Politiker reden meist nur, in der Regel in nichtssagenden Floskeln. Dies erkannte die schwedische Schülerin Greta Thunberg schon in jungen Jahren und sie erkannte angesichts der drohenden Klimakatastrophe, dass sie handeln muss. Sie begann mit Schulstreiks vor dem schwedischen Parlament und hat damit offensichtlich einen Nerv getroffen. Von BASTIAN BUCHTALECK
Ihr Protest ging viral, wie man heute sagt und es formte sich die Fridays-for-Future-Bewegung. Thunberg durfte vor wirklich wichtigen Institutionen Reden halten. Die UN-Klimakonferenz und das Europaparlament waren darunter, aber auch eine Veranstaltung wie die Verleihung der Goldenen Kamera.
Bei ihren Reden ist der Klimaaktivistin bald aufgefallen, dass die Politiker nur so taten, als hörten sie ihr zu. In Wahrheit, so empfand sie es, waren die Politiker in Gedanken mit anderen Dingen beschäftigt, mutmaßlich dem Machterhalt. Thunbergs Botschaft jedenfalls versickerte, wo sie auf fruchtbaren Boden fallen sollte. Das ist gefährlich für die Demokratie, aber verheerend angesichts einer drohenden Klimakatastrophe.
Schmales Buch, große Wirkung?
Aus den gehaltenen Reden entstand das kleine, dünne Büchlein ›No one is too small to make a difference‹. Darin sind in englischer Sprache die Reden Thunbergs versammelt, die sie gehalten hat. Es sind gute, bewegende Reden in einer einfachen Sprache und einer direkten, wirkungsvollen Rhetorik. Getragen werden sie von der ungläubigen Frage, warum wir Menschen angesichts der drohenden Katastrophe nicht bereit sind, unseren Lebensstil zu ändern.
Dabei hat das Buch natürlich auch Schwächen, zwei stechen heraus. Einerseits wiederholen sich die Inhalte, was bei Reden, die vor unterschiedlichem Publikum zum selben Thema gehalten wurden, zu erwarten ist. Zum Zweiten kann niemand seriös sagen, wie der Klimawandel tatsächlich ausfallen und welche exakten Folgen er haben wird – auch Thunberg nicht. Der Protest warnt also vor etwas, von dem keiner genau weiß, was es sein wird. Alle möglichen Veränderungen bleiben spekulativ. Das führt dazu, dass alle Mahnungen und Warnungen schwammig sind.
Die Zeit für Zwischentöne ist abgelaufen
»Mein Name ist Greta Thunberg. Ich bin 16 Jahre alt. Ich komme aus Schweden. Und ich will, dass ihr in Panik ausbrecht.« So oder zumindest so ähnlich beginnen die Reden von Greta Thunberg. Dabei zeigt der Journalist Stephen Emmott in seinem Buch ›10 Milliarden‹, dass die Botschaft tatsächlich in Panik versetzen sollte. Emmott vergleicht die drohende Klimakatastrophe mit einem Asteroiden, der auf die Erde zurast. Emmott behauptet, dass die Menschen alle Kräfte bündeln würden, um den Einschlag des Asteroiden zu verhindern oder zumindest zu mildern. Der Klimawandel sei ein ähnliches Ereignis, aber im Unterschied zum drohenden Asteroiden, weniger konkret. Darum bewege sich nichts und niemand. Diesen Vergleich würde Thunberg sicher unterschreiben.
So sei sich zwar die gesamte Wissenschaft einig, aber das zählt wenig, wenn die Politik die Augen ebenso verschließt wie die überwiegende Mehrheit der Menschen. Umso mehr zeigt sich Thunberg entsetzt, dass nach den Reden außer zustimmendem Nicken nichts geschieht. Alle sehen, keiner handelt.
Thunberg sieht dies als Asperger-Autistin besonders klar, schreibt sie, da sie als die Welt aufgeteilt sieht in Schwarz und Weiß, in Richtig und Falsch, keine Zwischentöne. Dass die Welt viele Zwischentöne kennt, ist unbestritten und doch liegt in dieser Ausschließlichkeit die Stärke der Reden. Dringlicher kann man kaum vor dem Klimakollaps warnen. Man kann jetzt etwas gegen den Klimawandel tun oder es lassen. Die Zeit für Zwischentöne ist abgelaufen.
Fazit
Letztlich ist es stimmig, dass Thunberg zu zivilem Ungehorsam auffordert, denn wer dem aktuellen Zaudern und Verzögern folgt, der macht sich mit schuldig. »It is time to rebel«, lautet darum das Fazit der Reden, nachdem sie mit »it‘s time to panic« eingeleitet hatte.
Nachdem Thunberg bei Politikern auf taube Ohren stieß, ist das Buch als der Versuch zu verstehen, diejenigen mit ihrer Botschaft zu erreichen, die der Klimawandel auch betrifft und die etwas dagegen tun können: alle anderen. Vielleicht wird über diesen Weg der eine oder andere Politiker von seinen Enkeln angesprochen, ein Seehofer, ein Söder oder eine Klöckner und doch noch zum Handeln bewegt. Das ist nicht bloß wünschenswert. Es ist notwendig.
Titelangaben
Greta Thunberg: No one is too small to make a difference
London: Penguin Books 2019
68 Seiten, 5,00 Euro
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