/

Fotografie als Therapie

Kulturbuch | Wenche Dahle: Im Licht eines Meeres

Ein kleines, besonderes Buch. Ein Buch, das anderen Mut macht, das aufzeigen soll, welche ungeahnten Kräfte man in sich trägt, welche ungewöhnlichen Wege es gibt, die eigene Seele aus einem Tief zu holen. BARBARA WEGMANN war beeindruckt.

»Ich bin am Meer geboren und aufgewachsen,
in Flatanger,
einem kleinen Ort an Norwegens langer Küste.
Viele Jahre war ich Krankenpflegerin,
doch diesen Beruf musste ich aufgeben,
weil mein Körper nicht mehr wollte.«

Licht eines MeeresWenche Dahle gerät in eine persönliche Krise, was ihr jetzt hilft, das ist ihre große Leidenschaft: die Fotografie. Früher habe sie die Kamera ihrer Mutter oft stibitzt und Fotos gemacht, heute, so schreibt Wenche Dahle, sei die kreative Fotografie aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken.

Bilder mit maritimen Motiven: das Meer, weit, bedrohlich, düster, Möwen, in der Ferne verschwommen ein Leuchtturm, Landschaft, Bäume, die berühmten spektakulären Lichtspiele am nordischen Nachthimmel, Schnee, Eis, Stille und Bewegungslosigkeit. Aber es sind keine abbildenden Fotografien, keine klar umrissenen Motive, es sind künstlerisch bearbeitete Bilder, verfremdet, ungewöhnlich, etwas geheimnisvoll, mystisch, manches lassen sie nur noch ahnen, es sind Fotografien, die wie gemalte Bilder anmuten.

Oft hat man das Gefühl, mehrere Bilder lägen übereinander, immer wieder ein Spiel mit Nähe und Distanz, mit Bewegung und Starre, mit Hell und Dunkel, Bilder, die ganz klar eine sehr individuelle Handschrift zeigen. Und die letztlich in ihrer Aussage viel über die Autorin und Fotografin erzählen.

Vom Meer sei sie geprägt worden, das Meer, das ihr »Raum zum Denken« gebe, wo sie Freiheit finde. »Das ist mein Paradies«.

»Auf dem Weg des Lebens zu wandeln kann gnadenlos sein, es kann mühsam erscheinen, und manchmal fühlt man sich allein.« Wenche Dahle spricht von dem verlorenen inneren Gleichgewicht, von dunklen Räumen, die ihr die Freude am Leben nahmen. Aber: »Ich wurde stärker und fand schließlich den Mut, neue Türen zu öffnen, ohne zu wissen, was sich dahinter verbarg.«
Die immer wieder eingestreuten Worte der Autorin geben den Fotos ein ganz besonderes Gewicht, machen aus dem Buch eben nicht »nur« ein Fotoalbum«, sondern letztlich eine sehr persönliche Geschichte.

»Ich kann nicht ohne mich leben, und ich muss lernen, im Takt mit mir selbst zu sein. Ich muss lernen, mich zu lieben, mein Freund zu sein, und nicht mein Feind.«

Das Fotografieren, das Aufschreiben bestärkt sie, neue Räume für ihr Leben zu suchen, Mut, Optimismus und Zuversicht zuzulassen, eine Krise schließlich zu überwinden.
Tief beeindruckend! »Nie wieder sollen die dunklen Räume mich beherrschen. Ich will nach vorne blicken, ich will leben.«

| BARBARA WEGMANN

Titelangaben
Wenche Dahle: Im Licht eines Meeres
Edition Bildperlen
96 Seiten, 24,80 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Geschichten und Schweigen

Nächster Artikel

Dilettantismus

Weitere Artikel der Kategorie »Kulturbuch«

Der Dreck und der Teppich

Gesellschaft | Thomas Kistner: Schuss Im Fußball geht es derzeit hoch her, und es gibt eine Menge Themen, die die Öffentlichkeit interessieren dürften. Das Doping gehört zweifellos dazu, es schwelt dauerhaft und flammt gelegentlich immer mal wieder auf. Beide Seiten rüsten auf; die einen, um aufzuklären, die anderen um den Teppich drüber zu halten. Es läuft darauf hinaus, dem Publikum vorzugaukeln, dass alles in Ordnung sei, fernsehgerecht. Von WOLF SENFF

Etikettenschwindel

Kulturbuch | Hannelore Schlaffer: Die intellektuelle Ehe

Es gibt das Sprichwort von der Diskussion im luftleeren Raum. Ganz leer ist der Raum zwar nicht, in dem das Buch Die intellektuelle Ehe von Hannelore Schlaffer argumentiert, aber die Luft ist sehr dünn. Das Philosophenpaar Sartre und Beauvoir oder der Theatermensch Brecht werden als herausragende Beispiele dieser Idee präsentiert, deren Uneinlösbarkeit maßgeblich zu ihrem Reiz beiträgt. Von BASTIAN BUCHTALECK

Es muss nicht immer Trollinger sein

Kulturbuch | Kathrin Haasis: Württemberger Weinlese Stuttgarts Weinszene boomt und seine stolzen Winzer räumen bei Wettbewerben zahlreiche Preise ab. Mit der Journalistin und Kolumnistin Kathrin Haasis hat sich eine profunde Kennerin auf eine vergnügliche Württemberger Weinlese begeben – kenntnisreich und vielseitig. Von INGEBORG JAISER

Gehen, um sich selbst zu finden

Kulturbuch | Norbert Parucha: Meditatives Wandern Wer beim Unterwegssein die ganze Konzentration auf das Erreichen des Zieles lenkt, geht möglicherweise sich selbst verloren. ›Meditatives Wandern‹ dagegen vermittelt das Wiedererlernen der Bewusstheit. Norbert Parucha hat dazu einen handlichen Wanderbegleiter mit anregenden Übungen, Texten und Impulsen verfasst. Von INGEBORG JAISER

Vielfältig und universell

Kulturbuch | Duncan / Ingram: François Truffaut. Sämtliche Filme + François Truffaut Edition (DVD) Mit seinen schlichten, gehaltvollen Filmen hat der französische Regisseur François Truffaut Filmgeschichte geschrieben. Robert Ingram und Paul Duncan begeben sich mit einem Bildband auf seine Spuren. Von BETTINA GUTIÉRREZ