Comic | Rundgang übers Comicfestival München
Über den interessantesten Aspekt des Comicfestivals München, das übers Vatertagswochenende in der Alten Kongresshalle stattfand, können nur Mutmaßungen angestellt werden: Gleichzeitig ging die erste Münchner German Comic Con über die Bühne, und es stellt sich die Frage: Welche Wechselwirkungen gab es zwischen beiden Veranstaltungen? ANDREAS ALT hatte zunächst vor, sich auch beim Con in Freimann umzusehen, entschied sich dann aber, beim Comicfestival zu bleiben.
Es konnte in der Großstadt, wie man das schon kennt, keine dominierende Rolle spielen, litt teilweise auch unter Organisationsmängeln, bestach insgesamt jedoch durch eine angenehme, entspannte Atmosphäre.
Die Alte Kongresshalle ist schon für sich genommen eine charmante Location. Umgeben von einem Park, flankiert vom Augustiner-Biergarten, der zentrale Saal und die umgebenden Veranstaltungsräume mit einer Patina des Altehrwürdigen überzogen – das hat schon was. Dabei ist das Gebäude allgemein gut in Schuss und alles andere als eine Bruchbude. Es gibt auch einen großzügigen Vorplatz, der bei durchgehend schönem Wetter einlud, sich dort in einem der bereitgestellten Liegestühle oder auf einem Mäuerchen niederzulassen und gleich einen der frisch erworbenen Comicbände durchzuschmökern.
Von Ausstellern war allerdings zu erfahren, dass es in der Kongresshalle an manchem mangelte. Sie war eben nie als Messehalle gedacht. So fehlten an vielen Ständen Stromanschlüsse. Hätte das Haus-Stromnetz das nicht hergegeben, oder haben die Veranstalter schlicht versäumt, Verlängerungskabel und Mehrfachstecker bereitzustellen? Auch an W-LAN haperte es. Es ging nur über Kennwort, und das wurde, wie zu hören war, nur ungern herausgegeben.
Platz in der Kongresshalle ist erschöpft
Als das Comicfestival 2015 zum ersten Mal an diesem Ort stattfand, hatte ein Teil der kleineren Verlage die Messe boykottiert, weil sie sich zwei Jahre zuvor in abgelegene Dachräume in der Stuck-Villa abgeschoben gefühlt hatten. Einige von ihnen waren jetzt wieder dabei. Es schien, als ob der Platz in der Kongresshalle damit nun erschöpft sei. Man konnte aber auch hören, an der Besetzung der Räume habe sich im Vergleich zu 2015 im Wesentlichen nichts geändert. Sollte die Messe noch ein Stück wachsen, wäre das Gebäude jedoch tatsächlich zu klein.
Ein Großstadtproblem ist, dass andere Veranstaltungsorte vom Festivalzentrum recht weit entfernt sind. Das betraf vor allem die Ausstellungen. Man musste S- oder U-Bahn nehmen, um sich etwa die ›Eternauta‹ im Instituto Cervantes oder ›50 Jahre MAD‹ im Valentin-Karlstadt-Musäum oder die Werkschau von Denis Kitchen im Amerikahaus anzusehen. Für Münchner mag das kein Problem sein, für einen Auswärtigen ist das ohne nähere Hinweise im Programmheft schon etwas beschwerlich. Die Comicbörse in der Ton-Halle (am anderen Ende der Innenstadt) litt, vermutlich aus demselben Grund, offenbar unter starkem Besuchermangel. Noch mühsamer wäre es gewesen, zwischen Comicfestival und Comic Con hin und her zu pendeln.
Im Comicguide-Forum hieß es über die Comic Con: »Mal sehen, ob es eine nächste Veranstaltung in München geben wird. Dass die Veranstaltung parallel zum Comicfestival und einer Börse am Samstag stattgefunden hat, sollte wohl für den Veranstalter ein ›Anreiz‹ sein, dort vorbeizusehen. Ist aber voll in die Hose gegangen und hat allen Veranstaltungen Besucher weggenommen.«
Die Stargäste mögen das Festival
Die Stargäste beim Comicfestival waren zum Teil alte Bekannte. Der in der US-Comicindustrie etablierte Tomas Bunk war vor zwei Jahren schon mal da, ebenso Undergroundstar Denis Kitchen, der Berliner Comiczeichner und Comedian Fil, der moderierende Journalist Paul Gravett, der comicliebende Filmstar Hansi Kraus und auch Klaus Voormann, der legendäre Schöpfer des Covers der Beatles-LP ›Revolver‹. Es spricht dafür, dass sie das Festival mögen. Und es ist nicht so, dass man sie nicht gern noch einmal getroffen hätte.
Das Veranstaltungsprogramm wirkte insgesamt nicht allzu reichhaltig. In der Kongresshalle gab es zwei Veranstaltungsräume, und in jedem fanden täglich etwa fünf bis sechs Präsentationen, Lesungen, Diskussionen oder Vorträge statt. Hinzu kamen einzelne Veranstaltungen in den externen Räumen in der Stadt, etwa im Bier- und Oktoberfestmuseum beim Viktualienmarkt. Wenig vertreten im Programm war die Manga- und Anime-Szene. Die auftretenden Manga-Fans und -Künstler(innen) sahen sich überwiegend als aufgeschlossen für die traditionellen, westlichen Comics. Für eingefleischte Mangafans fehlten Programmangebote.
Es gab wohl kaum jemanden, der – wie oft bei anderen Festivals – mit hängender Zunge von Termin zu Termin hetzte. Man konnte sich in der und in der Umgebung der Kongresshalle gut aufhalten, ein Bier trinken gehen und sich mit Bekannten unterhalten oder sich einfach einige Zeit in die Sonne setzen. Und dann konnte man wieder auf das Festival zurückkehren. Natürlich nutzte jeder Besucher die Zeit auf seine eigene Weise, aber es ergab sich eine lockere, entspannte Stimmung, die dem Festival insgesamt guttat.
Statt zehn Comic-Künstlern waren nur sechs da
Wenn man eine Lesung oder Diskussion besuchte, merkte man freilich hier und da, dass die Veranstaltung schlecht vorbereitet war. Mal kamen nicht alle Mitwirkenden, mal wussten auch die Beteiligten nicht, wie die Veranstaltung ablaufen sollte, mitunter war es den Teilnehmern völlig überlassen, wie sie diese gestalten wollten. Andererseits hat der Autor keine Veranstaltung erlebt, die deshalb missglückte oder im Chaos unterging. Wo Freiräume blieben, wurden sie kreativ gefüllt, etwa beim ›Offenen Dialog Manga-Comic‹ oder bei ›Zehn Comic-Künstler präsentieren sich‹ (es waren dann nur sechs).
Positiv fielen die Zeichenkurse und Comicworkshops auf. An ihnen nahmen viele Jugendliche teil, also Menschen, die sich nicht mehr unbedingt für Comics begeistern. Einige Teilnehmer sagten jedoch übereinstimmend, die Zeichenübungen hätten sie nun auf den Geschmack gebracht. Das heißt, ob es künftig noch ein ausreichendes Lesepublikum für Comics gibt, bleibt unsicher, aber an Comiczeichnern dürfte es nicht mangeln.
Alles in allem fehlte es beim Comicfestival an Ausschilderung, an Informationen für Besucher, und die Ausstellungen, die der Autor gesehen hat, waren nicht besonders gut konzipiert und aufbereitet. Organisationspannen wurden schon erwähnt. Diese Dinge sollen aber nicht aufgezählt werden, um nachzuweisen, dass das Comicfestival gescheitert ist. Es war ein wenig wie eine Party, bei der der Gastgeber fehlt, die Gäste aber entschlossen sind, sich trotzdem zu amüsieren. Eine Ausstellerin meinte jedoch am Ende, es fehle ein Lokal, wo sich die Szene nach Schließung des Festivals am Abend treffen könne. Daran herrscht auf der Schwanthaler Höhe, einem typischen Wohnviertel, tatsächlich Mangel. Die Klage klingt eigentlich wie ein verstecktes Kompliment.
Wie sieht die Zukunft des Comicfestivals München aus? Es wäre gut, wenn es in der Alten Kongresshalle bleiben würde. Wägt man Vor- und Nachteile ab, dann wäre festzuhalten: Es fehlen Entfaltungsmöglichkeiten, und vor allem auswärtiges Publikum bräuchte mehr organisatorische Hilfe, aber die Besucher können sich dort wohlfühlen. In derselben Liga wie der Comic Salon Erlangen spielt das Festival hier auch künftig sicher nicht, aber es kann als familiäres, persönliches Fantreffen punkten. Die Frage ist nur: Kann sich München mit dieser Rolle identifizieren?
| TEXT und FOTOS: ANDREAS ALT