Kein fauler Zauber

Musik | Darjeeling: Hokus Pokus

Das Album ›Hokus Pokus‹ von Darjeeling ist eine wirklich überraschende Reise in die verworrenen Labyrinthe der Musik und fordert die absolute Hingabe des Hörers. MARC HOINKIS ließ sich verhexen.

Darjeeling zaubern wieder. Nein, dabei geht es weder um eine Tee-Sorte, noch um den Himalaya, sonder um Jan Richard, Markus Kresin und Fabian Till (live mit Thorben Doege) aus Wuppertal.

Darjeeling

Die drei Jungs haben ein weiteres brillantes Album gebastelt, das den einen oder anderen Hörer wohl auch auf die Probe stellt, denn es ist wohl eher eine verschrobene Klangcollage, als eine Ansammlung von leicht verdaulichem Radiogedudel. ›Hokus Pokus‹ ist so abstrakt, so andersartig, bunt und poetisch, dass man es nicht anders beschreiben möchte, als ein Bild mit Worten zu malen.

Viel zu hören

Das Album startet mit dem Song ›Four Days‹, der den Hörer in ein sphärisches Ambiente mit gezupfter Gitarre hineinwirft. Bereits hier wird man mit den außerirdischen Sounds und merkwürdigen Harmonien vertraut gemacht, die das Album bestimmen. Gegen Ende des Stücks schließt sich ein Halftime-Part an, der den Song eigentlich entschleunigt, durch die aufreibende Gitarre aber eher anspannt.

›Shiver‹ beginnt mit einem grausigen Lachen und kracht danach mit kraftvollem Gesang und präzisen Rhythmen los. Das Stück springt zwischen beruhigt träumerischen und schmetternden Passagen hin und her. Ziemlich mittig schreit ein zittriges Gitarrensolo laut auf.

Es folgt eine kurze Soundkulisse mit grusliger Atmosphäre, die den Titel ›Nosferatu‹ trägt. Man befindet sich offenbar während einer stürmischen Nacht im Wald und kann den alten Grafen Orlok hinter dem eigenen Rücken schnaufen und lachen hören.

Hypnose

›Odissey‹ legt mit einer hart angeschlagenen Synthie-Orgel los und begleitet den hypnotischen Gesang. Das Stück baut sich langsam auf und endet in einer schaurigen Soundcollage. Dieser Song ist stark synthetisch ausgelegt und dringt mit seinen seltsam künstlichen Frequenzen tief in das Gehirn des Hörers ein.

›You’re Not a Loner‹ fährt nun etwas zurück und kommt durch die sparsame Instrumentierung eher locker rüber. Dennoch lässt der Text, zusammen mit dem klagenden Background, den Song auf psychedelische Weise fliegen.

In ›Tangled Arms‹ befindet sich der Hörer wieder in der vertraut seltsamen Machart des Albums. Das Stück besteht quasi aus zwei Teilen. Zunächst baut es sich träge auf und hypnotisiert mit schläfrig tiefem Gesang und eigenartigen Sounds. Nach einer Instrumentalpassage verändert sich die Farbe des Songs durch den klagenden Gesang und eine anschwellende Klangkulisse.

Interstellare Energie

›There’ll Come a Time‹ beginnt aufbrausend und klingt absolut nach gutem alten Krautrock-Hippie-Jam. Die vielen Instrumentalteile krachen ordentlich und die Drums zeigen nun wirklich, wo es lang geht, während sich die Gitarre hörbar ausprobiert. Zwischendurch scheint die ganze Band ins Weltall abzuheben und nun von dort aus mit planetarer Energie voll aufzudrehen, denn gegen Ende explodiert alles in tausend Teile.

›Hokus Pokus‹ ist eine weitere kurze Klangkulisse, die mit einer schaurig schlingernden Orgel verunsichert und an eine Dracula Hochzeit erinnert.

In ›Animal‹ springt die Band zwischen allen möglichen Stimmungen hin und her. Von fröhlich, über verzweifelt bis aufgelöst verwandelt sich die Musik immer wieder. Das letzte Viertel des Songs ist einer der Gänsehaut Momente auf diesem Album.

Tief Luft holen

›Oh Darling‹ klingt im Gegensatz zum restlichen Album sehr hell und fröhlich und ist sicherlich das konventionellste Stück auf dem Album. Gegen Ende holt es noch einmal mit einem kleinen Chor aus und vervollständigt das Ambiente.

›Early Sunday Morning‹ ist ebenfalls einer der sonnigeren Tracks auf diesem Album und plätschert mit einem locker leichten Rhythmus daher, genauso wie das Thema des Songs. Im Hintergrund sorgen eingespielte Meeresgeräusche für die passend chillige Atmosphäre.

Die letzten Schwingungen

›Godzilla‹ holt den Hörer wieder auf den melancholischen Boden der Tatsachen zurück. Das Stück besteht lediglich aus einer gezupften elektrischen Gitarre, die zwischen träumerisch auflösender Leichtigkeit und hoffnungslos demütiger Schwere tänzelt.

›Man Shot Man‹ schließt nun den Bogen zum mystisch gruseligen ›Hokus Pokus‹. Abwechselnd zwischen ruhigen, dennoch drängenden und aufbrausenden Passagen schließt es das Album mit einem aufstrebenden Instrumentalpart ab, der mit akustischer Gitarre und einem eigentümlichen Stimmenduett ausklingt.

Psychedelische Hexerei

HokusPokus ›Hokus Pokus‹ hat seinen Titel wirklich verdient, denn man möchte ernsthaft meinen, dass hier gezaubert wurde. Das Album besteht in Gänze aus durchdachten Formen und interessanten Strukturen. Auffällig sind die vielen kleinen Details, die jede noch so kleine Lücke in der magischen Architektur des Albums auszufüllen scheinen.

Die durch und durch psychedelische Musik steht in beeindruckender Wechselwirkung zu den ebenso psychedelischen Texten, die sich gegenseitig stützen und so eine wuchtige Dynamik entfachen, wie sie nur aus einem uralten Hexenkessel emporsteigen kann. Und wem es noch nicht aufgefallen ist: Natürlich besteht das Album aus 13 Songs.

| MARC HOINKIS

Titelangaben
Darjeeling – Hokus Pokus
(Listenrecords/Broken Silence)
Auf Vinyl und CD
17 Euro

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