»Eine Woche voller Samstage«

Bühne | Kindertheater: Eine Woche voller Samstage

Mit keckem Blick, gerichtet auf die Zuschauer einerseits sowie hin zu seinem »Papa«, Herrn Taschenbier (trotz des Wirbels locker, gefasst und überzeugend: Fredi Noël), und der Haushälterin Frau Rotkohl (einfach spitze und in großem Maße für Erheiterung sorgend: Anne-Kathrin Lipps) wirbelt das »Sams« (sympathisch und überzeugend: Sophie Lochmann) auf der Bühne des Großen Hauses im Stadttheater Pforzheim herum. JENNIFER WARZECHA freut sich auf einen Kinderbuchklassiker.

Eine Woche voller SamstageMit seinen frechen Sprüchen und seiner lebendigen Art zieht es sie alle im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal in seinen Raum. Frau Rotkohl als schwäbische Hausfrau mit übergroßen Lockenwicklern auf ihrem Haar und Haupt sorgt nicht nur für Ordnung, sondern mit ihrem schwäbischen Akzent und dem Drang, nach jedem Ärgernis durch Sams und Herrn Taschenbier ihr obligatorisches »Schnäpsle« zu trinken und dann, wenn sie im Ärger an ihre eigene Wohnungstür auf der rechten Bühnen-Seite stößt, immer wieder für Gelächter.

Das Kinderstück zur Winterzeit nach dem Buch von Paul Maar sorgt im Stadttheater Pforzheim die ganze Aufführungsdauer von rund eineinhalb Stunden (eine Pause) für Begeisterung.
Spannend ist dabei immer wieder der Gegensatz des gerade in seinem gestreiften Pyjama zwischen den Szenen auftretenden, schüchternen Herrn Taschenbier und dem frechen, lustig-anarchischen Sams.

Kraft seines Namens taucht das Sams am Samstag bei Herrn Taschenbier auf und bringt nicht nur ihn, sondern auch seinen Chef Herrn Oberstein kräftig durcheinander. Jener Chef gibt seinem Mitarbeiter Taschenbier auf einmal frei – vorgeblich, weil er den Schlüssel zu seinem Schreibtisch verlegt habe.

Tatsächlich war es einer der blauen Punkte im Gesicht des Sams, welcher dafür gesorgt hatte, dass Herr Taschenbier auf einmal einen freien Arbeitstag bekommen hatte. Denn dafür sind die Punkte gemacht: Sie machen im wahrsten Sinne des Wortes Wünsche wahr. So zum Beispiel auch, als die sehr dominant auftretende Frau Rotkohl Herrn Taschenbier in ihrem Drang, dessen Zimmer und Inventar an Tisch und Stuhl zu reinigen, schier zur Verzweiflung bringt. Prompt wünscht er sie sich auf den Schrank, auf dem sie erst einmal verbleiben soll. Dies gelingt dank eines Wunschpunktes des Sams wiederum auch, solange bis Herr Taschenbier aus Mitleid der armen Frau Rotkohl von dort oben wieder zu sich auf den Fußboden herunter verhilft.

Kein Sinn für Recht und Ordnung: Das Sams schafft sich seine eigene Welt

Seinen Vaterpflichten möchte Herr Taschenbier gegenüber dem Sams nachkommen, indem er es in die Schule schickt. Das Sams schüttelt nach dieser Ankündigung seinen Kopf mit dem prallen, orangenen Haar und entgegnet entrüstet »Was für ein strohdummer Wunsch.« In der Schule selbst stellt auch da das Sams die Ordnung auf den Kopf. Der Studienrat verzweifelt an ihm, da das Sams den Unterschied der Anrede in »Du« und »Sie« nicht kennt; ihn mit »Du« anredet und im »sie« eine außenstehende Frau vermutet.

Schließlich verbündet sich der Wirbelwind mit den Schülern sowie singt und tanzt auf der Bühne herum. Auch seinen sprichwörtlichen blauen Taucheranzug mit gelbem Streifen in der Mitte (Kostüme: Mareile von Stritzky) erhält das Sams erst, nachdem es die Bediensteten im Kaufhaus schier zur Verzweiflung getrieben hat, verwechselt es doch die Klamotten teilweise mit Nahrungsmitteln bzw. zerreißt diejenigen, die es anprobiert, sogleich durch seine Leibesfülle.

Eine Woche voller Samstage

Auch Frau Rotkohl zeigt sich verärgert über das Sams, gerade dann, als sie es endlich als Kind und neues Mitglied des Haushaltes akzeptiert hat. Das Sams möchte sich dennoch nicht waschen und spuckt Frau Rotkohl das dazugehörige Wasser schlichtweg aus und ins Gesicht. Dem entrüsteten »Wir sprechen uns noch« Frau Rotkohls folgen sehr, sehr freundliche Worte, nachdem ihr auf einmal auf offener Bühne, atmosphärisch unterstützt durch eine Schneemaschine, ein Eisbär begegnet, dem sie auf Schneeschuhen und Ski-Sohlen sowie Skistöcken mutig gegenübertritt. Prompt liefert sie sich ein Gefecht mit ihm und erregt damit wiederum das Gelächter des Publikums. Der Eisbär grinst, zeigt auf Frau Rotkohl und verlässt die Bühne.

Am Ende verfügt das Sams lediglich über einen Wunschpunkt. Herr Taschenbier wünscht sich damit eine Wunschmaschine. Das Sams bleibt bei ihm und erntet nicht zuletzt damit den vollen Applaus des Publikums. Eine humorvolle, witzig-amüsante, sympathische und mal wieder erstklassige Inszenierung in und aus Pforzheim!

| JENNIFER WARZECHA
| Abb: SABINE HAYMANN

Titelangaben
Eine Woche voller Samstage
Stadttheater Pforzheim – Großes Haus

Das Sams – Sophie Lochmann; Herr Taschenbier – Fredi Noël
Frau Rotkohl/ Frau auf der Straße/ Verkäuferin/ Kalenderfigur – Anne-Kathrin Lipps
Studienrat Kroll/ ein Busch/ Eisbär/ Abteilungsleiter/ Kalenderfigur – Thorsten Klein
Oberstein/ Verkäufer/ Bauarbeiter/ ein Pilz/ Schüler/ Kalenderfigur – Clemens Ansorg/ Severin Knapp
Frau auf der Straße/ Schülerin/ Verkäuferin/ ein Baum/ Kalenderfigur – Steffi Baur/ Magdalena Ritthaler
Inszenierung – Markus Löchner; Bühne – Jörg Brombacher
Kostüme – Mareile von Stritzky; Choreographie – Janne Geest
Dramaturgie – Swantje Willems

Weitere Termine
05.01.2019 11:00; 06.01.2019; 08.01.2019 09:00; 08.01.2019
11.01.2019 09:00; 11.01.2019; 13.01.2019 11:00; 13.01.2019
16.01.2019 09:00; 16.01.2019; 23.01.2019 09:00; 23.01.2019
24.01.2019 09:00; 24.01.2019

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Ich war meinen Körper losgeworden

Nächster Artikel

Gedichte für ein ganzes Jahr

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

Unter Bekloppten

Show | Von der Luftgitarrenweltmeisterschaft 2011 Unser Autor JAN FISCHER hat Aline Westphal, die Weltmeisterin im Luftgitarrespielen, nicht nur hinter, sondern sogar bis auf die Bühne begleitet.

Das Selfie entert das Theater

Bühne | Die Stadt der Blinden: Deutsches Schauspielhaus Hamburg Die Romanvorlage zeichnet das Szenario einer Seuche, einer gefährlichen plötzlichen Erblindung, die auf Infektion zurückzuführen ist. Für die erblindeten Opfer ist ein separates, umzäuntes Lager eingerichtet, zur Außenwelt besteht Kontaktverbot. Von WOLF SENFF

Die Welt als eine Bühne begreifen

Bühne | Theater: William Shakespeares ›Wie es Euch gefällt‹ Rollentausch, Verwechslungskomödie, Utopie sowie träumerische Sehnsucht prägen die Komödien William Shakespeares (1564-1616). In Pforzheim verzaubert eine reizende und charmante Konstanze Fischer in der Doppelrolle der Rosalind und des Ganymed das Publikum. Von JENNIFER WARZECHA

Von der kleinen bis zur großen Welt

Bühne | Hermann Hesse: ›Das Glasperlenspiel‹ im Badischen Staatstheater Karlsruhe Wahre Gesellschaftskritik im ewigen Konflikt des Individuums mit der Gesellschaft, im Spiel der Moderne mit ihren Ängsten, hin- und hergerissen zwischen Mikro- und Makrokosmos in Anlehnung an Johann Wolfgang Goethes ›Faust‹ – das ist Hermann Hesses ›Das Glasperlenspiel‹ im Kleinen Haus des Badischen Staatstheaters Karlsruhe. Für die Bühne bearbeitet von Martin Nimz und Konstantin Küspert wird es damit zum modern interpretierten und dramaturgisch inszenierten Aufstieg und Fall des Protagonisten Josef Knecht. Von JENNIFER WARZECHA

Let’s do the Time Warp again!

Live | Bühne | Musical:Rocky Horror Show Es gibt wohl kein Musical auf dieser Welt, was lustvoller und mitreißender wäre, als die von Richard O’Brien geschaffene ›Rocky Horror Show‹. Sein abgedrehter Hauptcharakter Frank N. Furter ist seit der Uraufführung 1973 nahezu unsterblich, auch wenn seine Haarfarbe je nach Inszenierung wechselt. Wie schafft es die Kultshow, über Jahrzehnte attraktiv zu bleiben? Denn die eigentliche Hauptaufgabe – das Spießbürgertum sexuell schockrocken – dürfte ja in der heutigen Zeit nicht mehr nötig sein. Oder? ANNA NOAH ist auf Spurensuche.