/

Comics lesen im Messezelt

Comic | Comic Salon Erlangen 2018 – Vorschau

Das wichtigste Comicfestival im deutschsprachigen Raum, der Internationale Comic Salon in Erlangen, steht an. Er findet am verlängerten Wochenende nach Fronleichnam statt. ANDREAS ALT blickt voraus auf Highlights des Programms und wichtige Änderungen gegenüber den Vorjahren.

Comic-SalonErlangen 2018Wie lange es den Internationalen Comic Salon in Erlangen schon gibt, wird klar, wenn man die Veranstaltungen abzählt. Es waren neun im festen Zwei-Jahres-Rhythmus von der Gründung 1984 bis 2000, und es sind noch einmal neun seit 2000, rechnet man den Salon mit, der nun vom 31. Mai bis 3. Juni seine Pforten öffnen wird. Es gibt ihn somit seit 34 Jahren. Damals war er ein absolutes Novum, Vorbild das erfolgreiche Comicfestival in Angoulème. Trotz vielfältiger Veränderungen in der Comicszene in Deutschland, aber auch weltweit, ist der Comic Salon das führende Festival und Treffen von Fans, Verlagen, Künstlern und dem allgemeinen Publikum im deutschsprachigen Raum geblieben. Erwartet werden um die 25.000 Besucher. Es wird allerdings diesmal eine Besonderheit geben, an die sich speziell das Stammpublikum gewöhnen muss: Der Comic Salon wird in diesem Jahr schwerpunktmäßig nicht in festen Räumen, sondern in drei großen klimatisierten Zelten stattfinden.
 
Grund dafür ist die Generalsanierung der Stadthalle, der Heinrich-Lades-Halle, in der seit vielen Jahren die Messe, größere Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen und auch ein Gutteil der Comicausstellungen untergebracht waren. Insbesondere für die ausstellenden Verlage musste eine andere Lösung gefunden werden, sollte der Salon nicht mangels passender Räume abgesagt werden. Nun werden also drei große Messezelte auf zentralen Plätzen der Stadt aufgestellt. Das größte Zelt (A) mit den tonangebenden Verlagen wie Carlsen und Egmont wird auf dem Schlossplatz stehen, ein etwas kleineres (B) auf dem Hugenottenplatz, einen Straßenzug entfernt, und ein drittes (C) nebenan im Schlossgarten. Im Zelt C werden die Hochschulen mit Comic-Studiengang, Independent-Verlage und Einzelkünstler untergebracht.

Ambient Comics von Nadine Redlich (© Rotopol)
Ambient Comics von Nadine Redlich (© Rotopol)
 
Es war schon abfällig von einem ›Zeltlager‹ die Rede, und manche langjährige Besucher spielen offenbar mit dem Gedanken, diesmal nicht zu kommen. In einem Internetforum hielt Comic-Experte Martin Jurgeit dagegen: ›Ich weiß, dass die Verantwortlichen beim Comic Salon eher fürchten, dass vielen die Großzelte im Herzen der Stadt eher zu gut gefallen werden. Schließlich wird diesmal alles sehr zentral beieinanderliegen mit Veranstaltungsorten wie Theater, Orangerie, Schloss oder Redoutensaal direkt bei der Messe um die Ecke. Gerade wenn auch noch das Wetter mitspielt, könnte das von der Location her ein sensationeller Comic Salon werden.‹
 

Bewusst nicht außerhalb des Stadtzentrums

 
Angemeldet sind rund 200 Aussteller, nach Aussage von Hauptorganisator Bodo Birk etwas weniger große und dafür mehr kleinere, doch insgesamt vergleichbar mit den Festivals der Vorjahre. Zum Comic Salon gibt es jedes Mal eine Fülle von Neuerscheinungen, auch im Bereich der Comic-Sekundärliteratur. Laut Veranstalter sind die drei Zelte nur wenige Minuten zu Fuß voneinander entfernt (alle befinden sich in Fußgängerzonen; auch der Schlosspark ist natürlich autofrei); man habe den Comic Salon bewusst nicht an einen Standort außerhalb der Stadtmitte verlegen wollen. Es soll sich um eine einmalige Ausnahme handeln – 2020 soll der Salon wieder in die Heinrich-Lades-Halle zurückkehren.
 
Für die etwa 20 Ausstellungen wird in diesem Jahr in den Erlanger Museen deutlich mehr Platz zur Verfügung gestellt als bisher. Vielversprechend erscheinen die Werkschau des kanadischen Zeichners Jeff Lemire (›Die Kunst des Erzählens‹), die Ausstellung von Flix, betitelt ›Von Beruf Comic-Zeichner‹, beide im Redoutensaal beim Markgrafentheater, die Schau ›Gefangener der Träume‹ des Franzosen Marc-Antoine Mathieu (Kunstpalais beim Schlossplatz) und ›Manga Madness‹ von David Füleki, einem Wanderer zwischen westlicher Comic- und östlicher Manga-Ästhetik (Untergeschoss von ›Ultra-Comix‹, Südliche Stadtmauerstraße). Interessant klingt auch die Ausstellung ›30 Jahre Zwerchfell Verlag‹ in der Ladengalerie am Altstadtmarkt; es handelt sich um einen Verlag, der aus der Fanszene hervorgegangen ist und bis heute dem Independent-Bereich zugerechnet werden kann, auch wenn er sich wirtschaftlich behauptet hat. Hinzu kommen unter anderem Schauen der Cartoonisten Greser & Lenz, zu der neuen Gruselserie ›Die Unheimlichen‹, über Independent Comics aus China, das Werk von Bernd Pfarr und zum 90. Geburtstag von Micky Maus.
 

Leitthema wird Comic-Journalismus sein

 
Wo Informationsveranstaltungen, Lesungen und Podiumsdiskussionen, unter anderem die traditionelle ›Elefantenrunde‹ der großen Verlage, stattfinden, ist noch nicht mitgeteilt worden. Ein Leitthema des Salons wird Comic-Journalismus sein. Dazu gibt es auch eine Ausstellung mit dem Titel ›Zeich(n)en der Zeit‹ im Stadtmuseum. Künstler wie Joe Sacco und Guy Delisle haben dieses Genre mit Comics, die sich dokumentierend vor allem mit Krisenherden der Welt auseinandersetzen, begründet. Eine Kontroverse löste vor gut einem Jahr Sarah Glidden mit ihrer Comicreportage ›Im Schatten des Krieges‹ aus, die manche eher als Selbstbespiegelung wahrnahmen. Zum Themenkomplex gehört aber vermutlich auch die Frage: Wie kann man über Comics schreiben? In den vergangenen rund 25 Jahren sind Comics zunehmend zum Gegenstand der Betrachtung in den Feuilletons geworden, was aber einen merklichen Bedeutungsverlust des Mediums bei der jungen Generation nicht verhindert hat.

Flix: Schöne Töchter
(©Flix – Carlsen Comics)
 
Große Aufmerksamkeit beim Salon werden die Preisverleihungen erregen. Zunächst wird am 31. Mai der ›ICOM Independent Comic Preis‹ verliehen, mit dem deutschsprachige Talente gefördert werden sollen, die noch nicht von einem der größeren Verlage betreut werden. Der Preis wird seit 1994 jährlich verliehen und ist mit insgesamt 2500 Euro dotiert, aufgeteilt auf sieben Kategorien. Hinzu kommt der Kurt-Schalker-Preis für grafisches Bloggen. Am 1. Juni folgt im Markgrafentheater die Vergabe der Max-und-Moritz-Preise unter der Regie des Kulturamts Erlangen. Bereits bekannt ist, dass Jean-Claude Mezières, der Zeichner der Science-Fiction-Serie ›Valerian‹, für sein Lebenswerk ausgezeichnet wird.
 

Comic-Börse zieht ins Kulturzentrum E-Werk

 
Damit ist das Programm des Salons aber noch lange nicht erschöpft. Ausgestellt werden auch die Ergebnisse der letzten beiden Erlanger Comic-Zeichner-Seminare unter Leitung von Flix und Birgit Weyhe. In diesem Jahr wirkt beim Seminar zudem der Künstler Peter Chen aus Erlangens chinesischer Partnerstadt Shenzhen mit. Ein Comic Film Fest präsentiert Zeichentrickfilme, Comicverfilmungen und Dokumentationen zu Themen des Comic Salons. Ein wichtiger Termin für Sammler ist die Comic-Börse am Samstag, 2. Juni, diesmal im Kulturzentrum E-Werk. Ebenso werden Signaturenjäger wieder auf ihre Kosten kommen; die Liste der angekündigten Comiczeichner aus nah und fern ist lang. Der Sonntag, 3. Juni, ist wie bei den vorherigen Salons als Familientag konzipiert. An diesem Tag gibt es ein besonderes Angebot von Spielen, Rätseln, Lesungen und Aktionen für Kinder und Jugendliche zum Eintrittspreis von nur einem Euro; unter 6-Jährige haben freien Eintritt.
 
Vor allem ist der Comic Salon jedes Mal der Treffpunkt der gesamten Szene. Wer dazugehören will, kommt nicht darum herum, sich hier blicken zu lassen. Dadurch haben regionale Comicfestivals, etwa in Hamburg oder München, dem Salon seinen Rang niemals streitig machen können. Die vor einigen Jahren aufgekommenen Comic Cons nach amerikanischem Vorbild haben sich zwar als Publikumsmagnete erwiesen, sprechen aber offenbar ein anderes als das traditionelle Comicleser-Publikum an. Bei ihnen stehen Filme und TV-Serien und deren Stars im Mittelpunkt; für deren Auftritte und Signaturen werden Gebühren verlangt – und bereitwillig gezahlt. Ob hier auch die Zukunft der Comicszene liegt oder sich Veranstaltungen wie der Comic Salon mit Betonung auf dem Lesen und Produzieren von Comics (auf Papier) auch längerfristig ihren Stellenwert behalten, bleibt abzuwarten.

| ANDREAS ALT

Reinschauen
| Webseite des Comic Salon Erlangen
 

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Geschichten über Pierrot

Nächster Artikel

Ich Mann, du Frau – wir nix gemeinsam

Weitere Artikel der Kategorie »Comic«

Der Nöb fragt … FIL

Comic | Interview Fil ist der Politbarde unter den Comic-Künstlern. Und unnachahmlich komisch. Mit seiner Handpuppe Sharkey erschüttert er immer wieder die Zwerchfelle jener Audienzen, die sich vor seinen Bühnen tummeln. Singen tut er auch. Und natürlich zeichnen: Die erste Folge seiner legendären Reihe ›Didi & Stulle‹ veröffentlichte er als 14-jähriger Punk. Inzwischen ist er einigermaßen erwachsen geworden, meint CHRISTIAN NEUBERT. Auch schön!

Eine moderne Odyssee

Comic | Judith Vanistendael: Penelopes zwei Leben

Die belgische Comiczeichnerin und -autorin Judith Vanistendael legt mit ›Penelopes zwei Leben‹ eine Graphic Novel über die moderne Odyssee einer Ärztin zwischen dem syrischen Bürgerkrieg und ihrer Heimat Belgien vor. Darin thematisiert werden Fragen wie: Was macht der Krieg mit einem? Woran kann man sich noch festhalten, wenn man mit extremer Gewalt und Grausamkeit konfrontiert wurde? Wie geht das Leben danach weiter? Ist ein normales Familienleben in der Heimat danach noch möglich? Von FLORIAN BIRNMEYER

Du sollst Dir ein Bildnis machen

Comic | Jesse Jacobs: Hieran sollst du ihn erkennen + Max Baitinger: Heimdall Die großen Weltreligionen scheinen sich darüber einig zu sein, dass es keine gute Sache ist, wenn der Mensch sich Abbilder seines Gottes schafft. Dies führe, so heißt es, am Ende zu Bilderverehrung und Götzendienst. Zum Glück hat man sich bei Rotopolpress nicht an dieses Bilderverbot gehalten: mit Heimdall von Max Baitinger und Hieran sollst du ihn erkennen von Jesse Jacobs wurden gleich zwei Bände in das Verlagsprogramm genommen, die tatsächlich verehrungswürdige Bilder enthalten. Die abgebildeten Götter kommen in diesen allerdings nicht gerade gut weg. BORIS KUNZ hat

H für Husarenstück

Comic | Miéville/Santolouco/Burchielli: Dial H – Bei Anruf Held 1: Neue Verbindung Der bekannte Fantasyautor China Miéville hat Bei Anruf Held, eine der absurdesten Superheldenreihen der 80er Jahre, wieder aufleben lassen, und macht mit einem kühnen erzählerischen Spagat vor, wie man etwas gleichzeitig ernst und auf die Schippe nehmen kann.BORIS KUNZ hat sich auf diese Tour de force eingelassen.

Showdown in Providence?

Comic | Alan Moore, Jacen Burrows: Providence. Bd.3 Die von Jacen Burrows gezeichnete Comic-Serie ›Providence‹, bei der Szenaristen-Instanz Alan Moore auf Lovecrafts Spuren wandelt, ist abgeschlossen. Panini hat den finalen Band frisch herausgebracht. Und mäandert mit traumwandlerischer Sicherheit einem erstaunlichen Ende entgegen. CHRISTIAN NEUBERT ist nach wie vor unterwegs.