//

Art Farmer’s Jazz-Eleganz

Musik | Porträt: Art Farmer

Die Geistesverwandtschaften und Seelenverwandtschaften im Jazz sind fast unzählig. Manche Jazz-Großväter fingen in den 1940er und 50er Jahren an. TINA KAROLINA STAUNER hat Art Farmer in den 90ern live gehört. Ein Genuss. Im Jazz-Club mit Leuten, die auch wissen, wer Lester Young ist und denen die Ära von Swing, Bebop und Hard Bop vertraut ist.

art farmer - half-noteArt Farmer’s Trompete ist pure und schöne Ästhetik. Farmer war auch dem Cool Jazz nicht ganz fern. Und er war eigentlich Multiinstrumentalist: beherrschte Klavier, Violine, Sousaphon, Flügelhorn, Flumpet. Machte aber die Trompete zu seinem Hauptinstrument. Mit der er im Lauf der Jahre einen höchst eigenen Ton entwickelte.

Er arbeitete zusammen mit Johnny Otis, Clifford Brown, Benny Carter, Dexter Gorden, Garry Mulligan, Thelonious Monk, Charles Mingus, McCoy Tyner, Lionel Hampton und, und, und – Europa bespielte er mit Peter Herbolzheimer und mit dem Österreichischen Rundfunkorchester. Die Zahl der Mitmusiker und Plattenveröffentlichung von Art Farmer ist enorm. Unter seinem eigenen Namen gibt es mehr als 50 Langspielplatten.

Vor 90 Jahren war Art Farmer’s Geburtstag in Iowa. Seine musikalische Karriere begann so: »…Art made his first trip to New York and stayed long enough to take some music lessons and win a job in Jay McShann’s band. Landing back in Los Angeles Farmer took various day jobs when necessary in order to play with musicians from whom he could learn…« – Über seinen letzter Auftritt wurde mitgeteilt: »…Art’s last performances included an intimate concert on April 28, 1999 at the American Embassy in Vienna where he performed with his long time Austrian pianist, Fritz Pauer, in celebration of the 100th Birthday Anniversary of his favorite composers Duke Ellington.«

Art Farmer im Jazz-Geniekult

art farmer - cool struttiVor 60 Jahren veröffentlichte Art Farmer als Trompeter ›Cool Struttin‹ mit dem Pianisten Sonny Clark und dem Altsaxophonisten Jackie McLean und zwei Mitgliedern des Miles Davis Quintetts, mit Philly Joe Jones am Schlagzeug und Paul Chambers am Bass.

Bluesig und cool ist das Album ein Meilenstein der Jazz-Geschichte. Ein ›Royal Flush‹ sozusagen, wie auch ein Track der LP heißt. Die sich in unmittelbarer Verwandtschaft zu ›Blue Train‹ von John Coltrane findet. Art Farmer hatte immer eine spezielle Eleganz. Immer lyrisch sensibel aber nicht immer piekfein, sondern mit manchmal etwas schwierig schrillem Nebenton. Modern Jazz, mal mehr laid-back, mal mehr harsch.

jamie saft - swallowpreviteIm Jahrzehnt nach ›Cool Struttin‹ gab es Liveaufnahmen von Art Farmer’s Quartet. Auch eine Half-Note Performance. Mit dabei neben Jim Hall und Walter Perkins auch Steve Swallow.

Daran denke ich, weil ich gerade die aktuelle Veröffentlichung ›Loneliness Road‹ von The New Standard höre mit Steve Swallow am Bass, Jamie Saft am Piano und Bobby Previte am Schlagzeug. Als Gast übt sich hier der als unkonventionell bekannte Rockmusiker Iggy Pop als Jazz-Sänger. ›Don’t lose yourself‹ gibt er auf diese Weise mit auf den Weg. Auf dem man auch dem Jazz-Rhythmiker Steve Swallow wieder einmal im Jazz-Klangland begegnet. Auf Jamie Saft’s Wegen waren außer dieser Jazz-Legende auch schon mit unterwegs John Adams and John Zorn.

In den Jazz-Verwandtschaften des Traditionellen, Zeitgenössischen bis Avantgardistischen trifft man auf elitäre Genies, wunderliche Außenseiter, skurrile Charaktere, innovative Wegbereiter, sonderliche Künstler und ungewöhnliche Persönlichkeiten. Jeder auf seine Art Musiker oder Komponist der Extraklasse. Nicht allen war und ist die Eleganz eines Art Farmer zueigen.

| TINA KAROLINA STAUNER

Titelangaben
Art Farmer
›Cool Struttin‹
(Blue Note, 1958)

Art Farmer’s Quartet
Live at the Half Note
(Atlantic, 1964)

The New Standard – Steve Swallow, Jamie Saft, Bobby Previte
›Loneliness Road‹
(Rare Noise, 2017)

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Takt zwischen Schrott und Mülltonnen

Nächster Artikel

Nein, keiner verrät’s

Weitere Artikel der Kategorie »Menschen«

Eine jüdische Lebenswelt

Sachbuch | Julius H. Schoeps: Dorothea Veit/Schlegel. Ein Leben zwischen Judentum und Christentum

Brendel Mendelssohn, die später Dorothea Schlegel hieß, zählte zu den bekanntesten Schriftstellerinnen und Literaturkritikerinnen der deutschen Romantik. Aber nicht nur ihr Werk, sondern auch ihr Leben und ihre Verbindung zu Friedrich Schlegel sorgten damals für Aufsehen. Der Historiker, Publizist und Vorsitzende der Moses Mendelssohn Stiftung Julius H. Schoeps hat eine feine, kleine Biographie über diese besondere und bemerkenswerte Persönlichkeit geschrieben. BETTINA GUTIERREZ hat ihn hierzu befragt.

The deadly threat of friendly Euro fire

Portrait | Costas Douzinas im Interview Der griechische Philosoph und Rechtswissenschaftler Costas Douzinas lebt heute in London und lehrt am Birkbeck College der Universität. Er präsentiert zurzeit in Deutschland sein jüngstes Buch ›Philosophie und Widerstand in der Krise‹. Im Interview mit WOLF SENFF spricht er über europäische und deutsche Politik, den Einfluss des IWF auf Griechenland, die Wirkung von Demonstrationen und die Krise in der Ukraine.

Aus dem Reich der Schwärze

Menschen | Zum 125. Geburtstag von Hermann Kasack

Vor 125 Jahren wurde der Schriftsteller Hermann Kasack (am 24. Juli) geboren. Er war Romancier, Lyriker, Hörspielautor, Dramatiker, Lektor, Verlagsleiter und Rundfunkpionier in einer Person und hat die deutsche Nachkriegsliteratur maßgeblich geprägt. Trotzdem ist sein Name nahezu in Vergessenheit geraten. Die Rede ist von Hermann Kasack. Ein Porträt von PETER MOHR

Auf der Suche nach der »Nazi-Persönlichkeit«

Menschen | Jack El-Hai: Der Nazi und der Psychiater Autorenglück ist, wenn sich eine heiße Story als Matrjoschka entpuppt, aus der während der Recherchen eine zweite, mindestens genauso heiße Story kullert. So ging es dem US-amerikanischen Journalisten Jack El-Hai bei den Vorarbeiten zu seinem Buch über Walter Freeman, ›The Lobotomist‹ (2005). Der Psychiater und Neurologe Freeman hatte der Lobotomie als Mittel gegen psychische und sonstige Störungen zur Popularität verholfen und sich nebenbei für von eigener Hand gestorbene Kollegen interessiert. Insbesondere für einen: Douglas Kelley, heute nur noch Fachkreisen geläufig, aber um die Mitte des letzten Jahrhunderts ein Star. El-Hai horchte

Aufbruch in den Favelas

Menschen | Adrian Geiges: Brasilien brennt Die BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China firmieren als »Schwellenländer«. Adrian Geiges hat Erfahrung mit diesen Staaten, er berichtete jahrelang aus China und Russland, gegenwärtig lebt er in Brasilien. Sein neues Buch Brasilien brennt enthält Reportagen, die er gelegentlich mit seiner Arbeit für deutsche TV-Anstalten verknüpft. Er wirft einen Blick auf den Confederation Cup 2013 – der Fußball-Sommer 2014 wirft seine Schatten voraus. Im Mittelpunkt steht für ihn jedoch die Begegnung mit den Menschen. Von WOLF SENFF