Back in the timeline. Das Jahr 1967 in der Musik- und Kulturgeschichte

Musik | The Beatles: Reissue ›Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band‹

Vor 50 Jahren lieferten The Beatles, The Stones. The Doors Hits ab, aber auch The Monkees, The Supremes, Bobbie Gentry, Aretha Franklin. Um nur besonders Namhafte genannt zu haben. 1967 veröffentlichten auch Rock-Musiker wie Jimi Hendrix, Janis Joplin und Velvet Underground & Nico. Jede Nachfolgegeneration nahm Musik aus diesem Jahr wichtig. Ein Rückblick von TINA KAROLINA STAUNER

beatles sgt pepperVor 50 Jahren fand das legendäre Monterey Pop Festival statt mit Big Brother and the Holding Company, Jimi Hendrix Experience, Otis Redding. Soul, Rock und Folk wurden populär. Bob Dylan und Neil Young nahmen Platten auf mit ihren Formationen Buffalo Springfield und The Band. Es gab eine Art amerikanische Durchdringung der Welt auch durch Musik.

»Summer Of Love« und »Das Ende der Utopie«

Vor 50 Jahren sprach man vom »Summer of Love«, den Hippies, aber andererseits auch von »Pop and Politics«: Willy Brandt wurde Außenminister, Rudi Dutschke gründete eine »Kritische Universität«, Martin Luther King hielt an Weihnachten in der Riverside Church in New York eine Ansprache, der Arzt und Autor Che Guevara starb. In der Literatur ist es das Jahr, nachdem Jack Kerouac ›Satori in Paris‹ veröffentlichte, von Allen Ginsberg gab es die ›Planet News‹. Rolf Dieter Brinkmann brachte ›Was fraglich ist wofür. Gedichte.‹ heraus.

Weltpolitisch war es auch die Zeit des Vietnamkrieges, die Phase der US-Bürgerrechtsbewegung nach dem Voting Rights Act, die Tage vor dem Prager Frühling, die Zeit der Studentenunruhen in Europa, die zu Ostermärschen und Friedensbewegung führten, Herbert Marcuse hielt in Berlin an der Universität seinen Vortrag ›Das Ende der Utopie‹. Dies als einige gesellschaftliche und kulturelle fragmentarische Fakten. Im sozialen und politischen Gefüge der USA wurde von Rissen gesprochen. Nach dem Jahr 1967 begann der amerikanische Traum zu zersplittern.

Deutscher Krautrock und Konzeptkunst, amerikanische Pop-Art und Blues-Rock

Vor 50 Jahren wurden in Deutschland Krautrock und elektronische Musik gegründet. Amon Düül formierte sich in München und spielte improvisierten Anti-Rock. Anti-Kriegsproteste wurden relevant. Für manche spielte nur Pop-Musik eine Rolle und ›All you need is love, love is all you need‹. Andere sahen das Ganze umfassender und literarisch, künstlerisch, philosophisch, politisch und wissenschaftlich. Das Jahr 1967 ist immer noch in Ästhetik, Kunst- und Kulturwissenschaft ein markanter Meilenstein. Pop Art, Happening, Fluxus, Konzeptkunst und Amerikanischer Expressionismus begannen, sich damals auch in Deutschland durchzusetzen.

Viele, auch ich in der Nachfolgegeneration, fokussierten das Jahr 1967 als Musikkultur und kulturwissenschaftlichen Punkt auf der Karte von Jugend an. Noch in Sommertagen weit in den 70er Jahren wurden Songs von Janis Joplin aufgelegt. ›Big Brother and the Holding company featuring Janis Joplin‹ und‹Down on me‹ gehörte dazu. Zeilen wie » Believe in your brother / Have faith in man / Help each other, honey, if you can / Because it looks like everybody in this whole round world Is down on me…« (›Down On Me‹) hatte die Blues-orientierte Joplin mit auf den Weg gegeben.

Britisches Song-Kaleidoskop ›Sgt. Pepper‹

Vor 50 Jahren wurde ›Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band‹ von den Beatles veröffentlicht und manche Songs dieses Albums blieben Thema und waren dann weiter auf dem Blauen Album zu finden: ›A Day In The Life‹ spannt einen Bogen von Schrecklichem wie einem Unfall, einem Film über Krieg zu banal Alltäglichem: »Found my coat and grabbed my hat / Made the bus in seconds flat / Found my way upstairs and had a smoke / And somebody spoke and I went into a dream…« Aufgenommen wurde in den Londoner Abbey Road Studios. Ein Song-Kaleidoskop und intellektualisierter Pop-Mix: Alice im Wunderland, Psychedelic und Surrealismus. Lebensfreude und rockige Pop-Perlen, strange Sitarklänge, britischer Beat- Sound, Bläsersätze …

»The Beatles destroyed Rock ’n‘ Roll«, heißt es. John Lennon: Gitarre und Gesang, Paul McCartney: Bass und Gesang, George Harrison: Gitarre und Gesang, Ringo Starr: Schlagzeug und Gesang. Außerdem: Bongos, Klavier, Orgel, Conga, Melotron, Harmonium, Tamburin, Pauke, Mundharmonika, Tambura, Maracas, Svaramandal, Sitar, Harfe, Cello, Bratsche, Geige, Kontrabass, Trompete, Klarinette, Posaune, Saxofon, Waldhorn, Oboe, Fagott, Flöte, Waldhorn, Tuba, Röhrenglocken, Handglocke und mit dabei diverse Gastmusiker. Produzent war George Martin. Die Cover-Art zeigt eine Gruppenbild-Montage mit Blumen und bunten Fantasie-Uniformen. The Beatles in Gemeinschaft mit 70 Persönlichkeiten aus aller Welt. Es soll neue freie Menschen zeigen im Sinne von Timothy Leary. Doch das ist ein komplexes Thema in einem umstrittenen Diskurs. John Lennon war Friedensaktivist. Wurde aber nur 40 Jahre alt. Georg Harrison lebte 58 Jahre. Paul McCartney und Ringo Starr abeiten immer noch weiter.

Vor 50 Jahren wurden in der Musikgeschichte unverkennbare Songs geschaffen, die in der ganzen Weltkultur bedeutend wurden.

| TINA KAROLINA STAUNER

Beatles:
Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band (1967)
Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band super deluxe edition (EMI, 2017)

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Knollennasen und gebrochene Identitäten

Nächster Artikel

Eine menschliche Dimension

Weitere Artikel der Kategorie »Platte«

Keine Atempause – Musik aus Düsseldorf

Kulturbuch | Musik | S.Dreyer, M. Wenzel, T. Stelzmann: Keine Atempause – Musik aus Düsseldorf Wenn ich heute an meine Kindheit zurückdenke, so erinnere ich mich vor allem daran, abends zusammen mit meiner um fünf Jahre älteren Schwester auf dem Boden zu sitzen, Canasta zu spielen und dabei Platten zu hören. Beinahe das ganze Jahr 1977 lang waren dies allabendlich nur zwei Schallplatten im Wechsel: Low von Bowie und Trans Europe Express von Kraftwerk. Seitdem ist mir die Musik der selbsternannten Musikarbeiter aus Düsseldorf ans Herz gewachsen. STEFAN HEUER über das neu erschienene Musikbuch Keine Atempause – Musik aus Düsseldorf

Folkdays… Spirituelles Feeling und Blues-Roots

Musik | Valerie June: ›The Order Of Time‹ Wenn bei Valerie Junes Songwriter-Stil vom Vermischen oder Verwischen der Genres und Dekaden gesprochen wird, die im Folk, Blues, Country, Bluegrass, Rhythm ’n‘ Blues, Soul und Pop liegen, ist ihr Americana doch eigentlich so unpuristisch nicht und ziemlich Blues-lastig. Von TINA KAROLINA STAUNER

Einfach weniger als mehr

Musik | Bill Frisell und Thomas Morgan: Small Town Am Jahresende mal jedem Stress und jeder Hektik entfliehen: Vielleicht in Kleinstädtisches und aufs Land mit Bill Frisell und Thomas Morgan. Jazziges und Country-Bluesiges in Sounds aus kontemplativen Gitarrenlinien und Gitarrenflächen in atmosphärischen Soundlandschaften. Von TINA KAROLINA STAUNER

Music From The Margins: New Albums Reviewed

Music | Bittles’ Magazine: The music column from the end of the world Usually when I am sitting on the street with my placard reading ‘I write about music for a living, please give generously’ people will take pity and throw a few coins in my lap. The other day though, someone took umbrage at my sign, demanding that I follow them home. After a hearty meal of pot noodle and chips he insisted that I watch coverage of the BBC Radio 1 Big Weekend Festival. 20 minutes of charmless pop later he switched the TV off, turned towards me

Begräbnis-Pop und die heilige Stromgitarre

Musik | Toms Plattencheck »Es war entsetzlich kalt; es schneite, und der Abend dunkelte bereits; es war der letzte Abend im Jahre, Silvesterabend. In dieser Kälte und in dieser Finsternis ging auf der Straße ein kleines, armes Mädchen mit bloßem Kopfe und nackten Füßen.« So beginnt die märchenhafte Kurzerzählung ›Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern‹ von Hans-Christian Andersen. Und wo bleibt jetzt die Musik? Von TOM ASAM