verlag Ludwigsburg erschien. Der Band ist in fünf Kapitel unterteilt und enthält eine Vielzahl beeindruckender Gemälde der Autorin und Malerin, der ihn allein dadurch schon zu einem optischen Erlebnis werden lässt. Von HARTWIG MAURITZ