Macht was!

Roman | Meg Wolitzer: Das weibliche Prinzip

Das Leben der 18-jährigen, schüchternen Studentin Greer Kadetsky wird komplett auf den Kopf gestellt, als sie das Interesse der berühmten Frauenrechtlerin Faith Frank weckt. Warum gerade sie? Und was hält diese Chance für sie bereit? Von MONA KAMPE

Das weibliche Prinzip »Was also war es, das Faith Frank in ihr sah und an ihr mochte? Vielleicht eine latente Kühnheit […], auch Mitleid mit der sprachlosen, knallroten achtzehnjährigen Greer. Eine dritte Erklärung lautete, dass Faith automatisch offen und zugewandt war, wenn sie jungen Menschen begegnete, die sich an der Welt rieben.«

Greer Kadetsky tat dies. Sie war schüchtern und tat sich schwer damit, öffentlich oder überhaupt ihre Meinung zu äußern. Die ehrgeizige, von Büchern besessene Schülerin hatte es nach Yale geschafft, doch, da ihre Eltern es versäumt hatten, ihre Fördergelder ordentlich zu beantragen, musste sie an ein Durchschnittscollege in ›Ryland‹ gehen, meilenweit entfernt von ihrer Jugendliebe Cory, der in Princeton studierte. Zudem beschäftige sie ein Vorfall an der Universität, bei dem sie von einem Mitstudenten sexuell belästigt wurde. Sie blieb nicht die einzige, doch die Verwaltung ließ den Täter weiterhin auf dem Campus verweilen.

Als die berühmte Frauenrechtlerin Faith Frank eine Rede in ›Ryland‹ hielt, traute sich Greer, die Vorfälle offen anzusprechen – knallrot und stockend. Später auf der Damentoilette schenkte die 63-jährige, einflussreiche Herausgeberin des Frauenmagazins ›Bloomer‹ ihr ihre Visitenkarte mit den Worten: »Ich denke manchmal, dass Introvertierte, die sich beigebracht haben, extrovertiert zu sein, die effektivsten Menschen auf der Welt sind«.
Greer fühlte sich, als hätte sie das große Los gezogen, doch für welchen Gewinn?

Die Chance, anderen eine Stimme zu geben

Als sie Jahre später die Chance auf ein Vorstellungsgespräch beim Magazin ergriff, musste sie mit ansehen, wie das Blatt vor ihren Augen eingestellt wurde, aber Faiths Worte an das Team beeindruckten sie nachhaltig. Sie schrieb ihr: »Wir können von Glück reden, dass es Sie gibt« Diese E-Mail hinterließ Spuren, Monate danach war Greer Mitarbeiterin von Faith Franks neuer Stiftung ›Loci‹ in New York, weil sie die Größe für vielversprechend hielt.
Schon bald bekam sie die Chance, Reden für die Auftritte junger Frauen zu schreiben, die noch nie in der Öffentlichkeit gesprochen haben. So konnte die aufstrebende Absolventin unersetzlich werden und nahm die neue Herausforderung an.

Gleichzeitig stellte diese sie auf ihre erste harte Probe, denn Greers Collegefreundin, die selbst überaus engagiert war und Greer inspiriert hatte, wollte auch für Faith arbeiten und vertraute ihr einen Brief an diese an. Es lag an Greer, ihrer Vorgesetzten diesen zu überbringen. Doch sie mochte Faiths Anerkennung nicht teilen. Machte sie das zu einer schlechten Feministin?

»Unterm Strich konnte sich Greer das Interesse von Faith nicht schlüssig erklären. Aber sie begriff irgendwann, dass die Begegnung mit Faith Frank der aufregende Anfang von allem gewesen war. Das bittere Ende lag noch in sehr weiter Ferne.« Die Bestsellerautorin Meg Wolitzer beschreibt in ihrem Roman ›Das weibliche Prinzip‹ den Weg der jungen, beeinflussbaren Greer Kadetsky, der sich mit dem der einflussreichen Feministin Faith Frank kreuzt und nachhaltig von diesem beeinflusst wird. Die Absolventin beginnt, ihre äußere Stimme zu entdecken und bewusst einzusetzen, muss aber gleichzeitig lernen, auf ihre innere Stimme zu hören. Dies führt sie an ihre eigenen Grenzen und jene von Macht, Emanzipation, Moral, Idealen und Werten.

›Das weibliche Prinzip‹ veranschaulicht aktuelle Entwicklungen, Perspektiven und Chancen der Frauenbewegung der 1960er Jahre. Wolitzer gelingt es, mit Humor und Eindringlichkeit anhand ihrer Protagonisten Generationskonflikte und Rollenbilder darzustellen und deren intensive Auseinandersetzung mit ihnen und ihren eigenen Überzeugungen. Es geht nicht um das typisch Weibliche, sondern um den weiblichen Diskurs – mit der Öffentlichkeit und sich selbst. Dafür müssen Frauen ihre (innere und äußere) Stimme entdecken, damit sie nachhallen kann.

| MONA KAMPE

Titelangaben
Meg Wolitzer: Das weibliche Prinzip
Aus dem Englischen von Henning Ahrens
Köln: DuMont Buchverlag 2018
495 Seiten, 18,99 Euro
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