Drei Gedichte

Lyrik | Peter Engel: Drei Gedichte

Aufforderung aus den Wolken

Wie ein Mehlsack schwer der Tag,
der seine trüben Aussichten
durchs Balkonfenster wuchtet
und mir auf den Schreibtisch kippt,
mach was draus, sagt er mir.

Aber es ist so ungeformt,
keine Einzelheit erkennbar,
entgegne ich gereizt,
wie soll ich aus soviel Grauzeug
eine Gedichtzeile sintern?

Lichte die Wolkenbänke auf,
gib ihnen einen Anstrich von Blau,
laß sie durchsichtig erscheinen,
rät mir wer, den ich nicht kenne,
es könnte der Tag selbst sein.

 

Auf die Reihe bekommen

Auch die mißlingenden Tage
trage ich in die Zeilen ein,
schreibe den satten Schatten auf,
der als Schlaglicht ins Zimmer fällt,
fülle den Vers auf mit Wärme,
die aus den Heizungen wabert.

Dicke Novembertristesse,
die sich um den Schreibtisch herum
stapelt und Stück für Stück reinkommt
in die dehnbare Strophe,
bis sie mit Grau gesättigt ist
und mit dem täglichen Frust.

Erst um Mitternacht steht dann fest,
daß die Stunden gebunkert sind,
die Ereignisse eingefahren,
alles seinen richtigen Platz
zeilenfüllend bekommen hat
und endlich auf der Reihe ist.

 

Schreibzeit

Die Vergänglichkeit aufheben
mit dem Stift, der dich hinschreibt
und dir Dauer gibt für die Zeile,
das große Thema buchstabieren
in zwei oder drei Strophen,
dann zur Tagesordnung zurück.

Es ist ein besonderes Reich,
eines unter dem Gesetz
des Vormittags und nicht lichtscheu,
eine besondere Sonne leuchtet hinein,
auch wenn sie nicht scheint,
sondern nur zu vermuten ist.

Dabei Umgang mit handfesten Geistern
aus Wörtern und Wort,
die in ihren Versen immer
noch leben und dir
über die Schulter sehn, manchmal
lächeln sie dir sogar zu.

| PETER ENGEL

Peter Engel lebt und arbeitet in Hamburg. Er veröffentlichte Lyrik, u. a. in ›Rückwärts voraus‹ und ›Wolkisch lernen‹, und gibt seit 2014 gemeinsam mit Günther Emig ›Hammer + Veilchen‹ heraus.

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Ein Flunsch zieht nach Westen

Nächster Artikel

Unsichere Verhältnisse

Weitere Artikel der Kategorie »Lyrik«

Kleiner Weltuntergang

Lyrik | Peter Engel: Gedichte

Spiegelungen, Ablagerungen

Mit der Hand schließe ich mich kurz
beim Schreiben, lasse den Wortstrom
fließen durch mich hindurch,
damit er mich genau ausdrückt,
meine verschiedenen Stimmungen
zwischen heiter und bedeckt,
wie sie der Himmel mir vormacht.

Neulich in der Botanik (1)

Lyrik | Vierzeiler der Woche – von Michael Ebmeyer  Dieser Baum ist Lebensraum doch jener nicht, man glaubt es kaum

Prioritäten (1)

Lyrik | Vierzeiler der Woche – von Michael Ebmeyer  Es muss ein Ruck durch Deutschland gehen doch möchte er es auch?

Drei Gedichte

Lyrik | Peter Engel: Drei Gedichte

Leben im Februar

Schon am Vormittag mit Lampenlicht,
um den Tag aufzuhellen
und den Stift sicher zu führen,
Düsternis fällt in die Zeilen
und läßt sich nicht wegschreiben.

Ein unentschlossener Himmel
in der Mittagszeit und manchmal
fast eine Ahnung von Frühling,
festgemacht an einfallenden
Strahlen, die das Zimmer ausleuchten.