Comic | Elfen 1: Der Kristall der Blauelfen / Elric 1: Der Rubinthron
Was ist nur aus den guten, alten Elfen geworden? Der Splitter Verlag beglückt die Fans großer Fantasyepen mit den Neustarts zweier breit angelegter Serien, in denen hochgewachsene, spitzohrige Krieger im Vordergrund stehen. Sowohl in Elfen als auch bei Elric wird gelogen und intrigiert, gemeuchelt und gemetzelt, werden finstere Zauber beschworen. Gutmenschentum hat BORIS KUNZ bei diesen Elfen vergebens gesucht.
Elfen 1: Der Kristall der Blauelfen
Die Blauelfin Lanawyn und ihr Begleiter Turin sind fassungslos: Die Bevölkerung der nördlichen Hafenstadt Ennlya ist brutal niedergemetzelt worden, die Straßen sind voll von Leichen. Offenbar war der Clan der Yrlaner, ein eher primitives, menschliches Seefahrervolk, verantwortlich für das Massaker. Immerhin hat man in der Leiche des Stadthalters einen ihrer Dolche gefunden. Der erfahrene Krimileser kann sich an dieser Stelle schon denken, dass das zu einfach wäre – der erfahrene Fantasyleser, dem ein Whodunit natürlich nicht so häufig unterkommt, vielleicht noch nicht. Er wendet sich fasziniert der zweiten Hauptfigur der Geschichte zu, der (übrigens ebenfalls sehr ansehnlichen) Blauelfin Vaalann, die offenbar die Auserwählte zu sein scheint, der es vergönnt sein soll, ihrem Volk den seit Jahren auf dem Meeresgrund schlummernden blauen Kristall zurückzuerobern. Dieser Kristall ist eine mächtige Waffe und käme dem Volk der Blauelfen in dem bevorstehenden Konflikt mit den Menschen natürlich gerade recht.
Der Story ist also für das Fantasy-Genre eher ungewöhnlich. Sie ist mehr ein Verschwörungsthriller als ein Epos mit strahlenden Helden. Der Plot wird zügig vorangetrieben, die Regeln der Welt oft nur im Vorbeigehen erklärt. Das ist auch nicht weiter wild, denn wer sich einigermaßen bei ›Herr der Ringe‹ auskennt, wird sich auch in der Mythologie dieser Welt schnell zurechtfinden: Elfen haben spitze Ohren, sind unsterblich, aber nicht unverwundbar. Menschen sind im Vergleich zu ihnen Primitivlinge, und auch wenn die Orks in diesem Fall eher als ungewöhnliche Verbündete und nicht als Allzweckgegner präsentiert werden, sehen ihre Visagen aus, als wären sie direkt von den Designvorlagen der ›Herr der Ringe‹-Filme abgepaust worden. Neu ist die Aufteilung der Elfen in unterschiedliche Rassen, sowie das maritime Setting, in der Seefahrer, Hafenstädte und Unterwasserwesen eine tragende Rolle spielen.
Zeichner Kyko Duarte bekommt leider nicht viele Chancen, die Geschichte mit Atmosphäre oder beeindruckenden Settings anzureichern. Die von einem künstlichen Graben inmitten des Meeres umgebene Stadt Elsemur beispielsweise wird zwar in einem eindrucksvollen doppelseitigen Panel eingeführt, dann aber nicht weiter in ihrer Besonderheit bespielt. Sie bleibt austauschbare Kulisse für das Drama aus Krieg und Politik, das sich in ihren Mauern abspielt. Bei den Zeichnungen wird viel mit dem Computer nachgeholfen, von wenigen Highlights abgesehen sind sie solide Durchschnittsware und leben nicht von einer außergewöhnlichen Detailfreude oder großer atmosphärischer Dichte – hier hätte ein begnadeterer Zeichner möglicherweise etwas mehr herausholen können. Auch die Figuren bleiben leider eher blass und zumeist auf ihre Funktion innerhalb der Geschichte beschränkt. Die beiden Elfendamen Lanawyn und Vaalann, deren jeweilige Queste die Story voranbringt, bekommen keine Charakterzeichnung zugebilligt, die ausreichen würde, sie wirklich voneinander unterscheiden zu können. Spannender sind Randfiguren wie der Mensch Turin, bei denen sich der Mangel an Background noch wie ein Geheimnis anfühlt.
Autor Jean-Luc Istin benutzt bekannte Versatzstücke des Genres um sich eine eigene, aber nicht eigentümliche Welt aufzubauen, in der er neue, moderne Geschichten konstruiert. Insofern scheint Elfen kein Epos zu werden, das einen durch nie gesehene Schauplätze und vielschichtige Figuren tief in seinen Bann zieht, sondern ein erzählerisches Experiment, das auf eine clever konstruierte Story und die Enträtselung einer Verschwörung setzt. Jeder Folgeband der Reihe widmet sich dann einem anderen Elfenvolk, deren Geschichten dann ein großes Ganzes bilden sollen. Dieser interessanten Absicht werden Fans den Genres sicherlich etwas abgewinnen können.
Elric 1: Der Rubinthron
In der Adaption von Michael Moorcocks Novelle um den Albino Elric geht es ähnlich zu: Auch hier steht eine politische Intrige im Vordergrund, auch hier muss sich ein altes Volk mit spitzen Ohren einer Flotte voller barbarischer, bärtiger Menschen erwehren, die ihren Hafen angreift – und auch hier leben gar nicht so entfernte Verwandte von Lovecrafts Cthulhu im Wasser, die in das Geschehen eingreifen. Doch ›Elric‹ präsentiert keinen Kriminalfall, sondern lässt den Leser von Anfang an hinter die Kulissen blicken: Dort intrigiert der neidische Yyrkoon gegen seinen Cousin Elric, der als kränklicher, schwächlicher Albino auf dem Rubinthron der einst mächtigen, unbesiegbaren Nation Melniboné mit seiner passiven Politik den Zorn der Hardcore-Eroberer erregt, die der Meinung sind, Melnibonés Stärke ließe sich nur dadurch repräsentieren, wenn man überall auf der Welt als Aggressoren Angst und Schrecken verbreitet.
›Elric‹ ist seit den 70er Jahren des Öfteren für den Comic adaptiert worden, und sein geistiger Vater Moorcock hat diese französische Comicversion, bei der jede Seite durch die Hände von drei Zeichnern gegangen ist, zu seiner offiziellen Lieblingsversion erklärt. Das überrascht wenig, denn Elric besticht vor allen Dingen durch ein monumental-düsteres, eindrucksvolles Design. Auch hier verzichtet der Autor Julien Blondel darauf, die Regeln dieser Welt eingehender zu erklären und vertraut darauf, dass der Leser, in diese Welt geworfen, sich darin schon zurechtfinden wird. Das ist in diesem Fall nicht ganz einfach, denn die Welt von ›Elric‹ erscheint wesentlich komplexer – und düsterer. Während die Bewohner von Melniboné sich Menschen wie Haustiere und Schlachtvieh halten, scheint ihre Macht trotz aller zur Schau gestellten Dekadenz vom Wirken mächtigerer Kräfte abhängig zu sein: Die »Herren des Chaos« ziehen hinter den Kulissen die Fäden bzw. lassen sich durch das Aufsagen bestimmter Beschwörungsformeln auch als Helfershelfer für Rachefeldzüge beschwören, wenn man ihnen dafür nur genügend Blutopfer verspricht.
In dieser komplexeren Welt, die gesellschaftlich ebenso wie geografisch zunächst recht undurchschaubar wirkt, muss der Leser sich ohne viele Karten und Hintergrundinformationen zurechtfinden. Er kann aber das expressionistisch angelegte Design, die Schreckensvisionen mächtiger Paläste und blutrünstiger Rituale einfach auf sich wirken lassen – und darauf kommt es in dieser Erzählung letztlich an. Was ›Elric‹ gegenüber einem Comic wie ›Elfen‹ an Zugänglichkeit fehlt, wird durch Atmosphäre dreifach wieder wettgemacht. Hier spürt man auf jeder Seite, dass hinter den Bildern ein Aufwand und ein Background stecken, der über das reine Narrativ der Texte und Zeichnungen hinausgeht. Die teilweise schon lyrische Sprache der Dialoge, die expressionistischere Aufteilung der Seiten, der Mut der Zeichner, vieles in den Schatten und in die verwischte Unschärfe zu verlagern, machen ›Elric‹ etwas schwerer zu lesen, lassen die Lektüre dafür aber auch nachhaltiger wirken.
| BORIS KUNZ
Titelangaben
Jean Luc Istin (Text), Kyko Duarte (Zeichnungen): Elfen 1: Der Kristall der Blauelfen (Elfes: Le crystal des Elfes Bleus)
Aus dem Französischen von Tanja Krämling
Bielefeld: Splitter Verlag 2014
56 Seiten, 14,80 Euro
Julien Blondel (Text), Didier Poli, Robin Recht, Jean Bastide (Zeichnungen): Elric 1: Der Rubinthron (Elric: Le trone de rubis)
Aus dem Französischen von Tanja Krämling
Bielefeld: Splitter Verlag 2013, 56 Seiten, 14,80 Euro