Roman | James Lee Burke: Mein Name ist Robicheaux
Jedes Jahr bringt der Bielefelder Pendragon Verlag drei bis vier Titel aus der Dave-Robicheaux-Reihe des US-amerikanischen Autors James Lee Burke (Jahrgang 1936) heraus. Die meisten davon sind Neuausgaben oder überarbeitete Übersetzungen von bereits in den 1990ern bei Ullstein bzw. im Münchener Goldmann Verlag erschienenen Büchern. Mit Mein Name ist Robicheaux ist nun aber auch wieder eine deutsche Erstausgabe – in der Übersetzung von Jürgen Bürger – dabei. Es ist der 21. von bisher vorliegenden 22 Robicheaux-Thrillern. Und er hat erneut alles, was Leser weltweit an den Romanen von James Lee Burke schätzen: einen spannenden Plot, meisterhaft ausgelotete Charaktere und großartige Naturbeschreibungen. Von DIETMAR JACOBSEN
Dave Robicheaux wird des Mordes verdächtigt. Der Autounfall, der seiner Frau das Leben kostete, soll, so hat ihm ein Informant gesteckt, ein kaltblütiger Mord gewesen sein. Und weil der Mann, der in Mein Name ist Robicheaux schon seinen 21. Auftritt in einem Roman seines Erfinders hat, manchmal selbst nicht mehr weiß, was er tut, wenn ihn Wut, Verzweiflung und Weltüberdruss packen und dann meistens auch der Alkohol nicht weit ist, kann es durchaus sein, dass er es war, der jenen T. J. Dartez im Vollrausch gestellt und kaltblütig getötet hat.
Nur sein bester Freund Clete Purcell, seine Vorgesetzte im Iberia Sheriff’s Departement Helen Soileau, und seine Ziehtochter Alafair, aus der inzwischen eine respektable Schriftstellerin geworden ist, sind überzeugt: Robicheaux wurde in eine Falle gelockt.
Eine Falle für Robicheaux
Dabei ist auch sonst genug zu tun im südlichen Louisiana rund um die Kleinstadt New Iberia. Die Gattin eines bekannten Verfassers von Südstaatenromanen bezichtigt einen aufstrebenden Lokalpolitiker, sie vergewaltigt zu haben. Acht junge Frauen – die »Jeff Davies 8« – sind in einem Nachbarbezirk brutal ermordet worden. Und ein grotesk gekleideter, ansonsten aber unscheinbarer Mann, der statt Aufmerksamkeit gewöhnlich nur den Spott seiner Mitwelt auf sich zieht, fährt mit einem Stapel Karteikarten herum und tötet Menschen nach einem genau festgelegten Plan. Aber in wessen Auftrag ist dieser Chester Wimple – erneut eine jener psychopathischen Figuren, mit denen es Burke hervorragend gelingt, seinen Lesern bei der Lektüre kalte Schauer über den Rücken zu jagen – unterwegs? Und bringt er wirklich nur Menschen um, die den Tod auch verdient zu haben scheinen?
Burke lässt seine Hauptfigur als Ich-Erzähler auftreten. Was sich um Robicheaux herum tut – die oft in brutale Gewalt umschlagenden Auftritte seines unberechenbaren Freundes Purcell, Alafairs Mühen um das Drehbuch für einen Film nach dem Roman des Schriftstellers Levon Broussard, die Ermittlungen aller für das Sheriffbüro Tätigen und die krude Innenwelt des Killers Wimple –, wird aus den jeweiligen personalen Perspektiven beleuchtet. Das funktioniert wunderbar nicht zuletzt deshalb, weil man es bei Burke mit einem Schriftsteller zu tun hat, der sein Handwerk aus dem Effeff beherrscht und die einzelnen Erzählstränge seines Romans souverän miteinander verknüpft.
Der Karteikarten-Killer
Mein Name ist Robicheaux – das amerikanische Original erspart sich die Anspielung auf den Bond-Mythos und titelt nur Robicheaux – präsentiert facettenreich einen amerikanischen Süden, in dem andere Werte gelebt werden als in den großen Metropolen an der Ost- und Westküste des Landes. Hier gibt es nicht wenige, »die nicht addieren und subtrahieren,keine Zeitung lesen können und nicht wissen, was der Ausdruck ‚9/11‘ bedeutet«. Aber wem soll man das zum Vorwurf machen, fragt Burke. »Wie soll man […] wütend auf Menschen sein, die arm geboren wurden, so schlecht Englisch sprechen, dass sie für Außenstehende völlig unverständlich sind, das Weltbild und die Glaubensüberzeugungen von mittelalterlichen Bauern besitzen, sich mit Putzen Geld verdienen und fettleibig werden wegen völlig ungesunder Massenlebensmittel, für die sie auch noch dankbar sind?«
Dass in dieser dumpfen, gewaltgesättigten, frauenverachtenden Atmosphäre eine »lange Tradition an Volksverhetzung« dafür sorgt, dass einem populistischen Präsidenten für seine unhaltbaren Versprechen zugejubelt wird, den um den Zustand der Demokratie in ihrem Land Besorgten aber oft nicht weniger als blanker Hass entgegenschlägt, ist bei solcherart Prämissen alles andere als verwunderlich.
Auch der 21. Dave-Robicheaux-Roman des inzwischen 83-jährigen James Lee Burke besitzt all jene Qualitäten, die seinem Autor von jeher nachgesagt werden. Grandiose Landschaftsbeschreibungen, komplexe Charaktere, geschickt miteinander verwobene Handlungsstränge und eine mehr der Gerechtigkeit als dem herrschenden Gesetz sich verpflichtet fühlende Hauptfigur, die zahlreiche Kämpfe mit sich selbst und ihren in der Vergangenheit wurzelnden seelischen Verletzungen auszutragen hat und doch nach jedem Tiefschlag wieder aufsteht, machen diesen spannenden Kriminalroman auch zu einem literarischen Ereignis von Rang, welches allerdings – das soll hier noch angemerkt werden, weil es öfter als notwendig während der Lektüre störte – auch ein sorgfältigeres deutsches Lektorat verdient gehabt hätte.
Titelangaben
James Lee Burke: Mein Name ist Robicheaux
Aus dem Amerikanischen von Jürgen Bürger
Bielefeld: Pendragon 2019
600 Seiten. 22.- Euro
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