Bühne | Konzert: Max Raabe
Max Raabe, neulich erst zur »fahrradfreundlichsten Persönlichkeit 2019« gekürt, tourt derzeit unter dem Titel seines jüngsten Albums ›Der perfekte Moment … wird heut verpennt‹. Mit dabei seine Klassiker: ›Kein Schwein ruft mich an‹ oder ›Küssen kann man nicht alleine‹, natürlich im Stil der 1920er und 1930er Jahre. Diese Lieder brachten ihm internationalen Durchbruch.
Auf der Bühne begeistert er mit Satire und Wortwitz, jedoch auch mit einzigartigem Raabe-Charme. ANNA NOAH staunt über eine vielseitige Darbietung.
Das Feeling der 20er
Er steht schon auf der Bühne, als der Vorhang sich lüftet. Galant startet er in den Abend mit ›Guten Tag, liebes Glück‹, danach folgt ein Klassiker von Robert Stolz: ›Du bist meine Greta Garbo‹.
Raabe und seinem Orchester ist ein Kunststück gelungen! Nämlich eigene Songs wie ›Der perfekte Moment‹ im Stil der Evergreens zu schaffen.
So spielen Raabe und das in alter Tradition komödiantisch wirkende Orchester neben einigen alt-neuen Liedern auch den 1930er Hit wie ›Wenn die Elisabeth nicht so schöne Beine hätt‹.
Der Schritt vom damaligen zum heutigen Pop gelingt mühelos.
Die Liederfolge ist erstaunlich abgerundet. Von ›Ich küsse Ihre Hand, Madame‹ über ›I’m Singing in the Rain‹ bis hin zu ›Salome‹ aus dem Jahre 1920. Viel Applaus gibt es für den Dauerbrenner ›Kein Schwein ruft mich an‹, dessen Melodie mal als Wiener Walzer, als russischer Kasatschok oder im asiatisch-japanischen Stil bis hin zum Broadway-Musical aufgeführt wird.
Unerwartete Wortspiele gibt es nicht nur im Text des Liedes ›Ich bin dein Mann‹:
»Ich bin für dich ein Philosoph
Und wenn du willst, ein bisschen doof,
Julius Caesar,
Dein Stromableser.«
Melancholie und Schabernack
Max Raabe hat seine Rolle perfektioniert. Zwischen den Liedern gibt es Anekdoten zum aktuellen Geschehen. Er selbst fasst das Lieder-Arrangement des Abends wie folgt zusammen: »Wie findet man sich? Wie lernt man sich kennen? Und wie wird man sich wieder los?« Natürlich ohne auch nur im Geringsten die Miene zu verziehen.
Dabei hat er viel Unterstützung von seinem Palast Orchester. Die Musiker beherrschen nicht nur ihre Instrumente, sie sind auch Sänger und perfekte Komödianten, die hinter Raabes eher steifem Rücken viel Schabernack treiben. Irgendwie haben sie mit ihrem Stil und den Liedern aus den weit zurückliegenden Jahrzehnten einen Nerv getroffen. Und das nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt.
Raabe steht eher unbeweglich in seinem Frack auf der Bühne. Das wirkt alles andere als zeitgemäß. Wenn er aber ›Mein kleiner grüner Kaktus‹ anstimmt, scheint die Zuschauer eine gewisse Sehnsucht nach Vergangenheit zu erfassen. Und das, obwohl die meisten das besungene Jahrzehnt gar nicht miterlebt haben. Anders kann man sich das selige Lächeln auf den Gesichtern einfach nicht erklären.
Max Raabe ist ein Künstler der Extraklasse. Er hat in seinen Liedern Melancholie und Witz vereint. Ausbalancierte Gefühle. Schwebezustand. Er tippt an und überlässt dem Zuhörer den Ausgang. Je nachdem, wie nostalgisch es das Publikum mag – wechselt er zwischen fetzig und unaufdringlich.
Wer Melancholie sucht, findet sie immer wieder in seiner Stimme.
Das ist eben sein Stil.
»Die Bahn ist frei«
In »Fahrrad fahr’n« singt Raabe fast beschwingt:
»Die Autos steh’n im Stau,
ich fahr‘ vorbei,
alle Ampeln grün,
die Bahn ist frei.«
Die Zuhörer empfinden sofort ein Gefühl der Freiheit. Raabe transportiert dieses auf wunderbare Weise.
Egal, was der 55-jährige Sänger auf der Bühne oder im Leben tut, es passt zu seiner eigenen, zeitlosen Eleganz. Er bleibt sich und der von ihm wiederbelebten Zeiten der Schlager aus den 1920er und 1930er Jahren treu.
Das Gesamtpaket mit dem Palastorchester ist überaus gelungen.
Der Künstler gibt sich bescheiden. Wenn er nicht singt, stellt er sich in den Schatten und überlässt dem Palast Orchester das Rampenlicht.
Eine edle Inszenierung.
| ANNA NOAH
| FOTOS: GREGOR HOHENBERG
Showangaben
Max Raabe und das Palastorchester
Sänger: Max Raabe
Musiker:
Cecilia Crisafulli; Sven Bährens
Bernd Dietrich; Fabio Duwentester
Michael Enders; Johannes Ernst
Rainer Fox u.v.a.