Lyrik | Christian Saalberg: Vor dem Portal
VOR DEM PORTAL sitzen Bettler mit ausgestreckten
Händen, die sie langsam sinken lassen.
Vorsichtig steigen die Vögel von den Bäumen, eine
Laterne in der Hand, um nicht zu stolpern.
So kann es einem ergehen, wenn man jeden Morgen
das Haus durch die falsche Tür verläßt.
Dann gibt es noch die Nacht, gegen die man sich
nicht wehren kann.
Sie kommt, wann sie will, räumt ohne großes
Federlesen die Felder ab und nimmt mit der
Linken Hand auch das Kirchlein mit, das ich
eben noch bedichtet habe.
Was kann man tun?
Die Sonne hat ihr Augenlicht verloren und das Licht
ist mit dem letzten Zug davongefahren.
IN AUSÜBUNG MEINES POETISCHEN DIENSTES
sperrte ich eines Tages alle Reime in einen Käfig.
Sie waren entzückt und verzehrten Nachtfalter, die sie lange
nicht mehr gesehen hatten.
Es gab Vögel, die zu Pferde kamen, um sich diese
wunderbaren Wesen anzuschauen.
(Die Carabinieri wiesen ihnen mit großem Stolz den Weg).
Jetzt komme ich herunter, treibe mich mit den
Dorfschönheiten herum, trinke Landwein und pfeif
Auf dieses Gedicht.
Entnommen aus
Christian Saalberg: Offenes Gewässer. Gedichte
Springe: zuKlampen 2005
144 Seiten, 18 Euro