Gesellschaft | Ansgar Graw: Trump verrückt die Welt. Wie der US-Präsident sein Land und die Geopolitik verändert
Ein Versuch, den derzeitigen Präsidenten der USA politisch einzuschätzen, ist ein waghalsiges Unterfangen. Wer ihn einen Rassisten nennt oder frauenfeindlich, wird spontan Zustimmung finden, doch diese Vorwürfe sind weder besonders originell noch treffen sie den Kern einer, zurückhaltend formuliert, ungewöhnlichen Präsidentschaft. Von WOLF SENFF
Auch diejenigen politischen Kreise, die traditionell der Republikanischen Partei nahestehen, wenden sich mehr oder weniger zögerlich von Donald Trump ab, jüngstes Beispiel ein vehementer Artikel im Feuilleton der FAZ, der den unlängst installierten und sogleich deinstallierten Scaramucci als eine der »inkompetenten, verlogenen, moralisch verkommenen Gestalten« bezeichnet, die für Trump arbeiten. Dieser Kommunikationschef benutze »eine Sprache, die unter Kriminellen und an der Wall Street geläufig« sei.
Eine anarchische Grundströmung
Diesen neuen Höhepunkt US-amerikanischer Politikinszenierung nimmt Ansgar Graw nicht mehr wahr, er teilt auch nicht die moralische Verachtung, sondern ist bemüht, Donald Trump emotionslos zu verstehen und ihn als ein politisches Phänomen zu begreifen.
Zunächst habe real immer schon eine starke Strömung existiert, von der das politische Establishment Washingtons und seine Kultur der ›political correctness‹ zutiefst verachtet und abgelehnt werde. Es handle sich um eine anarchische, basisdemokratische Grundströmung, die vor allem im ländlichen Raum verbreitet sei.
Das Volk selbst sei gefragt
Mehrheitsfähig wurde auf dieser Basis einst Andrew Jackson, Präsident von 1829 bis 1837, der sich mit der ›Jacksonian Democracy‹ auf das politische Urteilsvermögen der einfachen Leute habe verlassen wollen, während in der Verfassung selbst – beispielsweise mit dem Prinzip der Gewaltenteilung – Vorsorge getroffen sei, dass die Macht in den Händen einer »natürlichen Aristokratie« bliebe.
Jackson hingegen habe die politischen Entscheidungen keiner städtischen Oberschicht, sondern dem Volk selbst überantworten wollen. Nur folgerichtig sei, dass er – wie übrigens auch Donald Trump – das Prinzip repräsentativer Wahlmänner bei der Wahl des Präsidenten abgelehnt habe. Beide vertreten auch eine isolationistische Politik.
Unprofessionell und ohne Konzepte
Ansgar Graw beschreibt die Seilschaften, auf die sich Donald Trump stützt – vor allem beruhend auf dem Prinzip der Vetternwirtschaft, das im üblichen Verständnis mit demokratischen Strukturen wenig vereinbar ist und das Trump dennoch unverfroren für sich geltend macht.
Graw zeigt Trump als einen problematischen Politiker, der in der politischen Praxis wenig Erfahrung besitzt und in vielen Fällen seine politischen Positionen neu definiert und entwickelt. Für diverse Bereiche, etwa die hohe Verschuldung der USA, hat er kein Konzept vorliegen, die angekündigte grundlegende Steuerreform dürfte ebenfalls im Detail ihre Tücken zeigen.
Außenpolitische Gehübungen
Außenpolitisch sieht Graw Europa in einer schwierigen Lage, er hält ein enges transatlantisches Bündnis weiterhin für die einzige sinnvolle Perspektive. Es ist mutig, in einer Phase einer Trumpschen Politik, die sich über weite Strecken noch nicht konsolidiert hat, eine so umfassende Darstellung vorzulegen.
Besonders das Verhältnis der USA zu Russland ist jedoch, den jetzt erlassenen Sanktionen zum Trotz, nicht stabilisiert, und selbstverständlich wird auch Europa bzw. die Europäische Union ihren Standort an den aktuellen Entwicklungen messen und sich positionieren müssen. Ansgar Graw vertritt diesbezüglich eine konservative transatlantische Position, sie muss nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
Titelangaben
Ansgar Graw: Trump verrückt die Welt. Wie der US-Präsident sein Land und die Geopolitik verändert
Stuttgart: F. A. Herbig 2017
240 Seiten, 20 Euro
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