Comic | Max de Radiguès: Bastard
Max de Radiguès erzählt in seinem Comic ›Bastard‹ von einem ungewöhnlichen Gangster-Pärchen: Eugene ist ein acht Jahre alter Bub, die junge May ist seine Mutter. Den Kofferraum voller Geld, sind sie auf der Flucht durch die US-Provinz, vor Cops und Komplizen. CHRISTIAN NEUBERT hat auf ihrem Beifahrersitz Platz genommen.
May und Eugene sind auf der Flucht. Sie durchkreuzen den Südwesten der USA, per Anhalter, in geklauten Autos, den Kofferraum voller Dollars: die Beute eines gewaltigen Coups, einer organisierten, groß angelegten Serie von Raubüberfällen, bei der sie mitmischten. Eigentlich sollte das Geld ihnen zum Eintritt in ein normales Leben verhelfen. Nun aber fahndet die Polizei nach ihnen. Außerdem ist ihnen ein Komplize auf den Fersen – in mörderischer Absicht.
May und Eugene sind die Helden in Max de Radiguès Comic ›Bastard‹ – ein Pärchen in einem Krimi, der als Road Movie durchstartet. Natürlich steht der Comic damit in der Tradition von ›Bonnie und Clyde‹. Dem Film ›Leon der Profi‹, in dem ein Killer zum Ziehvater eines Mädchens wird, oder der Manga-Reihe ›Lone Wolf and Cub‹, bei dem ein herrenloser Samurai auf seinem Rachefeldzug von seinem kleinen Sohn begleitet wird, steht er allerdings näher: Eugene ist acht Jahre alt, die junge May ist seine Mutter.
Innerhalb der Verbrecherlaufbahn der abgebrühten May, die wirkt, als sei sie eben erst der Pubertät entkommen, ist Eugene natürlich ein Klotz am Bein. Trotzdem kann der Bub sich innerhalb der dysfunktionalen Familienbande als verlässlicher Komplize behaupten. Polizisten täuscht er mit gespielten Asthmaanfällen, und wenn es hart auf hart kommt – und ja, in ›Bastard‹ kommt es hart auf hart –, dann schreckt er auch vor Gewalt nicht zurück. May selbst gibt ihm ein gutes schlechtes Vorbild: Wenn es gilt, sich und ihr Kind zu verteidigen, wird sie zur Löwin. Zur jungen Bestie mit blonder Mähne, berechnend und rasend gleichzeitig, mit geladener Waffe im Handschuhfach.
Ist sie eine gute Mutter? Die Frage verbietet sich eigentlich. In dem Comic wird sie trotzdem verhandelt. Denn ›Bastard‹, der seine hartgesottenen Genre-Zutaten rausballert wie der durchschnittliche Cop Kugeln im US Action Thriller, entpuppt sich zunehmend als Familiengeschichte. Eingebettet ist sie in Blut, Verrat und ungeahnte Plot Twists, bei der sich rührende Szenen und Momente ungeschönter Wahrhaftigkeit die Hände reichen – und Coming of Age zwischen abrupten Gewaltexzessen stattfindet.
All das könnte schnell zu viel des Guten sein, wird von Radriguès allerdings gekonnt verabreicht – in harten Dosen, die von Anfang bis Ende gehörig kicken. Das gilt auch zeichnerisch: Seine luftigen Bilder lassen der gehetzten Story Platz zum Atmen. Radriguès wenig detailversessenes Draufhalten lässt das ungewöhnliche Gangster-Pärchen nur selten aus dem Visier, während der reduzierte Strich, der auch klassische Zeitungs-Funnys illustrieren könnte, mit der gleichen ungewohnten Drastik Gewalt ins Spiel bringt, wie man sie eben auch angesichts seiner Protagonisten nicht erwartet.
Ob May nun eine gute Mutter ist, weiß allerdings auch der auf dem Comicfestival in Angoulême pärmierte ›Bastard‹ nicht, zumindest will er es einem nicht als einfache Antwort verkaufen. Dafür weiß der Band sehr wohl, was eine gute Mutter ausmacht. Und einen guten Comic.
Titelangaben
Max de Radiguès: Bastard
Aus dem Französischen von Heike Drescher und Felix Freigang
Berlin: Reprodukt 2018
192 Seiten, 14 Euro
Reinschauen
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