Bühne | Musiktheater: Mozarts ›Requiem‹
Wolfgang Amadeus Mozarts (1756-1791) letzte Komposition ›Requiem‹ ist nicht nur ein sehr emotionales Werk und gleichzeitig ein Abbild der Reise zwischen Leben und Tod. Es ist ein »Stück über Menschen, die gestorben sind und wieder aufgewacht sind, die also scheintot waren«, so Guido Markowitz, Ballettdirektor und verantwortlich für die Choreographie der Pforzheimer Fassung. Von JENNIFER WAREZECHA
»Was den Tod anbelangt (wenn genau betrachtet), so ist er das wahre Ziel unseres Lebens. Ich für meinen Teil habe mich so eingehend mit diesem guten und treuen Freund des Menschen vertraut gemacht, dass sein Erscheinungsbild für mich nicht länger mehr etwas Beunruhigendes hat, sondern eher etwas äußerst Friedvolles und Tröstliches. Ich habe mich niemals schlafen gelegt, ohne daran zu denken (so jung, wie ich bin), dass ich vor dem nächsten Morgengrauen nicht mehr sein könnte«, das schreibt Mozart in einem Brief an Leopold Mozart, datiert auf den 22. April des Jahres 1787. So steht es im Programmheft.
Und nicht umsonst gibt es so einige Gerüchte um dieses Werk, das Mozart einst begann und Franz Xaver Süßmayr schließlich vollendete. In der Musikwissenschaft mehren sich die Belege, dass das einstige Wunderkind Wolfgang Amadeus, vom Wesen her mindestens genauso intelligent wie auch rastlos, seinen frühen Tod voraussah und das ›Requiem‹ für sich selbst als Totenmesse komponierte. Wäre dies sein Ansinnen gewesen, so hätte es sich buchstäblich erfüllt, starb Mozart doch noch, bevor das vielfach in Kirchen als Totenmesse aufgeführte ›Requiem‹ vollendet war.
Nicht umsonst ist in Pforzheim die Protagonistin des Musiktheaters für Solisten, Chor und Ballett das wie ›Der Tod und das Mädchen‹ von Matthias Claudius beschriebene und in Textauszügen abgedruckte Mädchen, das sich einerseits dem Tod entwindet, ihm andererseits aber immer wieder mit erhobenen Armen und offenem Herzen gegenübertritt. So spricht der Tod (anmutig, ausdrucksstark und überzeugend in Pforzheim: Adrian Ursulet/Antoine Audras) im Text von Claudius auch wohlwollend das Mädchen (gefühlvoll, ausdrucksstark und geschmeidig in Pforzheim: Ana Rita dos Santos Brito da Torre/Eleonora Pennacchini) an. Dies tut er mit den Worten: »Gib deine Hand, du schön und zart Gebild! Bin Freund, und komme nicht, zu strafen: Sei gutes Muts! ich bin nicht wild, Sollst sanft in meinen Armen schlafen.«
Der Tod und die Beziehung zwischen Mädchen und Tod, dargestellt in dem Knochenmann, wandeln sich innerhalb der einzelnen Szenen und zwischen den Sequenzen. Angst, Entsetzen wechseln sich ab mit Faszination und geradezu erotischer Begierde und Anziehungskraft, gerade da, als beim tief-traurigen ›Agnus Dei‹ das Leben (=Mädchen) buchstäblich den Tod (=Knochenmann) umarmt.
Beide begegnen sich vor dem immer wieder zu sehenden quadratischen Kasten. Der Tod, verführerisch und attraktiv mit nacktem und muskulösem Oberkörper, lauert dem Mädchen geradezu auf. Unterstützt wird die Szenerie als Ausdruck der prickelnden Leidenschaft durch das lodernde Feuer am Rande des Kastens. Das Mädchen entzieht sich dem Tod, versucht, ihm zu entfliehen und hält abwehrend die Hände hoch. Er will sie halten, doch sie entfernt sich von ihm, nachdem sie schon einige Szenen vorher bereits gestorben ist und Teil einer Totenmesse war.
Nachdem der Tod fort ist, gehen auch die Sänger ab, der Kasten wird hochgezogen. Er glitzert wie zum Zeichen der Hoffnung. Das Mädchen schaut erleichtert, wirft voll Hoffnung und Freude das Haar in die Luft und bleibt schließlich erleichtert stehen. Diese Erleichterung steht auch für die oben beschriebenen Nahtod-Erfahrungen, genauso wie das Licht, ausgedrückt im Schlusslied des Chores ›Lux perpetua luceat eis‹ (super gemacht: Carl Philipp Fromherz; Leitung Chor Theater Pforzheim und Heike Hastedt, Leitung Oratienchor), für das helle Licht am Ende des Tunnels einer solchen Erfahrung steht. Nicht umsonst ist Licht das hauptsächliche Gestaltungselement (super gemacht: Ingo Jooß, zuständig für Lichtdesign) und zeigt zusammen mit dem eigens für diese Inszenierung programmierten computerbasierten Motion-tracking-Verfahren, wie aktuell und fortschrittlich das Theater Pforzheim gerade in der momentanen Spielzeit daherkommt.
Unterstrichen mit einer Glanzleistung aus Gesang und Ballett-Tanz wird Mozarts ›Requiem‹ damit für den Zuschauer zum Genuss. Ein begeisterter und nicht endenwollender Applaus im fast ausverkauften Großen Haus bestätigt diesen Eindruck. Glanzleistung!
| JENNIFER WARZECHA
| FOTOS: Sabine Haymann
Titelangaben
Mozart-Requiem — Feiert das Leben!
Stadttheater Pforzheim – Großes Haus
Musiktheater für Solisten, Chor und Ballett von Guido Markowitz
Opernchor des Theaters Pforzheim
Oratorienchor Pforzheim
Badische Philharmonie Pforzheim
Termine
15.02.2018, 20:00; 01.03.2018, 20:00
11.03.2018, 15:00; 15.05.2018, 20:00
30.05.2018, 20:00, 16.06.2018, 19:30
22.06.2018, 19:30;