//

»Das willst du nicht wissen«

Bühne | Joe Sutton: ›Komplize‹ im Hamburger Theater das Zimmer

Die Wahrheit ist ein gefährliches Gut – das muss auch Journalist Ben erkennen, als er geheime US-Regierungsmethoden aufdeckt und angeklagt wird. Die Preisgabe seiner Quelle kann ihn und seine Familie retten, doch der Preis ist hoch. Von MONA KAMPE

Ben ist leidenschaftlicher Journalist und Familienvater. Als ihm ein geheimes US-Regierungsdokument in die Hände fällt, veröffentlicht er die brisante Story über verdeckte Foltermethoden bei Terrorverdächtigen. Doch was ihn in die Königsklasse des Journalismus bringt, kann ihn seine Freiheit kosten, denn die Regierung klagt ihn wegen Spionage und Landesverrat an. Er muss zu einer außergerichtlichen Anhörung und wird aufgefordert, seine Quelle preiszugeben.

Eine Verschwörung? Ben (Lars Ceglecki) hofft auf Sandras (Theresa Berlage) Beistand, doch kann sie ihn wirklich retten?
Eine Verschwörung? Ben (Lars Ceglecki) hofft auf Sandras (Theresa Berlage) Beistand, doch kann sie ihn wirklich retten?
(Bild 2: Eine Verschwörung? Ben (Lars Ceglecki) hofft auf Sandras (Theresa Berlage) Beistand, doch kann sie ihn wirklich retten? (Credits: Patrick Bieber))

Seine Anwältin Sandra versucht, ein Schlupfloch zu finden und einen Deal für ihn auszuhandeln. Während der Sitzung wird es Ben jedoch mehrfach untersagt, eine Rechtsberatung hinzuzuziehen. Die Schnüre ziehen sich enger, als er einen Informanten benennt, der an Treffen teilnahm. Ben weiß nicht mehr, wie das passierte. Er glaubt an eine Verschwörung.

Daheim sitzt Frau Judy und wartet, ob ihr Mann ins Gefängnis muss. Sie bittet ihn, nicht den Helden zu spielen, denn er sei zu allererst Vater. Verzweiflung, Angst und Bange nehmen ihren Lauf. Ben verschwindet. Kann Sandra jetzt noch etwas ausrichten?

Zwischen Verzweiflung und Hoffnung: Judy (Sandra Kiefer) bangt um die Freiheit ihres Mannes
Zwischen Verzweiflung und Hoffnung: Judy (Sandra Kiefer) bangt um die Freiheit ihres Mannes

Spannendes Beziehungsnetz, das Fäden spinnt und einreißt

Joe Suttons hochaktueller Politthriller ›Komplize‹ zeigt das ›Theater das Zimmer‹ von einer ganz anderen Seite: politisch, ernst, geheimnisvoll. Der Zuschauer wird in ein Wirrwarr aus Informationen, Ängsten und Beziehungen geworfen und weiß zunächst nicht, was eigentlich vorgeht.

Das ist nicht schlimm, denn nach und nach lichtet sich der Nebel und man versteht die Hintergründe der Geschichte und ihrer Protagonisten. Auf der kreativen Steilbühne, die das Haus von Ben und Judy symbolisiert, lässt es sich klettern, unterschlüpfen, hoffen, diskutieren, trösten und bangen. Ich selbst sehe Trümmer, Schatten, Licht und Liebe. Und Sie?

Jona Manow gelingt eine besondere Inszenierung, die von Emotionen, Gedanken und Rätseln lebt. Jeder der drei Protagonisten führt seinen eigenen Existenzkampf, Ben um seine Freiheit und Karriere, Judy um ihre Familie und Ehe, Sandra um ihren Job und ihr Ansehen. Ben nachdenklich und verschlossen, Judy fragend und emotional, Sandra sachlich und direkt.

Es ist eine Freude, Lars Ceglecki, Theresa Berlage und Sandra Kiefer in ihrem Beziehungsnetz zu beobachten, wie sich die Fäden spinnen und reißen. Am Ende weiß niemand, wer wie tief drinsteckt. Es stellt sich nur die Frage: Wie weit ist wer bereit zu gehen? Und die könnte angesichts der Schlüsselbegriffe Pressefreiheit und Whistleblower nicht brisanter sein.

| MONA KAMPE
| Fotos: PATRICK BIEBER

Titelangaben
›Komplize‹ von Joe Sutton (Theater das Zimmer, Hamburg)
Regie: Jona Manow
Bühne & Kostüm: Heike Böttcher
Spiel: Lars Ceglecki, Theresa Berlage, Sandra Kiefer

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Mutanten oder Fischmänner?

Nächster Artikel

Pretty Pharaonic Projects in Music

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

Was die Gitterstäbe spiegeln

Bühne | Woyzeck im Theater das Zimmer Hamburg

Einsamkeit. Stille. Dunkelheit. Kann das einen jungen Mann in den Wahnsinn treiben? Oder ist es nicht der Raum, sondern die Zeit und ihre Geschichte, die ihn einholen? Von MONA KAMPE

»Ich will sterben« – Der mediale Werther

Bühne | Goethes ›Die Leiden des jungen Werthers‹ im Badischen Staatstheater Karlsruhe Werther (Seit 2012/13 im Ensemble und souverän im jugendlichen Elan: Michel Brandt) liebt und leidet − unglücklich mit dem Gefühl für die Frau eines anderen Mannes im Herzen. Von JENNIFER WARZECHA

Unter Bekloppten

Show | Von der Luftgitarrenweltmeisterschaft 2011 Unser Autor JAN FISCHER hat Aline Westphal, die Weltmeisterin im Luftgitarrespielen, nicht nur hinter, sondern sogar bis auf die Bühne begleitet.

Graf von Krolock bittet erneut zum Ball

Bühne | Musical: Tanz der Vampire ›Tanz der Vampire‹ ist seit vielen Jahren ein wahrer Dauerbrenner auf sämtlichen Bühnen Europas. Die schaurig-amüsante Geschichte von Michael Kunze verbindet den Reiz des Mystischen und Unerklärlichen mit einem Hauch (Homo-)Erotik. Und neuerdings überrascht es mit wahrhaft gruselig-schönen Tanz-Choreographien. ANNA NOAH ist fasziniert von der aktuellen Version.

Schlagabtausch zwischen den Geschlechtern

Bühne | Das Interview – Badisches Staatstheater Karlsruhe »Ein gutes Interview ist seinem Wesen nach ein Gefecht«, sagte einst Theo van Gogh (1957-2004), niederländischer Filmregisseur, exzentrischer Provokateur und Publizist. Dieser wurde 2004 von Mohammed Bouyeri ermordet. Der Grund: Der Fundamentalist sah den Propheten Mohammed durch van Gogh beleidigt. Dieser hatte im Film ›Submission‹ (dt. ›Unterwerfung‹) zusammen mit der Islamkritikerin Hirsi Ali mit provokanten Bildern die Unterdrückung der Frau im Islam angeprangert. Von JENNIFER WARZECHA