/

Lauter Lieder

Musik | Konstantin Wecker: Lauter Lieder

Das Album ›Lauter Lieder‹ entstand im Rahmen eines Workshops der Uni Würzburg in Kooperation mit dem Liedermacher Konstantin Wecker. Den Abschluss des Seminars krönte ein Konzert in der Posthalle, das ein voller Erfolg wurde und sicherlich noch vielen Menschen lange im Gedächtnis bleiben wird. MARC HOINKIS war dabei und stellt die einzelnen Projekte vor.

Das Album ›Lauter Lieder‹

Konzert Konstantin WeckerDas erste Stück, ›Sommernachtstraum‹ von Erik Konietzko, gibt sich mit melancholischen Klavier- und Gitarrenmelodien und tiefgreifender Natursymbolik der Sehnsucht nach alten Wünschen hin. Es schafft viel Platz für Instrumentalteile.

›Hab keine Angst‹ von Raphael Hussl, ermutigt mit seinem direkten Text, die Angst zu besiegen, die allein in unseren Köpfen entsteht, auf sich selbst zu vertrauen und dem gesellschaftlichen Zwang zu widerstehen. Auf dem Album nur mit einer zwölfsaitigen Gitarre eingespielt, bekam das Stück bei dem Live-Auftritt durch das zusätzliche Schlagzeug von Daniel Feldmeier eine passend treibende neue Kraft, die den Hymnencharakter des Songs unterstreicht.

›Wohnmobil und progressiv‹ von Kilian Müller hält der zwiespältigen Selbstdarstellungs-Gesellschaft den Spiegel vor, die sich ja doch nur selbst belügt. Der ironische Text wird von ihm selbst mit einer bodenständigen Gitarrenmelodie und Tim Eiperts akustischem Fretless-Bass untermalt.

›Trübes Wasser‹ von Laurence Fischer schildert die verzweifelte Selbstreflexion einer unruhigen Seele, die sich in einem Hin und Her mit den Gedanken befindet. Passend zum Text ist dieser Song sparsam mit Gitarre und Geige instrumentiert.

›Ein Ding‹ von Matze Wolf, auf dem Album mit Band instrumentiert und live solo mit akustischer Gitarre aufgeführt, beschreibt die Entwicklung des Menschen und versucht den Sinn des Lebens zu ergründen, ja stellt ihn geradezu fest. Der wirklich einzigartige Sprechgesang tanzt förmlich auf der Musik und kommt mit genau der richtigen Prise Humor im Unterton daher.

Der Song ›Schönwetterfreund‹ von Moritz Jost ist sicherlich das bestgelaunteste Stück des Albums und beschreibt die Fernbeziehung zur Sonne. Die Instrumentierung mit Bass, E-Gitarre, Ukulele und darauf erzeugter Percussion, ebenso der geniale Text, der humorvoll vorgetragen wird, lassen den Song luftig leicht einige Tage im Kopf hängen. Ein unentrinnbarer Ohrwurm!

›Gesichtszüge‹ von Iris Regele, Mike Schlee und Georg Fischer nimmt den Flow eines französischen Chansons auf, gepaart mit Gitarrenfills á la Mark Knopfler. Er erklärt mit cleveren Wortspielen den Bahnhof zur großen Bühne ehrlicher, menschlicher Gefühle, welche manchmal zu entgleisen drohen …

›Im blauen Haus‹ von Lisa Gromowski ist die ergreifende Darstellung eines freien, jedoch einsamen Lebens. Der Gesang trifft direkt ins Herz und treibt einem die Tränen in die Augen. Die interessante Instrumentierung aus Gitarre, Cello und Geige (zunächst pizzicato, später dann gestrichen) verleiht dem Stück eine einzigartige Atmosphäre, wie man sie sich nicht passender hätte vorstellen können.

›Niemandsland‹ von Fritz Köster erzählt von der eskapistischen Reise eines Freiheitssuchenden. Die angenehm gezupften Gitarren tragen die Stimme träumerisch in die Ferne, wo die Zeit überwunden wird und die Welt nur ihm gehört.

›Pfuiteifel‹ von Johannes Bork ist einer der witzigsten Songs auf diesem Album. Er beschreibt, begleitet von einer energiereich geschlagenen Gitarre, das gedankenverlorene Bohren in der Nase und die damit verbundenen Konsequenzen.

›Unter Strom‹ von Miriam Abert fordert auf, den Alltagsstress einfach mal loszulassen und auf das Leben zu hören. Die Gute Laune-Melodie der Gitarre ermutigt dazu, sich diese Gedanken wirklich zu Herzen zu nehmen.

›Durst nach Luft‹ von Amelie Klug besingt ergreifend das Fernweh und bittet den Wind, sie fortzutragen. Die melancholische Gitarre untermalt den schmerzlich sehnsüchtigen Gesang.

›Fische‹ von Simon Holz beschreibt auf dramatische Weise den Kapitalismus. Beinahe schaurig drückt einem das Stück per Fisch-Metapher die Tatsachen direkt ins Gesicht, bis es fast weh tut. Der Kabarett-Unterton des jungen Sängers, ebenso die militärische Snare-Begleitung verleiht dem Stück die einzigartig bedrohliche Stimmung. Live ohne Schlagzeug aufgeführt, verlor das Stück nichts an Energie.

›Nachtlos‹ von Elisabeth Kaumanns erzählt von den Gedanken eines Mädchens vom Lande, das in die Stadt gekommen ist und die Natur sucht. Sie findet diese in einem Fluss. Die jazzige Begleitung verleiht dem Stück das urbane Großstadt-Feeling.

›Sonnenklar‹ von Rebecca Novak, ein ausgereifter Popsong mit Elektro-Beat, beschreibt die träumerische Reise zur grenzenlosen Wiese, in der sich alles im Gleichgewicht befindet. Bei dem Konzert spielte sie es Solo auf dem Piano und verlieh so dem Stück eine ungeahnte Dramatik.

›Das Schlechte kannst du immer loben‹ von Georg Fischer, gesungen von Kilian Müller, ist ein cooler, träger Jazz. Der Text bezieht sich auf Goethe und Schillers Xenien. Alle mitwirkenden Musikerinnen und Musiker singen den Call & Response Chor. Diese letzte Nummer ist der kraftvolle Abschluss des Albums sowie des Konzerts.

Bei diesem Album kann man weinen, lachen, tanzen und träumen. Von ausgeschmückten Instrumentationen bis zu einsamen Gitarren, von cleveren und witzigen, bis zu träumerisch melancholischen Texten, von Chanson über Pop bis Jazz ist dieses Album ein wahrer Allrounder, was den Geschmack angeht.

Das Konzert in der Posthalle

Das Konzert am 04.07.18 in der Posthalle kann nur als voller Erfolg bezeichnet werden. Die Musikerinnen und Musiker haben sich mächtig ins Zeug gelegt, auch hinter der Bühne. Sie haben selbst den Großteil organisiert, moderiert wurde das Event von Elisabeth Kaumanns höchstselbst. Das Album ›Lauter Lieder‹ wurde nicht in der originalen Reihefolge, sondern eher thematisch vorgestellt, wodurch die positiven Lieder ans Ende gerückt wurden und der Abend gut gelaunt ausklang.

Den Beginn des Konzerts machte Konstantin Wecker am Piano. Er sang den über 50 Jahre alten Song, der auch das Motto des Workshops betitelte: ›Ich singe, weil ich ein Lied hab’‹. Danach waren die Studierenden an der Reihe, von denen jeder einzelne das Publikum mit dem ersten Ton überzeugte. Die solidarische Musikschule ›Willkommen mit Musik‹ lieferte ebenfalls ein Stück mit dem Song ›I miss my Country‹ ab, nachdem der Koordinator, Jonas Hermes, eine kurze, aber wirkungsvolle Rede über die Prinzipien der Schule und die Wichtigkeit von Musik hielt. Der Erlös des Konzerts kam dieser übrigens zugute.

Nach der Pause hielt Konstantin Wecker eine ergreifende, mit Musik untermalte Rede über die aktuelle politische Lage und ermutigte eine Veränderung, die von dem ganzen Saal mit einer Standing Ovation gebührend gefeiert wurde. Auch die zweite Hälfte des Konzerts begeisterte jeden einzelnen Zuschauer. Das Ende bestimmte eine liebevolle Danksagung an alle Beteiligten.

Im Gespräch mit Musikerinnen und Musikern

Durch das Gespräch mit den Teilnehmenden eröffnete sich der Blick hinter die Kulissen. Die Inspiration des Ganzen war der Gedanke, dass jeder mit seinem Instrument/Text eine Botschaft senden kann. Konstantin Wecker betreute bereits schon früher diese Art von Seminaren und entschied sich in diesem Jahr, für das Album ›Lauter Lieder‹, sein Label ›Sturm&Klang‹ zur Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen; die Aufnahmen wurden im Rahmen der privaten Möglichkeiten der Studierenden produziert. Einige der Songs entstanden bereits in vorangegangenen Songwriting-Seminaren, andere im Rahmen des Workshops.

Konstantin Wecker

Wecker selbst hielt sich eher im Hintergrund auf, gab jedoch viele hilfreiche Tipps und Hinweise, war dabei sehr offen und hat sich für die Studierenden interessiert. Er hat mit ihnen diskutiert, geredet und seinen großen Erfahrungsschatz, den er in über 50 Jahren in der Musikbranche sammeln konnte, geteilt. Alle beteiligten können zu Recht stolz auf das Ergebnis dieser gemeinsamen Zeit sein.

| MARC HOINKIS

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Unheimlich schaurig

Nächster Artikel

Lambchop auf dem Bildschirm und auf Papier

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

Ein Traum wird zur Tanzrealität

Bühne | Show: Breaking Salsa In der Verti Music Hall wirbelten bei »Breaking Salsa« neben Kim Wojtera nicht nur Weltklassetänzer aus acht Ländern über die Bühne, sondern es gab auch den Weltmeister im Popping und den Grammy-Gewinner Nené Vasquez und das Mingaco Orchestra live zu erleben. Nach »Flying Bach« und neben »Break the Tango« ist das nun die dritte Verschmelzung zweier völlig unterschiedlicher Tanzrichtungen. ANNA NOAH schlendert durch die Träume der Darsteller.

Von Freiheit und Vulgäranarchismus

Friedrich Schiller: Die Räuber; Staatstheater Darmstadt Schon Marcel Reich-Ranicki wusste, dass Friedrich Schiller bereits in seiner Jugend einen schöneren Sprachstil besaß, als Johann Wolfgang von Goethe in seinem ganzen Leben. Das zeigt natürlich vor allem Schillers Sturm-und-Drang-Debut ›Die Räuber‹ – ein Theaterstück über Liebe und Hass, über Familie und Individualität, über Usurpation und Freiheit. Dennoch wird Schiller heute weniger auf deutschen Bühnen aufgeführt, als sein Freund Goethe. Der Regisseur und Schauspieler Christoph Bornheim tritt dem entgegen und hat ›Die Räuber‹ in den Kammerspielen des Staatstheaters Darmstadt in einer grellen und bunten Version inszeniert, die sich primär – aber nicht nur

Utopien einer besseren (Horner) Welt

Bühne | Herman Sörgels ›Atlantropa‹ im Hamburger Theater das Zimmer Afrika und Europa vereinen sich zu ›Atlantropa‹. Herman Sörgel schuf einst eine große Utopie für eine kriegsfreie, wirtschaftsstarke, autarke Gemeinschaft. Kann seine Idee das heutige Europa retten? Von MONA KAMPE

Galileo!

Bühne | Theater: Ich bin nicht Mercury

Eine Coverband hat ihre letzte Probe vor der Studioaufnahme. Sie interpretiert Songs von Queen. Man ist sich noch nicht einig, ob man sie neu interpretiert oder doch lieber original singt. Nach und nach entfalten sich die Charaktere auf ihre völlig eigene, allerdings im Kontext Mercurys nicht sonderlich überraschende, Art und Weise. ANNA NOAH taucht erneut in ein Queen-Song-Potpourri ein.

»Sex, drugs and Rock ‚n‘ Roll« oder: »The times they are a-changin‘«

Bühne | Badisches Staatstheater Karlsruhe: Dylan – The Times they are a-changin’ Er gilt als eine der schillerndsten Figuren der Rockgeschichte und einer der musikalischen Heroen des 20. Jahrhunderts, Robert Allen Zimmerman, besser bekannt als Bob Dylan. Genauso wie er an der Spitze vieler Protest- und Widerstandsbewegungen stand, genauso – musikalisch und in seiner Lebensfülle bewegend – abwechslungsreich verlief die Karriere des mittlerweile über 70jährigen bisher. Egal, ob er die Richtung seiner Songs – vom Folksong bis hin zur Protestballade, vom Rocksong bis hin zu fast schon missionarisch anmutenden Liedern änderte, stets hat er seine Fangemeinde begeistert und hält sie